Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

einer bis zur Gabel gekommen ist: ziehst du so, so zieh' ich
so! und ziehst du so, so zieh ich so! Sachsen -- Polen! So
steht das Spiel, so lang ich hier bin: und auch ich kann mir
einbilden ich bin klug daraus. Die Andern thun dies alle.
Adieu! Liebe Ojeser. Wir sehen uns wieder!

R.


An Varnhagen, in Wien.


"Eines harten Mannes Erb', oder selbst ein solcher Mann,
Oder beides auch zugleich, ist, wer Reichthum sammlen kann."

Dies sagt der mir sehr liebe Logau; und wie paßt es,
wie ist es der Text, der ganze Inhalt unseres Gesprächs! Ich
habe dir meine Seele gezeigt; wie sie nach meinem besten Be-
sinnen ist: denn so ist sie doch eigentlich, und nicht in wogen-
dem partiellen Bewußtsein über die Erscheinungen der Dinge,
sondern ihrer selbst, dem Bleibendsten in ihr. Ich habe dir
also nur einen Moment zeigen können von dem, was in mir,
wenn auch nicht immer, doch meist, und stets dunkel vorgeht
und arbeitet. Verzeihe es mir also, wenn ich dich bitte, mir
kein türkisch Schal zu kaufen! "Ob ich solche Schabracke
habe, oder nicht!" Im Gegentheil! Mein Stolz, meine
Eitelkeit besteht darin, und schon längst, keines zu haben.
Kann ich's bezahlen, so brauche ich keins; und es ist schön
keines zu haben: kann ich es nicht bezahlen, so ist es recht
und richtig keines zu haben. Und endlich, die Summe Gel-
des ist für uns und in jetzigen Momenten immer hübscher, als
ein prahlender Lumpen auf den Schultern. Auch wenn ich

einer bis zur Gabel gekommen iſt: ziehſt du ſo, ſo zieh’ ich
ſo! und ziehſt du ſo, ſo zieh ich ſo! Sachſen — Polen! So
ſteht das Spiel, ſo lang ich hier bin: und auch ich kann mir
einbilden ich bin klug daraus. Die Andern thun dies alle.
Adieu! Liebe Ojeſer. Wir ſehen uns wieder!

R.


An Varnhagen, in Wien.


„Eines harten Mannes Erb’, oder ſelbſt ein ſolcher Mann,
Oder beides auch zugleich, iſt, wer Reichthum ſammlen kann.“

Dies ſagt der mir ſehr liebe Logau; und wie paßt es,
wie iſt es der Text, der ganze Inhalt unſeres Geſprächs! Ich
habe dir meine Seele gezeigt; wie ſie nach meinem beſten Be-
ſinnen iſt: denn ſo iſt ſie doch eigentlich, und nicht in wogen-
dem partiellen Bewußtſein über die Erſcheinungen der Dinge,
ſondern ihrer ſelbſt, dem Bleibendſten in ihr. Ich habe dir
alſo nur einen Moment zeigen können von dem, was in mir,
wenn auch nicht immer, doch meiſt, und ſtets dunkel vorgeht
und arbeitet. Verzeihe es mir alſo, wenn ich dich bitte, mir
kein türkiſch Schal zu kaufen! „Ob ich ſolche Schabracke
habe, oder nicht!“ Im Gegentheil! Mein Stolz, meine
Eitelkeit beſteht darin, und ſchon längſt, keines zu haben.
Kann ich’s bezahlen, ſo brauche ich keins; und es iſt ſchön
keines zu haben: kann ich es nicht bezahlen, ſo iſt es recht
und richtig keines zu haben. Und endlich, die Summe Gel-
des iſt für uns und in jetzigen Momenten immer hübſcher, als
ein prahlender Lumpen auf den Schultern. Auch wenn ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0256" n="248"/>
einer bis zur Gabel gekommen i&#x017F;t: zieh&#x017F;t du &#x017F;o, &#x017F;o zieh&#x2019; ich<lb/>
&#x017F;o! und zieh&#x017F;t du &#x017F;o, &#x017F;o zieh ich &#x017F;o! Sach&#x017F;en &#x2014; Polen! So<lb/>
&#x017F;teht das Spiel, &#x017F;o lang ich hier bin: und auch ich kann mir<lb/>
einbilden ich bin klug daraus. Die Andern thun dies alle.<lb/>
Adieu! Liebe Oje&#x017F;er. Wir &#x017F;ehen uns wieder!</p>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">R.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Varnhagen, in Wien.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Wien, Mittwoch Abend den 30. November 1814.</hi> </dateline><lb/>
          <cit>
            <quote> <hi rendition="#et">&#x201E;Eines harten Mannes Erb&#x2019;, oder &#x017F;elb&#x017F;t ein &#x017F;olcher Mann,<lb/>
Oder beides auch zugleich, i&#x017F;t, wer Reichthum &#x017F;ammlen kann.&#x201C;</hi> </quote>
          </cit><lb/>
          <p>Dies &#x017F;agt der mir &#x017F;ehr liebe Logau; und wie paßt es,<lb/>
wie i&#x017F;t es der Text, der ganze Inhalt un&#x017F;eres Ge&#x017F;prächs! Ich<lb/>
habe dir meine Seele gezeigt; wie &#x017F;ie nach meinem be&#x017F;ten Be-<lb/>
&#x017F;innen i&#x017F;t: denn &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie doch eigentlich, und nicht in wogen-<lb/>
dem partiellen Bewußt&#x017F;ein über die Er&#x017F;cheinungen der Dinge,<lb/>
&#x017F;ondern ihrer &#x017F;elb&#x017F;t, dem Bleibend&#x017F;ten in ihr. Ich habe dir<lb/>
al&#x017F;o nur einen Moment zeigen können von dem, was in mir,<lb/>
wenn auch nicht immer, doch mei&#x017F;t, und &#x017F;tets dunkel vorgeht<lb/>
und arbeitet. Verzeihe es mir al&#x017F;o, wenn ich dich bitte, mir<lb/>
kein türki&#x017F;ch Schal zu kaufen! &#x201E;Ob ich &#x017F;olche Schabracke<lb/>
habe, oder nicht!&#x201C; Im Gegentheil! Mein <hi rendition="#g">Stolz</hi>, meine<lb/><hi rendition="#g">Eitelkeit</hi> be&#x017F;teht darin, und &#x017F;chon läng&#x017F;t, keines zu haben.<lb/><hi rendition="#g">Kann</hi> ich&#x2019;s bezahlen, &#x017F;o brauche ich keins; und es i&#x017F;t <hi rendition="#g">&#x017F;chön</hi><lb/>
keines zu haben: kann ich es nicht bezahlen, &#x017F;o i&#x017F;t es recht<lb/>
und richtig keines zu haben. Und endlich, die Summe Gel-<lb/>
des i&#x017F;t für uns und in jetzigen Momenten immer hüb&#x017F;cher, als<lb/>
ein prahlender Lumpen auf den Schultern. Auch wenn ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0256] einer bis zur Gabel gekommen iſt: ziehſt du ſo, ſo zieh’ ich ſo! und ziehſt du ſo, ſo zieh ich ſo! Sachſen — Polen! So ſteht das Spiel, ſo lang ich hier bin: und auch ich kann mir einbilden ich bin klug daraus. Die Andern thun dies alle. Adieu! Liebe Ojeſer. Wir ſehen uns wieder! R. An Varnhagen, in Wien. Wien, Mittwoch Abend den 30. November 1814. „Eines harten Mannes Erb’, oder ſelbſt ein ſolcher Mann, Oder beides auch zugleich, iſt, wer Reichthum ſammlen kann.“ Dies ſagt der mir ſehr liebe Logau; und wie paßt es, wie iſt es der Text, der ganze Inhalt unſeres Geſprächs! Ich habe dir meine Seele gezeigt; wie ſie nach meinem beſten Be- ſinnen iſt: denn ſo iſt ſie doch eigentlich, und nicht in wogen- dem partiellen Bewußtſein über die Erſcheinungen der Dinge, ſondern ihrer ſelbſt, dem Bleibendſten in ihr. Ich habe dir alſo nur einen Moment zeigen können von dem, was in mir, wenn auch nicht immer, doch meiſt, und ſtets dunkel vorgeht und arbeitet. Verzeihe es mir alſo, wenn ich dich bitte, mir kein türkiſch Schal zu kaufen! „Ob ich ſolche Schabracke habe, oder nicht!“ Im Gegentheil! Mein Stolz, meine Eitelkeit beſteht darin, und ſchon längſt, keines zu haben. Kann ich’s bezahlen, ſo brauche ich keins; und es iſt ſchön keines zu haben: kann ich es nicht bezahlen, ſo iſt es recht und richtig keines zu haben. Und endlich, die Summe Gel- des iſt für uns und in jetzigen Momenten immer hübſcher, als ein prahlender Lumpen auf den Schultern. Auch wenn ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/256
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/256>, abgerufen am 21.11.2024.