vor: "Das war euer Gemahl, und dies ist euer Gemahl." Ich will euch und niemand vorurtheilen: nur bitte ich euch, fürchtet euch ein wenig mit mir, und nehmt eure Maßreglen; Ruhe wird nicht. "Fürchtest du dich noch?" -- Ja, so lange er lebt! antwortete ich. Ja! weil ich die Sachen kenne, und sehe!! -- Über euch aber bin ich böse. Alle Menschen haben Briefe und Nachrichten und Gesinnungen von Hause, nur ich nicht. In solchen Augenblicken schreibt man doch wohl ein Wort: wär's auch nur von dem persönlichen Ein- druck, von der eignen Stimmung. Ich, bei Gott! schreibe auch nicht leicht, und bequem hier, in großer Störung, und unpaß genug, versäume ich's je, euch eine Nachricht zu geben? Denkt ihr, mir liegt nicht an Zuhause? und Allen hier! Der König freut sich sehr über die Bereitwilligkeit seiner Berliner. -- Nun wieder die alte Rahel. Es marschirt, schießt, plündert, tobt schon wieder. -- Im Konzert sprach ich Radziwill, alle Menschen aller Nationen, Gesandten, alles. Sie waren sehr konsternirt: aber Einer schob's auf den Andern: und jeder, als wenn er nie gerathen oder gewußt hätte! --
An M. Th. Robert, in Berlin.
Wien, Dienstag den 28. März Abends 9 Uhr 1815.
Welche Zeit! Wenn der hypochondrischte Poltron Recht behält! Heute sind alle Menschen, Männer und Frauen, Alle, die sonst Muth haben, viel erschrockener als ich? die Klugen von den verschiedensten Partheien: nur die Schlaffen und Per-
vor: „Das war euer Gemahl, und dies iſt euer Gemahl.“ Ich will euch und niemand vorurtheilen: nur bitte ich euch, fürchtet euch ein wenig mit mir, und nehmt eure Maßreglen; Ruhe wird nicht. „Fürchteſt du dich noch?“ — Ja, ſo lange er lebt! antwortete ich. Ja! weil ich die Sachen kenne, und ſehe!! — Über euch aber bin ich böſe. Alle Menſchen haben Briefe und Nachrichten und Geſinnungen von Hauſe, nur ich nicht. In ſolchen Augenblicken ſchreibt man doch wohl ein Wort: wär’s auch nur von dem perſönlichen Ein- druck, von der eignen Stimmung. Ich, bei Gott! ſchreibe auch nicht leicht, und bequem hier, in großer Störung, und unpaß genug, verſäume ich’s je, euch eine Nachricht zu geben? Denkt ihr, mir liegt nicht an Zuhauſe? und Allen hier! Der König freut ſich ſehr über die Bereitwilligkeit ſeiner Berliner. — Nun wieder die alte Rahel. Es marſchirt, ſchießt, plündert, tobt ſchon wieder. — Im Konzert ſprach ich Radziwill, alle Menſchen aller Nationen, Geſandten, alles. Sie waren ſehr konſternirt: aber Einer ſchob’s auf den Andern: und jeder, als wenn er nie gerathen oder gewußt hätte! —
An M. Th. Robert, in Berlin.
Wien, Dienstag den 28. März Abends 9 Uhr 1815.
Welche Zeit! Wenn der hypochondriſchte Poltron Recht behält! Heute ſind alle Menſchen, Männer und Frauen, Alle, die ſonſt Muth haben, viel erſchrockener als ich? die Klugen von den verſchiedenſten Partheien: nur die Schlaffen und Per-
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vor: „Das war euer Gemahl, und dies iſt euer Gemahl.“
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Ruhe wird nicht. „Fürchteſt du dich noch?“ — Ja, ſo
lange er lebt! antwortete ich. Ja! weil ich die Sachen kenne,
und ſehe!! — Über euch aber bin ich böſe. Alle Menſchen
haben Briefe und Nachrichten und Geſinnungen von Hauſe,
nur ich nicht. In ſolchen Augenblicken ſchreibt man doch
wohl ein Wort: wär’s auch nur von dem perſönlichen Ein-
druck, von der eignen Stimmung. Ich, bei Gott! ſchreibe auch
nicht leicht, und bequem hier, in großer Störung, und unpaß
genug, verſäume ich’s je, euch eine Nachricht zu geben? Denkt
ihr, mir liegt nicht an Zuhauſe? und Allen hier! Der König
freut ſich ſehr über die Bereitwilligkeit ſeiner Berliner. —
Nun wieder die alte Rahel. Es marſchirt, ſchießt, plündert,
tobt ſchon wieder. — Im Konzert ſprach ich Radziwill, alle
Menſchen aller Nationen, Geſandten, alles. Sie waren ſehr
konſternirt: aber Einer ſchob’s auf den Andern: und jeder, als
wenn er nie gerathen oder gewußt hätte! —
An M. Th. Robert, in Berlin.
Wien, Dienstag den 28. März Abends 9 Uhr 1815.
Welche Zeit! Wenn der hypochondriſchte Poltron Recht
behält! Heute ſind alle Menſchen, Männer und Frauen, Alle,
die ſonſt Muth haben, viel erſchrockener als ich? die Klugen
von den verſchiedenſten Partheien: nur die Schlaffen und Per-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/279>, abgerufen am 22.12.2024.
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