Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

auch wohl an meinen wenigen Prätensionen liegen, und
daran liegen, daß ich unzufrieden mit mir bin." Höre
nur dieses Bedingen und Wenden des schon Bedingten! So
bin ich leider auch, und nur darum kein gemeinster Harpagon,
weil mein Geist, mein Urtheil über mich selbst die Oberhand,
oder das letzte Wort behält. Denn was ist wohl anders Geiz,
Kargheit der Handlungsweise, als ein ungroßmüthiges ewiges
Erwägen des schon Erwägten; und dem Glücke mit seinen
Satrapen, den Umständen, gar keinen Kredit, am allerwenig-
sten einen sorglosen geben wollen, den allein es verlangt, und
wofür allein es Interessen spendet. Aber das mag der "Fürst
der Hölle" -- wie Friedrich Schlegel in seinen neuesten Vor-
lesungen höflich den Teufel nennt -- können; moi je suis
payee pour etre de la mefiance la plus outree
gegen die Für-
stin der Erde! (will ich nun die antike Fortuna aus Rück-
wirkung nennen.) Du hast Recht, Bruder Harpagon; ich
weiß es nun, wir bleiben Harpagone: und daß wir noch
etwas komisch sind, können sie uns nicht genug danken,
und gar nicht nachmachen: weil dazu eine andere Natur
zum gemeinen Leben gehört, als man eine hat, und die bes-
sere
den Pagliasso, und den Tiefsinn, den Hochsinn und den
Unsinn übernimmt; Jean Paul, Shakespeare, Hamlet mit
Einem Wort!




-- Der Besen im Zauberlehrling. Der Meister muß kom-
men! Kennt ihr einen? Ich fürchte jeden. Was sagt ihr
zu den Spaniern, wie die die Indianer behandlen! Das soll

auch wohl an meinen wenigen Prätenſionen liegen, und
daran liegen, daß ich unzufrieden mit mir bin.“ Höre
nur dieſes Bedingen und Wenden des ſchon Bedingten! So
bin ich leider auch, und nur darum kein gemeinſter Harpagon,
weil mein Geiſt, mein Urtheil über mich ſelbſt die Oberhand,
oder das letzte Wort behält. Denn was iſt wohl anders Geiz,
Kargheit der Handlungsweiſe, als ein ungroßmüthiges ewiges
Erwägen des ſchon Erwägten; und dem Glücke mit ſeinen
Satrapen, den Umſtänden, gar keinen Kredit, am allerwenig-
ſten einen ſorgloſen geben wollen, den allein es verlangt, und
wofür allein es Intereſſen ſpendet. Aber das mag der „Fürſt
der Hölle“ — wie Friedrich Schlegel in ſeinen neueſten Vor-
leſungen höflich den Teufel nennt — können; moi je suis
payée pour être de la méfiance la plus outrée
gegen die Für-
ſtin der Erde! (will ich nun die antike Fortuna aus Rück-
wirkung nennen.) Du haſt Recht, Bruder Harpagon; ich
weiß es nun, wir bleiben Harpagone: und daß wir noch
etwas komiſch ſind, können ſie uns nicht genug danken,
und gar nicht nachmachen: weil dazu eine andere Natur
zum gemeinen Leben gehört, als man eine hat, und die beſ-
ſere
den Pagliaſſo, und den Tiefſinn, den Hochſinn und den
Unſinn übernimmt; Jean Paul, Shakeſpeare, Hamlet mit
Einem Wort!




— Der Beſen im Zauberlehrling. Der Meiſter muß kom-
men! Kennt ihr einen? Ich fürchte jeden. Was ſagt ihr
zu den Spaniern, wie die die Indianer behandlen! Das ſoll

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0269" n="261"/>
auch wohl an meinen wenigen Präten&#x017F;ionen liegen, und<lb/><hi rendition="#g">daran liegen</hi>, daß ich unzufrieden mit mir bin.&#x201C; Höre<lb/>
nur die&#x017F;es Bedingen und Wenden des &#x017F;chon Bedingten! So<lb/>
bin ich leider auch, und nur darum kein gemein&#x017F;ter Harpagon,<lb/>
weil mein Gei&#x017F;t, mein Urtheil über mich &#x017F;elb&#x017F;t die Oberhand,<lb/>
oder das letzte Wort behält. Denn was i&#x017F;t wohl anders Geiz,<lb/>
Kargheit der Handlungswei&#x017F;e, als ein ungroßmüthiges ewiges<lb/>
Erwägen des &#x017F;chon Erwägten; und dem Glücke mit &#x017F;einen<lb/>
Satrapen, den Um&#x017F;tänden, gar keinen Kredit, am allerwenig-<lb/>
&#x017F;ten einen &#x017F;orglo&#x017F;en geben wollen, den allein es verlangt, und<lb/>
wofür allein es Intere&#x017F;&#x017F;en &#x017F;pendet. Aber das mag der &#x201E;Für&#x017F;t<lb/>
der Hölle&#x201C; &#x2014; wie Friedrich Schlegel in &#x017F;einen neue&#x017F;ten Vor-<lb/>
le&#x017F;ungen höflich den Teufel nennt &#x2014; können; <hi rendition="#aq">moi je suis<lb/>
payée pour être de la méfiance la plus outrée</hi> gegen die Für-<lb/>
&#x017F;tin der Erde! (will ich nun die antike Fortuna aus Rück-<lb/>
wirkung nennen.) Du ha&#x017F;t Recht, Bruder Harpagon; ich<lb/>
weiß es nun, wir <hi rendition="#g">bleiben</hi> Harpagone: und daß wir noch<lb/>
etwas komi&#x017F;ch &#x017F;ind, können &#x017F;ie uns nicht genug <hi rendition="#g">danken</hi>,<lb/>
und <hi rendition="#g">gar nicht</hi> nachmachen: weil <hi rendition="#g">dazu</hi> eine <hi rendition="#g">andere</hi> Natur<lb/>
zum gemeinen Leben gehört, als man eine hat, und die <hi rendition="#g">be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ere</hi> den Paglia&#x017F;&#x017F;o, und den Tief&#x017F;inn, den Hoch&#x017F;inn und den<lb/>
Un&#x017F;inn übernimmt; Jean Paul, Shake&#x017F;peare, <hi rendition="#g">Hamlet</hi> mit<lb/>
Einem Wort!</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Freitag, den 3. März 1815.</hi> </dateline><lb/>
            <p>&#x2014; Der Be&#x017F;en im Zauberlehrling. Der Mei&#x017F;ter muß kom-<lb/>
men! Kennt ihr einen? Ich fürchte <hi rendition="#g">jeden</hi>. Was &#x017F;agt ihr<lb/>
zu den Spaniern, wie die die Indianer behandlen! <hi rendition="#g">Das</hi> &#x017F;oll<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0269] auch wohl an meinen wenigen Prätenſionen liegen, und daran liegen, daß ich unzufrieden mit mir bin.“ Höre nur dieſes Bedingen und Wenden des ſchon Bedingten! So bin ich leider auch, und nur darum kein gemeinſter Harpagon, weil mein Geiſt, mein Urtheil über mich ſelbſt die Oberhand, oder das letzte Wort behält. Denn was iſt wohl anders Geiz, Kargheit der Handlungsweiſe, als ein ungroßmüthiges ewiges Erwägen des ſchon Erwägten; und dem Glücke mit ſeinen Satrapen, den Umſtänden, gar keinen Kredit, am allerwenig- ſten einen ſorgloſen geben wollen, den allein es verlangt, und wofür allein es Intereſſen ſpendet. Aber das mag der „Fürſt der Hölle“ — wie Friedrich Schlegel in ſeinen neueſten Vor- leſungen höflich den Teufel nennt — können; moi je suis payée pour être de la méfiance la plus outrée gegen die Für- ſtin der Erde! (will ich nun die antike Fortuna aus Rück- wirkung nennen.) Du haſt Recht, Bruder Harpagon; ich weiß es nun, wir bleiben Harpagone: und daß wir noch etwas komiſch ſind, können ſie uns nicht genug danken, und gar nicht nachmachen: weil dazu eine andere Natur zum gemeinen Leben gehört, als man eine hat, und die beſ- ſere den Pagliaſſo, und den Tiefſinn, den Hochſinn und den Unſinn übernimmt; Jean Paul, Shakeſpeare, Hamlet mit Einem Wort! Freitag, den 3. März 1815. — Der Beſen im Zauberlehrling. Der Meiſter muß kom- men! Kennt ihr einen? Ich fürchte jeden. Was ſagt ihr zu den Spaniern, wie die die Indianer behandlen! Das ſoll

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/269
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/269>, abgerufen am 03.12.2024.