antworten war, und weil ich in diesem Brief noch nicht be- stimmen konnte, wo ich hingehe, so bin ich zufrieden. Nur halte dich nicht wieder verdrießliches Unheil ab! Ich bin noch in derselben Klemme: und sehe nun die unveränderliche Kon- stellation meines Geschicks ein. Kaiser auf, Kaiser ab; Bür- gererhöhung, Adelglanz; die Welt mag sich gestalten wie sie will; bei jedem Wälzen, bei jedem Sturz, bleib' ich bei mei- nen Sandkörnchen liegen, auch ein solches; und vergeblich ist mein Streben, und mein Verzweiflen! Nicht einmal ich än- dere mich; meine Natur, bleibt auch dieselbe: und so sitze ich noch hier und boße mich zur Konvaleszenz. Seit dem 29. Mai habe ich aus Paris keinen Brief von Varnhagen; in dem ver- heißt er mir zu kommen, und ihm nach Mannheim zu schrei- ben poste restante: mein siebenter Brief liegt nun dort, und er kommt nicht, und antwortet auch nicht. Sogar Mad. Brede, die mir jeden Posttag schrieb: und nun in Mannheim ist, schreibt mir seit dem 27. auch nicht mehr. Diese Bos- heit rechne ich dem Schicksal an, wie einem Menschen!! Ge- nug von mir Widerwärtigen! man wird es vollkommen von Widerwärtigkeiten, die ganz ohne repit auf einen regnen. Auch hätte ich dir ganz gewiß nicht geschrieben, sanfte Sara! -- sanft und freundlich nenn' ich dich jetzt, weil ich mir un- bewußt während dem Schreiben dein Gesicht vorgestellt hatte, und dein bloßes Zuhören, mein mich an dich in Gedanken Wenden, mich schon besänftigte. Holde schöne Gabe Gottes! Aber ich konnte ohne andere Veranlassung, als mich selbst, mich doch nicht entschließen dir zu schreiben. -- Vorgestern eröffnete mir der ständische Schauspieldirektor Liebich, als der
II. 15
antworten war, und weil ich in dieſem Brief noch nicht be- ſtimmen konnte, wo ich hingehe, ſo bin ich zufrieden. Nur halte dich nicht wieder verdrießliches Unheil ab! Ich bin noch in derſelben Klemme: und ſehe nun die unveränderliche Kon- ſtellation meines Geſchicks ein. Kaiſer auf, Kaiſer ab; Bür- gererhöhung, Adelglanz; die Welt mag ſich geſtalten wie ſie will; bei jedem Wälzen, bei jedem Sturz, bleib’ ich bei mei- nen Sandkörnchen liegen, auch ein ſolches; und vergeblich iſt mein Streben, und mein Verzweiflen! Nicht einmal ich än- dere mich; meine Natur, bleibt auch dieſelbe: und ſo ſitze ich noch hier und boße mich zur Konvaleszenz. Seit dem 29. Mai habe ich aus Paris keinen Brief von Varnhagen; in dem ver- heißt er mir zu kommen, und ihm nach Mannheim zu ſchrei- ben poste restante: mein ſiebenter Brief liegt nun dort, und er kommt nicht, und antwortet auch nicht. Sogar Mad. Brede, die mir jeden Poſttag ſchrieb: und nun in Mannheim iſt, ſchreibt mir ſeit dem 27. auch nicht mehr. Dieſe Bos- heit rechne ich dem Schickſal an, wie einem Menſchen!! Ge- nug von mir Widerwärtigen! man wird es vollkommen von Widerwärtigkeiten, die ganz ohne répit auf einen regnen. Auch hätte ich dir ganz gewiß nicht geſchrieben, ſanfte Sara! — ſanft und freundlich nenn’ ich dich jetzt, weil ich mir un- bewußt während dem Schreiben dein Geſicht vorgeſtellt hatte, und dein bloßes Zuhören, mein mich an dich in Gedanken Wenden, mich ſchon beſänftigte. Holde ſchöne Gabe Gottes! Aber ich konnte ohne andere Veranlaſſung, als mich ſelbſt, mich doch nicht entſchließen dir zu ſchreiben. — Vorgeſtern eröffnete mir der ſtändiſche Schauſpieldirektor Liebich, als der
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antworten war, und weil ich in dieſem Brief noch nicht be-
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halte dich nicht wieder verdrießliches Unheil ab! Ich bin noch
in derſelben Klemme: und ſehe nun die unveränderliche Kon-
ſtellation meines Geſchicks ein. Kaiſer auf, Kaiſer ab; Bür-
gererhöhung, Adelglanz; die Welt mag ſich geſtalten wie ſie
will; bei jedem Wälzen, bei jedem Sturz, bleib’ ich bei mei-
nen Sandkörnchen liegen, auch ein ſolches; und vergeblich iſt
mein Streben, und mein Verzweiflen! Nicht einmal ich än-
dere mich; meine Natur, bleibt auch dieſelbe: und ſo ſitze ich
noch hier und boße mich zur Konvaleszenz. Seit dem 29. Mai
habe ich aus Paris keinen Brief von Varnhagen; in dem ver-
heißt er mir zu kommen, und ihm nach Mannheim zu ſchrei-
ben poste restante: mein ſiebenter Brief liegt nun dort,
und er kommt nicht, und antwortet auch nicht. Sogar Mad.
Brede, die mir jeden Poſttag ſchrieb: und nun in Mannheim
iſt, ſchreibt mir ſeit dem 27. auch nicht mehr. Dieſe Bos-
heit rechne ich dem Schickſal an, wie einem Menſchen!! Ge-
nug von mir Widerwärtigen! man wird es vollkommen von
Widerwärtigkeiten, die ganz ohne répit auf einen regnen.
Auch hätte ich dir ganz gewiß nicht geſchrieben, ſanfte Sara!
— ſanft und freundlich nenn’ ich dich jetzt, weil ich mir un-
bewußt während dem Schreiben dein Geſicht vorgeſtellt hatte,
und dein bloßes Zuhören, mein mich an dich in Gedanken
Wenden, mich ſchon beſänftigte. Holde ſchöne Gabe Gottes!
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/233>, abgerufen am 25.11.2024.
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