aus wie von einem breiten Instrumente klingt, und in Angst und Weh und Zorn künstlerisch erzeugt scheint. So etwas ist sehr schön, bewundernswürdig und lehrreich. So lehrte mich der italiänische Klavierspieler Lodi zuerst, auf einem zerbrochenen Klaviere in Töplitz (vor vielen Jahren), was Mozart und alle neuere Komponisten mit Oktavspringen auf diesem Instrument sagen wollen: er zeigte mir, daß das schnelle Greifen mit Einer Hand von der Oktav zur andern den anhaltenden Ton eines gestrichenen Saiteninstru- ments hervorbringen sollte; und brachte ihn jedesmal durch Schnelle und ander Geschick hervor. Wenige Menschen ahn- den nur in der Technik der Musik ein Werkzeug zu derglei- chen Absichten; und lassen sich das mißlungene, und als nichts Bedeutende lebenslang gedankenlos als etwas aufdringen. Mir gehts anders: ich tadle es, bis ich's verstehe. -- Alle Orchester hier gehen sanft, sinnig und richtig, und ihre Stärke besteht nicht im Reißen, wie die der beiden Weber; des dün- nen in Prag, und des dicken bei uns. Überhaupt auf fal- schern Musikwegen ist keine Stadt in Deutschland, als Ber- lin; und, wie natürlich, in einem festen Dünkel darüber be- fangen: weil es Mühe und lärmende Anstrengung nicht spart. Weber, Zelter, Iffland, tragen große Schuld; und des seli- gen Righini Überdruß und Nachgiebigkeit aus Applaudisse- mentssucht. --
aus wie von einem breiten Inſtrumente klingt, und in Angſt und Weh und Zorn künſtleriſch erzeugt ſcheint. So etwas iſt ſehr ſchön, bewundernswürdig und lehrreich. So lehrte mich der italiäniſche Klavierſpieler Lodi zuerſt, auf einem zerbrochenen Klaviere in Töplitz (vor vielen Jahren), was Mozart und alle neuere Komponiſten mit Oktavſpringen auf dieſem Inſtrument ſagen wollen: er zeigte mir, daß das ſchnelle Greifen mit Einer Hand von der Oktav zur andern den anhaltenden Ton eines geſtrichenen Saiteninſtru- ments hervorbringen ſollte; und brachte ihn jedesmal durch Schnelle und ander Geſchick hervor. Wenige Menſchen ahn- den nur in der Technik der Muſik ein Werkzeug zu derglei- chen Abſichten; und laſſen ſich das mißlungene, und als nichts Bedeutende lebenslang gedankenlos als etwas aufdringen. Mir gehts anders: ich tadle es, bis ich’s verſtehe. — Alle Orcheſter hier gehen ſanft, ſinnig und richtig, und ihre Stärke beſteht nicht im Reißen, wie die der beiden Weber; des dün- nen in Prag, und des dicken bei uns. Überhaupt auf fal- ſchern Muſikwegen iſt keine Stadt in Deutſchland, als Ber- lin; und, wie natürlich, in einem feſten Dünkel darüber be- fangen: weil es Mühe und lärmende Anſtrengung nicht ſpart. Weber, Zelter, Iffland, tragen große Schuld; und des ſeli- gen Righini Überdruß und Nachgiebigkeit aus Applaudiſſe- mentsſucht. —
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aus wie von einem breiten Inſtrumente klingt, und in
Angſt und Weh und Zorn künſtleriſch erzeugt ſcheint. So
etwas iſt ſehr ſchön, bewundernswürdig und lehrreich. So
lehrte mich der italiäniſche Klavierſpieler Lodi zuerſt, auf
einem zerbrochenen Klaviere in Töplitz (vor vielen Jahren),
was Mozart und alle neuere Komponiſten mit Oktavſpringen
auf dieſem Inſtrument ſagen wollen: er zeigte mir, daß das
ſchnelle Greifen mit Einer Hand von der Oktav zur andern
den anhaltenden Ton eines geſtrichenen Saiteninſtru-
ments hervorbringen ſollte; und brachte ihn jedesmal durch
Schnelle und ander Geſchick hervor. Wenige Menſchen ahn-
den nur in der Technik der Muſik ein Werkzeug zu derglei-
chen Abſichten; und laſſen ſich das mißlungene, und als nichts
Bedeutende lebenslang gedankenlos als etwas aufdringen.
Mir gehts anders: ich tadle es, bis ich’s verſtehe. — Alle
Orcheſter hier gehen ſanft, ſinnig und richtig, und ihre Stärke
beſteht nicht im Reißen, wie die der beiden Weber; des dün-
nen in Prag, und des dicken bei uns. Überhaupt auf fal-
ſchern Muſikwegen iſt keine Stadt in Deutſchland, als Ber-
lin; und, wie natürlich, in einem feſten Dünkel darüber be-
fangen: weil es Mühe und lärmende Anſtrengung nicht ſpart.
Weber, Zelter, Iffland, tragen große Schuld; und des ſeli-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/259>, abgerufen am 24.11.2024.
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