angesponnenem Leben haben wir es ja Beide oft erfahren. Es kommen gewiß Augenblicke, wo du dem Gebet und dem gött- lichen unmittelbaren Wunderschutz näher sein wirst: auf diese hoffe mit Zuversicht. Dies ist das einzig Erhabene, Reelle, und wie ein Licht lassen sie völlige Finsterniß in dem Schreck- lichsten nicht zu. Trost giebt es nicht: sonst gäbe es kein Un- glück: aber mit diesen Gedanken richt' ich mich selbst in schlim- men Fällen auf, und drücke sie fest an mein Herz. --
Noch kann ich wegen Varnhagens Verhältnissen nicht bestimmen, wann ich nach Dresden komme; aber in jedem Fall sehe ich dich. -- Auch ich wüßte gern, wo ich bleibe: obzwar ich weiß: daß, außer bei Eis und Bären, oder unter der Linie bei Vampyren, es allenthalben gut und schlecht ist, und der Kampf nie aufhört: noch dazu jetzt, wo es keine Hauptstadt, keine Hauptnation, keine Haupt-Großewelt mehr giebt, nur Gährungsstoff, Fragen ohne Antworten, Frieden ohne großen Gewinn in der Stelle von jenen. Aber alte hei- mische Gewöhnung hat mich heimisch gemacht; und selbst die früstrirte abgeschnittene Neugier, allgemein Gesittetes in schö- nen festen Formen irgendwo finden zu können! Mein lieber mich liebender, ehrlicher, fleißiger Freund muß mir Halt und Ersatz sein: und wir sind es uns auch: auf Erden scheint mir nichts gewiß, und ein großes Gut, wie durch Zauberglück, ganz außer meinem Schicksal und Bewerben erhalten, am we- nigsten! Mich dünkt, ich bin auf alles gefaßt. Wir sind sehr fleißig; nämlich Varnhagen und Woltmanns, die mit uns auf demselben Flur wohnen; sie schreiben viel, und lesen viel, haben viel Bücher und Zeitungen, da lese und hör' und
angeſponnenem Leben haben wir es ja Beide oft erfahren. Es kommen gewiß Augenblicke, wo du dem Gebet und dem gött- lichen unmittelbaren Wunderſchutz näher ſein wirſt: auf dieſe hoffe mit Zuverſicht. Dies iſt das einzig Erhabene, Reelle, und wie ein Licht laſſen ſie völlige Finſterniß in dem Schreck- lichſten nicht zu. Troſt giebt es nicht: ſonſt gäbe es kein Un- glück: aber mit dieſen Gedanken richt’ ich mich ſelbſt in ſchlim- men Fällen auf, und drücke ſie feſt an mein Herz. —
Noch kann ich wegen Varnhagens Verhältniſſen nicht beſtimmen, wann ich nach Dresden komme; aber in jedem Fall ſehe ich dich. — Auch ich wüßte gern, wo ich bleibe: obzwar ich weiß: daß, außer bei Eis und Bären, oder unter der Linie bei Vampyren, es allenthalben gut und ſchlecht iſt, und der Kampf nie aufhört: noch dazu jetzt, wo es keine Hauptſtadt, keine Hauptnation, keine Haupt-Großewelt mehr giebt, nur Gährungsſtoff, Fragen ohne Antworten, Frieden ohne großen Gewinn in der Stelle von jenen. Aber alte hei- miſche Gewöhnung hat mich heimiſch gemacht; und ſelbſt die früſtrirte abgeſchnittene Neugier, allgemein Geſittetes in ſchö- nen feſten Formen irgendwo finden zu können! Mein lieber mich liebender, ehrlicher, fleißiger Freund muß mir Halt und Erſatz ſein: und wir ſind es uns auch: auf Erden ſcheint mir nichts gewiß, und ein großes Gut, wie durch Zauberglück, ganz außer meinem Schickſal und Bewerben erhalten, am we- nigſten! Mich dünkt, ich bin auf alles gefaßt. Wir ſind ſehr fleißig; nämlich Varnhagen und Woltmanns, die mit uns auf demſelben Flur wohnen; ſie ſchreiben viel, und leſen viel, haben viel Bücher und Zeitungen, da leſe und hör’ und
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angeſponnenem Leben haben wir es ja Beide oft erfahren. Es
kommen gewiß Augenblicke, wo du dem Gebet und dem gött-
lichen unmittelbaren Wunderſchutz näher ſein wirſt: auf dieſe
hoffe mit Zuverſicht. Dies iſt das einzig Erhabene, Reelle,
und wie ein Licht laſſen ſie völlige Finſterniß in dem Schreck-
lichſten nicht zu. Troſt giebt es nicht: ſonſt gäbe es kein Un-
glück: aber mit dieſen Gedanken richt’ ich mich ſelbſt in ſchlim-
men Fällen auf, und drücke ſie feſt an mein Herz. —
Noch kann ich wegen Varnhagens Verhältniſſen nicht
beſtimmen, wann ich nach Dresden komme; aber in jedem
Fall ſehe ich dich. — Auch ich wüßte gern, wo ich bleibe:
obzwar ich weiß: daß, außer bei Eis und Bären, oder unter
der Linie bei Vampyren, es allenthalben gut und ſchlecht iſt,
und der Kampf nie aufhört: noch dazu jetzt, wo es keine
Hauptſtadt, keine Hauptnation, keine Haupt-Großewelt mehr
giebt, nur Gährungsſtoff, Fragen ohne Antworten, Frieden
ohne großen Gewinn in der Stelle von jenen. Aber alte hei-
miſche Gewöhnung hat mich heimiſch gemacht; und ſelbſt die
früſtrirte abgeſchnittene Neugier, allgemein Geſittetes in ſchö-
nen feſten Formen irgendwo finden zu können! Mein lieber
mich liebender, ehrlicher, fleißiger Freund muß mir Halt und
Erſatz ſein: und wir ſind es uns auch: auf Erden ſcheint mir
nichts gewiß, und ein großes Gut, wie durch Zauberglück,
ganz außer meinem Schickſal und Bewerben erhalten, am we-
nigſten! Mich dünkt, ich bin auf alles gefaßt. Wir ſind
ſehr fleißig; nämlich Varnhagen und Woltmanns, die mit
uns auf demſelben Flur wohnen; ſie ſchreiben viel, und leſen
viel, haben viel Bücher und Zeitungen, da leſe und hör’ und
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/245>, abgerufen am 22.11.2024.
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