kirche, die schön ist, und zum Sinnen und Beten stimmt, kostete 40,000 Franken; die Dekoration war aber mesquine, dem Eindruck nach, den sie machte, weil sie unzusammenhän- gend und nicht für das Gebäude passend war. Wappen, Stücke Tuch, die wie breite Schärpen herabhingen, und an der großen silbrigen, nicht silbernen, Krone Frankreichs oben befestigt. Manche Bänke beschlagen, manche nicht; eine trauernde Religion mit einem Kreuze im Arm, und einer Mi- nerven-Büste zur Seite (?)! Noch eine Statue, die das Te- stament Ludwigs XVI vorstellte, von Holz, worüber begypste Gewänder geworfen waren. Recht gut! aber für ein Abend- fest in einem Garten!!! kurz beinahe so schlecht, als Türen- ne's Begräbniß, als er nach dem Pantheon gebracht wurde, welches ich in Paris sah. Es waren Billette ausgegeben. Ich hatte eins zu einem guten Sitz, von Graf Flemming, aber ich ging der Kälte, des Wartens und Gedränges wegen nicht hin: sondern nachher, um die Kirche zu sehen. Die Musik soll auch gar nichts getaugt haben. Gestern Mittag war dann endlich die große Schlittenfahrt: mir glaubt, und keiner Zeitung. Himmlische, kommode, halbe Wagen, nicht nach der neuen schlechten Mode, die -- nicht destoweniger, sondern, destomehr -- sehr elegant aussahen, auf sehr guten Schlittengestellen; übermäßig beharnischte Pferde mit entsetzlich beglockten Decken; verguldet und versilbert nach Lust! und Kaiserlich; ungefähr bei jedem sechs reich galonirte Bedienten mit dreieckigen Hü- ten, die Vorreiter sein sollten: nicht knallten. In jedem ein Herr und eine Dame. Die Damen in allerlei kouleurten Pel- zen und Hüten; aber alle von Einer faiseuse, also beinah
gleich.
kirche, die ſchön iſt, und zum Sinnen und Beten ſtimmt, koſtete 40,000 Franken; die Dekoration war aber mesquine, dem Eindruck nach, den ſie machte, weil ſie unzuſammenhän- gend und nicht für das Gebäude paſſend war. Wappen, Stücke Tuch, die wie breite Schärpen herabhingen, und an der großen ſilbrigen, nicht ſilbernen, Krone Frankreichs oben befeſtigt. Manche Bänke beſchlagen, manche nicht; eine trauernde Religion mit einem Kreuze im Arm, und einer Mi- nerven-Büſte zur Seite (?)! Noch eine Statue, die das Te- ſtament Ludwigs XVI vorſtellte, von Holz, worüber begypste Gewänder geworfen waren. Recht gut! aber für ein Abend- feſt in einem Garten!!! kurz beinahe ſo ſchlecht, als Türen- ne’s Begräbniß, als er nach dem Pantheon gebracht wurde, welches ich in Paris ſah. Es waren Billette ausgegeben. Ich hatte eins zu einem guten Sitz, von Graf Flemming, aber ich ging der Kälte, des Wartens und Gedränges wegen nicht hin: ſondern nachher, um die Kirche zu ſehen. Die Muſik ſoll auch gar nichts getaugt haben. Geſtern Mittag war dann endlich die große Schlittenfahrt: mir glaubt, und keiner Zeitung. Himmliſche, kommode, halbe Wagen, nicht nach der neuen ſchlechten Mode, die — nicht deſtoweniger, ſondern, deſtomehr — ſehr elegant ausſahen, auf ſehr guten Schlittengeſtellen; übermäßig beharniſchte Pferde mit entſetzlich beglockten Decken; verguldet und verſilbert nach Luſt! und Kaiſerlich; ungefähr bei jedem ſechs reich galonirte Bedienten mit dreieckigen Hü- ten, die Vorreiter ſein ſollten: nicht knallten. In jedem ein Herr und eine Dame. Die Damen in allerlei kouleurten Pel- zen und Hüten; aber alle von Einer faiseuse, alſo beinah
gleich.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0264"n="256"/>
kirche, die ſchön iſt, und zum Sinnen und Beten ſtimmt,<lb/>
koſtete 40,000 Franken; die Dekoration war aber <hirendition="#aq">mesquine,</hi><lb/>
dem Eindruck nach, den ſie machte, weil ſie unzuſammenhän-<lb/>
gend und nicht für das Gebäude paſſend war. Wappen,<lb/>
Stücke Tuch, die wie breite Schärpen herabhingen, und an<lb/>
der großen ſilbrigen, nicht ſilbernen, Krone Frankreichs oben<lb/>
befeſtigt. Manche Bänke beſchlagen, manche nicht; eine<lb/>
trauernde Religion mit einem Kreuze im Arm, und einer Mi-<lb/>
nerven-Büſte zur Seite (?)! Noch eine Statue, die das Te-<lb/>ſtament Ludwigs <hirendition="#aq">XVI</hi> vorſtellte, von Holz, worüber begypste<lb/>
Gewänder geworfen waren. Recht gut! aber für ein Abend-<lb/>
feſt in einem Garten!!! kurz beinahe ſo ſchlecht, als Türen-<lb/>
ne’s Begräbniß, als er nach dem Pantheon gebracht wurde,<lb/>
welches ich in Paris ſah. Es waren Billette ausgegeben. Ich<lb/>
hatte eins zu einem guten Sitz, von Graf Flemming, aber ich<lb/>
ging der Kälte, des Wartens und Gedränges wegen nicht hin:<lb/>ſondern nachher, um die Kirche zu ſehen. Die Muſik ſoll auch<lb/>
gar nichts getaugt haben. Geſtern Mittag war dann endlich<lb/>
die große Schlittenfahrt: <hirendition="#g">mir</hi> glaubt, und keiner Zeitung.<lb/>
Himmliſche, kommode, halbe Wagen, nicht nach der neuen<lb/>ſchlechten Mode, die — nicht deſtoweniger, ſondern, deſtomehr<lb/>—ſehr elegant ausſahen, auf ſehr guten Schlittengeſtellen;<lb/>
übermäßig beharniſchte Pferde mit entſetzlich beglockten Decken;<lb/>
verguldet und verſilbert nach Luſt! und Kaiſerlich; ungefähr<lb/>
bei jedem ſechs reich galonirte Bedienten mit dreieckigen Hü-<lb/>
ten, die Vorreiter ſein ſollten: nicht knallten. In jedem ein<lb/>
Herr und eine Dame. Die Damen in allerlei kouleurten Pel-<lb/>
zen und Hüten; aber alle von Einer <hirendition="#aq">faiseuse,</hi> alſo beinah<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gleich.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[256/0264]
kirche, die ſchön iſt, und zum Sinnen und Beten ſtimmt,
koſtete 40,000 Franken; die Dekoration war aber mesquine,
dem Eindruck nach, den ſie machte, weil ſie unzuſammenhän-
gend und nicht für das Gebäude paſſend war. Wappen,
Stücke Tuch, die wie breite Schärpen herabhingen, und an
der großen ſilbrigen, nicht ſilbernen, Krone Frankreichs oben
befeſtigt. Manche Bänke beſchlagen, manche nicht; eine
trauernde Religion mit einem Kreuze im Arm, und einer Mi-
nerven-Büſte zur Seite (?)! Noch eine Statue, die das Te-
ſtament Ludwigs XVI vorſtellte, von Holz, worüber begypste
Gewänder geworfen waren. Recht gut! aber für ein Abend-
feſt in einem Garten!!! kurz beinahe ſo ſchlecht, als Türen-
ne’s Begräbniß, als er nach dem Pantheon gebracht wurde,
welches ich in Paris ſah. Es waren Billette ausgegeben. Ich
hatte eins zu einem guten Sitz, von Graf Flemming, aber ich
ging der Kälte, des Wartens und Gedränges wegen nicht hin:
ſondern nachher, um die Kirche zu ſehen. Die Muſik ſoll auch
gar nichts getaugt haben. Geſtern Mittag war dann endlich
die große Schlittenfahrt: mir glaubt, und keiner Zeitung.
Himmliſche, kommode, halbe Wagen, nicht nach der neuen
ſchlechten Mode, die — nicht deſtoweniger, ſondern, deſtomehr
— ſehr elegant ausſahen, auf ſehr guten Schlittengeſtellen;
übermäßig beharniſchte Pferde mit entſetzlich beglockten Decken;
verguldet und verſilbert nach Luſt! und Kaiſerlich; ungefähr
bei jedem ſechs reich galonirte Bedienten mit dreieckigen Hü-
ten, die Vorreiter ſein ſollten: nicht knallten. In jedem ein
Herr und eine Dame. Die Damen in allerlei kouleurten Pel-
zen und Hüten; aber alle von Einer faiseuse, alſo beinah
gleich.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/264>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.