Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ten!! und ich nichts in der Welt dadurch sah. Ich gehe we-
nig hin. "Mir nicht so! bei Gott!" Den Weihnachten ver-
gesse ich ihnen nicht. Grüße Oppenheims; ich werde ihnen
einmal schreiben, daß ihnen Hören und Sehen, und Wien ver-
gehen soll. Ich zerbreche mir immer den Kopf, wo ich in
Berlin wohnen werde. Einmal muß ich doch hin. Dein Brief
unterhielt mich, weil ich ihn einsah. Ernst, Stimmung, Lage,
Handschrift, alles. Manches mit diesem eben so. Adieu adieu. R.
Laß nur Ferdinand noch nichts lernen, und ärgert ihn in
nichts. Er wird doch unglücklich, wenn er größer wird. Was
macht denn der Heuchler? Was macht Babette? ärgert sie
sich noch? Heute hat unser König beim Kanzler gespeist.
Varnhagen mit Stägemann. -- Adieu.



An Moritz und Ernestine Robert, in Berlin.


Bloß ein paar Worte! Hier ist der Beobachter: so sol-
len wir nun denken; Lampe-Gentz schreibt's uns vor: von
ihm ist die tiefsinnig-religiöse Betrachtung über die vorgestern
stattgefundene Leichenfeier. Denkt euch darüber was ihr könnt:
ich sehe Emigranten-Arme darin, die die Welt wie ein Rad
in seinem Lauf zurückhalten und auf die alte Stelle, wo es
ihnen gefiel, zurückführen möchten. "Der Rest ist Schweigen",
denn tief in der Natur der Dinge, die Einmal für uns da
sind, liegt dies Schwanken, Wogen, Meinen, Toben, Halten,
Schreiten. Das Fest in der Kirche selbst, in der Stephans-

ten!! und ich nichts in der Welt dadurch ſah. Ich gehe we-
nig hin. „Mir nicht ſo! bei Gott!“ Den Weihnachten ver-
geſſe ich ihnen nicht. Grüße Oppenheims; ich werde ihnen
einmal ſchreiben, daß ihnen Hören und Sehen, und Wien ver-
gehen ſoll. Ich zerbreche mir immer den Kopf, wo ich in
Berlin wohnen werde. Einmal muß ich doch hin. Dein Brief
unterhielt mich, weil ich ihn einſah. Ernſt, Stimmung, Lage,
Handſchrift, alles. Manches mit dieſem eben ſo. Adieu adieu. R.
Laß nur Ferdinand noch nichts lernen, und ärgert ihn in
nichts. Er wird doch unglücklich, wenn er größer wird. Was
macht denn der Heuchler? Was macht Babette? ärgert ſie
ſich noch? Heute hat unſer König beim Kanzler geſpeiſt.
Varnhagen mit Stägemann. — Adieu.



An Moritz und Erneſtine Robert, in Berlin.


Bloß ein paar Worte! Hier iſt der Beobachter: ſo ſol-
len wir nun denken; Lampe-Gentz ſchreibt’s uns vor: von
ihm iſt die tiefſinnig-religiöſe Betrachtung über die vorgeſtern
ſtattgefundene Leichenfeier. Denkt euch darüber was ihr könnt:
ich ſehe Emigranten-Arme darin, die die Welt wie ein Rad
in ſeinem Lauf zurückhalten und auf die alte Stelle, wo es
ihnen gefiel, zurückführen möchten. „Der Reſt iſt Schweigen“,
denn tief in der Natur der Dinge, die Einmal für uns da
ſind, liegt dies Schwanken, Wogen, Meinen, Toben, Halten,
Schreiten. Das Feſt in der Kirche ſelbſt, in der Stephans-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0263" n="255"/>
ten!! und ich nichts in der Welt dadurch &#x017F;ah. Ich gehe we-<lb/>
nig hin. &#x201E;Mir nicht <hi rendition="#g">&#x017F;o</hi>! bei Gott!&#x201C; Den Weihnachten ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;e ich ihnen nicht. Grüße Oppenheims; ich werde ihnen<lb/>
einmal &#x017F;chreiben, daß ihnen Hören und Sehen, und Wien ver-<lb/>
gehen &#x017F;oll. Ich zerbreche mir immer den Kopf, wo ich in<lb/>
Berlin wohnen werde. Einmal muß ich doch hin. Dein Brief<lb/>
unterhielt mich, weil ich ihn ein&#x017F;ah. Ern&#x017F;t, Stimmung, Lage,<lb/>
Hand&#x017F;chrift, alles. Manches mit die&#x017F;em eben &#x017F;o. Adieu adieu. R.<lb/>
Laß nur Ferdinand noch nichts lernen, und ärgert ihn in<lb/>
nichts. Er wird doch unglücklich, wenn er größer wird. Was<lb/>
macht denn der Heuchler? Was macht Babette? ärgert &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich noch? Heute hat un&#x017F;er König beim Kanzler ge&#x017F;pei&#x017F;t.<lb/>
Varnhagen mit Stägemann. &#x2014; Adieu.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Moritz und Erne&#x017F;tine Robert, in Berlin.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Wien, Montag den 23. Januar 1815.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Bloß ein paar Worte! Hier i&#x017F;t der Beobachter: &#x017F;o &#x017F;ol-<lb/>
len wir nun denken; Lampe-Gentz &#x017F;chreibt&#x2019;s uns vor: von<lb/>
ihm i&#x017F;t die tief&#x017F;innig-religiö&#x017F;e Betrachtung über die vorge&#x017F;tern<lb/>
&#x017F;tattgefundene Leichenfeier. Denkt euch darüber was ihr könnt:<lb/>
ich &#x017F;ehe Emigranten-Arme darin, die die Welt wie ein Rad<lb/>
in &#x017F;einem Lauf zurückhalten und auf die alte Stelle, wo es<lb/>
ihnen gefiel, zurückführen möchten. &#x201E;Der Re&#x017F;t i&#x017F;t Schweigen&#x201C;,<lb/>
denn tief in der Natur der Dinge, die Einmal für uns da<lb/>
&#x017F;ind, liegt dies Schwanken, Wogen, Meinen, Toben, Halten,<lb/>
Schreiten. Das Fe&#x017F;t in der Kirche &#x017F;elb&#x017F;t, in der Stephans-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0263] ten!! und ich nichts in der Welt dadurch ſah. Ich gehe we- nig hin. „Mir nicht ſo! bei Gott!“ Den Weihnachten ver- geſſe ich ihnen nicht. Grüße Oppenheims; ich werde ihnen einmal ſchreiben, daß ihnen Hören und Sehen, und Wien ver- gehen ſoll. Ich zerbreche mir immer den Kopf, wo ich in Berlin wohnen werde. Einmal muß ich doch hin. Dein Brief unterhielt mich, weil ich ihn einſah. Ernſt, Stimmung, Lage, Handſchrift, alles. Manches mit dieſem eben ſo. Adieu adieu. R. Laß nur Ferdinand noch nichts lernen, und ärgert ihn in nichts. Er wird doch unglücklich, wenn er größer wird. Was macht denn der Heuchler? Was macht Babette? ärgert ſie ſich noch? Heute hat unſer König beim Kanzler geſpeiſt. Varnhagen mit Stägemann. — Adieu. An Moritz und Erneſtine Robert, in Berlin. Wien, Montag den 23. Januar 1815. Bloß ein paar Worte! Hier iſt der Beobachter: ſo ſol- len wir nun denken; Lampe-Gentz ſchreibt’s uns vor: von ihm iſt die tiefſinnig-religiöſe Betrachtung über die vorgeſtern ſtattgefundene Leichenfeier. Denkt euch darüber was ihr könnt: ich ſehe Emigranten-Arme darin, die die Welt wie ein Rad in ſeinem Lauf zurückhalten und auf die alte Stelle, wo es ihnen gefiel, zurückführen möchten. „Der Reſt iſt Schweigen“, denn tief in der Natur der Dinge, die Einmal für uns da ſind, liegt dies Schwanken, Wogen, Meinen, Toben, Halten, Schreiten. Das Feſt in der Kirche ſelbſt, in der Stephans-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/263
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/263>, abgerufen am 22.12.2024.