Lieber General! ich bitte Sie um Gottes willen, im Na- men alles desjenigen, was Sie interessirt, schreiben Sie mir ein Wort hierher, oder lassen Sie mir ein Wort hierher über Varnhagen schreiben! Seit dem 17. Februar, wo ich den letz- ten Brief von ihm aus Trier bekam, weiß ich nichts von ihm: selbst seit fünf Monaten krank zu Hause, war ich vorgestern zum erstenmal im Theater, wo mir Graf Christel Clamm, als ich nach Ihnen fragte, gradraus sagte, Sie und Ihr Adjutant seien verwundet: als er mein Erstarren sah; machte er einen Scherz daraus, welchem letztern ich Glauben beimaß, denn ich hatte alle Zeitungen gelesen, und der Graf erzählte es aus einer Zeitung, worin er's vor vierzehn Tagen gelesen habe. Ich erzählte meinen Schreck einer unvorsichtigen Frau: die mir sagte, es habe allerdings in der Zeitung gestanden: und nun bestätigen, nach meinen Erkundigungen, es Viele! Ich lag zuletzt an einer Halsentzündung, und habe zwei Zei- tungen nicht lesen können; darin muß es gestanden haben: im Gegentheil, ich las, Gen. Tettenborn sei in Chalons ein- gerückt, wo ihm die Bürger die Thore geöffnet! Wie es auch sei; von Ihnen erwarte ich, daß Sie mich so schnell als mög- lich die ganze Wahrheit wissen lassen. Ich bin auf alles ge- faßt. Lebt mein Freund, und kann er hören, so lassen Sie ihn wissen, daß ich ruhig bin, und für mich sorgen will: und vor dem Ausmarsch wußte, was der Krieg ist: und ihm nicht
An den General von Tettenborn, in Paris.
Sonntag, den 17. April 1814. in Prag.
Lieber General! ich bitte Sie um Gottes willen, im Na- men alles desjenigen, was Sie intereſſirt, ſchreiben Sie mir ein Wort hierher, oder laſſen Sie mir ein Wort hierher über Varnhagen ſchreiben! Seit dem 17. Februar, wo ich den letz- ten Brief von ihm aus Trier bekam, weiß ich nichts von ihm: ſelbſt ſeit fünf Monaten krank zu Hauſe, war ich vorgeſtern zum erſtenmal im Theater, wo mir Graf Chriſtel Clamm, als ich nach Ihnen fragte, gradraus ſagte, Sie und Ihr Adjutant ſeien verwundet: als er mein Erſtarren ſah; machte er einen Scherz daraus, welchem letztern ich Glauben beimaß, denn ich hatte alle Zeitungen geleſen, und der Graf erzählte es aus einer Zeitung, worin er’s vor vierzehn Tagen geleſen habe. Ich erzählte meinen Schreck einer unvorſichtigen Frau: die mir ſagte, es habe allerdings in der Zeitung geſtanden: und nun beſtätigen, nach meinen Erkundigungen, es Viele! Ich lag zuletzt an einer Halsentzündung, und habe zwei Zei- tungen nicht leſen können; darin muß es geſtanden haben: im Gegentheil, ich las, Gen. Tettenborn ſei in Chalons ein- gerückt, wo ihm die Bürger die Thore geöffnet! Wie es auch ſei; von Ihnen erwarte ich, daß Sie mich ſo ſchnell als mög- lich die ganze Wahrheit wiſſen laſſen. Ich bin auf alles ge- faßt. Lebt mein Freund, und kann er hören, ſo laſſen Sie ihn wiſſen, daß ich ruhig bin, und für mich ſorgen will: und vor dem Ausmarſch wußte, was der Krieg iſt: und ihm nicht
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An den General von Tettenborn, in Paris.
Sonntag, den 17. April 1814. in Prag.
Lieber General! ich bitte Sie um Gottes willen, im Na-
men alles desjenigen, was Sie intereſſirt, ſchreiben Sie mir
ein Wort hierher, oder laſſen Sie mir ein Wort hierher über
Varnhagen ſchreiben! Seit dem 17. Februar, wo ich den letz-
ten Brief von ihm aus Trier bekam, weiß ich nichts von ihm:
ſelbſt ſeit fünf Monaten krank zu Hauſe, war ich vorgeſtern
zum erſtenmal im Theater, wo mir Graf Chriſtel Clamm, als
ich nach Ihnen fragte, gradraus ſagte, Sie und Ihr Adjutant
ſeien verwundet: als er mein Erſtarren ſah; machte er einen
Scherz daraus, welchem letztern ich Glauben beimaß, denn ich
hatte alle Zeitungen geleſen, und der Graf erzählte es aus
einer Zeitung, worin er’s vor vierzehn Tagen geleſen habe.
Ich erzählte meinen Schreck einer unvorſichtigen Frau: die
mir ſagte, es habe allerdings in der Zeitung geſtanden: und
nun beſtätigen, nach meinen Erkundigungen, es Viele! Ich
lag zuletzt an einer Halsentzündung, und habe zwei Zei-
tungen nicht leſen können; darin muß es geſtanden haben:
im Gegentheil, ich las, Gen. Tettenborn ſei in Chalons ein-
gerückt, wo ihm die Bürger die Thore geöffnet! Wie es auch
ſei; von Ihnen erwarte ich, daß Sie mich ſo ſchnell als mög-
lich die ganze Wahrheit wiſſen laſſen. Ich bin auf alles ge-
faßt. Lebt mein Freund, und kann er hören, ſo laſſen Sie
ihn wiſſen, daß ich ruhig bin, und für mich ſorgen will: und
vor dem Ausmarſch wußte, was der Krieg iſt: und ihm nicht
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/210>, abgerufen am 22.12.2024.
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