lag drei Tage und drei Nächte, ohne daß man nachsehen konnte, und war verrückt, und dicker Flanell auf die Wunde gerutscht; und doch mußt' ich liegen bleiben! Dies nicht, mich zu vertheidigen: denn ich weiß es, Lieber, du klagst mich nicht an, aber um es zu erklären. Ich habe alles aufgeschrie- ben: und ich darf es wohl sagen, nur mir konnt' es möglich sein, meine Rechnungen noch zu führen! Dicke Schnupftücher habe ich mir auch kaufen müssen, die paar battistenen konn- ten in der Krankheit nicht dienen.
Ach lieber Ohme! du freust dich so mit Rosens Brief! Freilich freut mich die Nachricht! Aber daß die Arme seit zwölf Jahren immer dieselben Briefe schreibt, am Klima lei- det, und Gesellschaft und die Geschwister vermißt, -- zerdrückt mir das Herz. -- Louis freut mich sehr; daß er etwas lernt. --
Lieber treuer Hans, dir danke ich! Ich sage immer zu Augusten, nur Einem Menschen in der Welt traue ich über Komödien und Musik, die ich nicht höre, und das ist meine älteste Schwägerin. Was mache ich mir aus einer Oper, die man der Ballete wegen sehen kann: doch daß sie unterhielt, ist schon viel. Dir, den Kindern, Ernestinen, Moritz, werde ich Allen künftig schreiben: les't unterdessen diesen Brief. Ich bin zu schwach. Ernestine nenne ich nicht wieder ordentlich, bis sie mir das Zahnpulver-Rezept beilegt! Moritz, warum vorenthältst du mir das Vergnügen, Briefe von dir zu haben, da niemand sie so bewundert als ich! Hier ist einer von Ro- bert! Kinder! Ihr habt ihm die Blätter, die ihr ihm von mir schicken sollt, nicht geschickt. -- Nun muß ich noch Robert
lag drei Tage und drei Nächte, ohne daß man nachſehen konnte, und war verrückt, und dicker Flanell auf die Wunde gerutſcht; und doch mußt’ ich liegen bleiben! Dies nicht, mich zu vertheidigen: denn ich weiß es, Lieber, du klagſt mich nicht an, aber um es zu erklären. Ich habe alles aufgeſchrie- ben: und ich darf es wohl ſagen, nur mir konnt’ es möglich ſein, meine Rechnungen noch zu führen! Dicke Schnupftücher habe ich mir auch kaufen müſſen, die paar battiſtenen konn- ten in der Krankheit nicht dienen.
Ach lieber Ohme! du freuſt dich ſo mit Roſens Brief! Freilich freut mich die Nachricht! Aber daß die Arme ſeit zwölf Jahren immer dieſelben Briefe ſchreibt, am Klima lei- det, und Geſellſchaft und die Geſchwiſter vermißt, — zerdrückt mir das Herz. — Louis freut mich ſehr; daß er etwas lernt. —
Lieber treuer Hans, dir danke ich! Ich ſage immer zu Auguſten, nur Einem Menſchen in der Welt traue ich über Komödien und Muſik, die ich nicht höre, und das iſt meine älteſte Schwägerin. Was mache ich mir aus einer Oper, die man der Ballete wegen ſehen kann: doch daß ſie unterhielt, iſt ſchon viel. Dir, den Kindern, Erneſtinen, Moritz, werde ich Allen künftig ſchreiben: leſ’t unterdeſſen dieſen Brief. Ich bin zu ſchwach. Erneſtine nenne ich nicht wieder ordentlich, bis ſie mir das Zahnpulver-Rezept beilegt! Moritz, warum vorenthältſt du mir das Vergnügen, Briefe von dir zu haben, da niemand ſie ſo bewundert als ich! Hier iſt einer von Ro- bert! Kinder! Ihr habt ihm die Blätter, die ihr ihm von mir ſchicken ſollt, nicht geſchickt. — Nun muß ich noch Robert
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0206"n="198"/>
lag drei Tage und drei Nächte, ohne daß man nachſehen<lb/>
konnte, und war verrückt, und dicker Flanell auf die Wunde<lb/>
gerutſcht; und doch mußt’ ich liegen bleiben! Dies nicht, mich<lb/>
zu vertheidigen: denn ich weiß es, Lieber, du klagſt mich nicht<lb/>
an, aber um es zu <hirendition="#g">erklären</hi>. Ich habe alles aufgeſchrie-<lb/>
ben: und ich darf es wohl ſagen, nur mir konnt’ es möglich<lb/>ſein, meine Rechnungen noch zu führen! Dicke Schnupftücher<lb/>
habe ich mir auch kaufen müſſen, die paar battiſtenen konn-<lb/>
ten in der Krankheit nicht dienen.</p><lb/><p>Ach lieber Ohme! du freuſt dich ſo mit Roſens Brief!<lb/>
Freilich freut mich die Nachricht! Aber daß die Arme ſeit<lb/>
zwölf Jahren immer dieſelben Briefe ſchreibt, am Klima lei-<lb/>
det, und Geſellſchaft und die Geſchwiſter vermißt, — zerdrückt<lb/>
mir das Herz. — Louis freut mich ſehr; daß er etwas lernt. —</p><lb/><p>Lieber treuer Hans, dir danke ich! Ich ſage immer zu<lb/>
Auguſten, nur Einem Menſchen in der Welt traue ich über<lb/>
Komödien und Muſik, die ich nicht höre, und das iſt meine<lb/>
älteſte Schwägerin. Was mache ich mir aus einer Oper, die<lb/>
man der Ballete wegen ſehen kann: doch daß ſie <hirendition="#g">unterhielt</hi>,<lb/>
iſt ſchon viel. Dir, den Kindern, Erneſtinen, Moritz, werde<lb/>
ich Allen künftig ſchreiben: leſ’t unterdeſſen dieſen Brief. Ich<lb/>
bin zu ſchwach. Erneſtine nenne ich nicht wieder ordentlich,<lb/>
bis ſie mir das Zahnpulver-Rezept beilegt! Moritz, warum<lb/>
vorenthältſt du mir das Vergnügen, Briefe von dir zu haben,<lb/>
da niemand ſie ſo bewundert als ich! Hier iſt einer von Ro-<lb/>
bert! Kinder! Ihr habt ihm die Blätter, die ihr ihm von<lb/>
mir ſchicken ſollt, nicht geſchickt. — Nun muß ich noch Robert<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[198/0206]
lag drei Tage und drei Nächte, ohne daß man nachſehen
konnte, und war verrückt, und dicker Flanell auf die Wunde
gerutſcht; und doch mußt’ ich liegen bleiben! Dies nicht, mich
zu vertheidigen: denn ich weiß es, Lieber, du klagſt mich nicht
an, aber um es zu erklären. Ich habe alles aufgeſchrie-
ben: und ich darf es wohl ſagen, nur mir konnt’ es möglich
ſein, meine Rechnungen noch zu führen! Dicke Schnupftücher
habe ich mir auch kaufen müſſen, die paar battiſtenen konn-
ten in der Krankheit nicht dienen.
Ach lieber Ohme! du freuſt dich ſo mit Roſens Brief!
Freilich freut mich die Nachricht! Aber daß die Arme ſeit
zwölf Jahren immer dieſelben Briefe ſchreibt, am Klima lei-
det, und Geſellſchaft und die Geſchwiſter vermißt, — zerdrückt
mir das Herz. — Louis freut mich ſehr; daß er etwas lernt. —
Lieber treuer Hans, dir danke ich! Ich ſage immer zu
Auguſten, nur Einem Menſchen in der Welt traue ich über
Komödien und Muſik, die ich nicht höre, und das iſt meine
älteſte Schwägerin. Was mache ich mir aus einer Oper, die
man der Ballete wegen ſehen kann: doch daß ſie unterhielt,
iſt ſchon viel. Dir, den Kindern, Erneſtinen, Moritz, werde
ich Allen künftig ſchreiben: leſ’t unterdeſſen dieſen Brief. Ich
bin zu ſchwach. Erneſtine nenne ich nicht wieder ordentlich,
bis ſie mir das Zahnpulver-Rezept beilegt! Moritz, warum
vorenthältſt du mir das Vergnügen, Briefe von dir zu haben,
da niemand ſie ſo bewundert als ich! Hier iſt einer von Ro-
bert! Kinder! Ihr habt ihm die Blätter, die ihr ihm von
mir ſchicken ſollt, nicht geſchickt. — Nun muß ich noch Robert
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/206>, abgerufen am 30.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.