lirte Loge freut mich sehr. Du wirst aber gewiß nicht glau- ben, daß ich mich so innig über das Glück freue, daß du Iff- lands Schuldenwesen arrangiren konntest! Nun kann doch der Mensch in Ruhe krank sein; und besser werden. Daran nehme ich den größten Antheil -- noch besonders, weil er wohlthätig ist. -- Wisse nur: so verhaßt mir der Krieg ist; wegen seiner Gräuel, wegen meiner persönlichen Furcht; und weil er meinem Herzen so weh thut; so ist er es mir doch gewiß zur Hälfte ganz darum, weil er die Erde in Un- ordnung bringt, welche mir das Entsetzlichste, ja nicht zu Fas- sende ist! daß er alles stört, jedes Hauswesen in's Tiefste; je- des Geregelte, jeden Plan, jedes Geordnete. Dies thun Schul- den auch: und ich verabscheue sie! Es muß dir große Freude machen, dem kranken neuen Freund darin mit deinem Talent haben helfen zu können. Nur begreife ich nicht, warum er die joyaux nicht längst opferte: und ob ihm das Haus -- wenn es das im Thiergarten ist -- nicht zugleich die Ruhe und Behaglichkeit seiner Existenz nimmt. Erkläre mir das. Mit der Pedrillo hast du auch sehr Recht: wir sind es ihrer Mutter ewig schuldig, uns allen ihren Kindern als thätige Freunde zu beweisen -- Feinden bleibt es, nur gerecht zu sein, und zu kritisiren -- es ist schändlich, wenn man verges- sen kann, daß, sei es auch noch so lange, man einen Men- schen Tag und Nacht, und grade zu Noth hat können zuver- sichtlich rufen lassen. Solche Hülfe in der Familie, bei allen Krankheiten, leistete uns die Eigensatz, jahrelang; anstatt Mama, der dies Talent abging. Ich vergesse es ihr nie! Auch in Mad. Bethmann wollen wir, wie du sagst, die Ver-
lirte Loge freut mich ſehr. Du wirſt aber gewiß nicht glau- ben, daß ich mich ſo innig über das Glück freue, daß du Iff- lands Schuldenweſen arrangiren konnteſt! Nun kann doch der Menſch in Ruhe krank ſein; und beſſer werden. Daran nehme ich den größten Antheil — noch beſonders, weil er wohlthätig iſt. — Wiſſe nur: ſo verhaßt mir der Krieg iſt; wegen ſeiner Gräuel, wegen meiner perſönlichen Furcht; und weil er meinem Herzen ſo weh thut; ſo iſt er es mir doch gewiß zur Hälfte ganz darum, weil er die Erde in Un- ordnung bringt, welche mir das Entſetzlichſte, ja nicht zu Faſ- ſende iſt! daß er alles ſtört, jedes Hausweſen in’s Tiefſte; je- des Geregelte, jeden Plan, jedes Geordnete. Dies thun Schul- den auch: und ich verabſcheue ſie! Es muß dir große Freude machen, dem kranken neuen Freund darin mit deinem Talent haben helfen zu können. Nur begreife ich nicht, warum er die joyaux nicht längſt opferte: und ob ihm das Haus — wenn es das im Thiergarten iſt — nicht zugleich die Ruhe und Behaglichkeit ſeiner Exiſtenz nimmt. Erkläre mir das. Mit der Pedrillo haſt du auch ſehr Recht: wir ſind es ihrer Mutter ewig ſchuldig, uns allen ihren Kindern als thätige Freunde zu beweiſen — Feinden bleibt es, nur gerecht zu ſein, und zu kritiſiren — es iſt ſchändlich, wenn man vergeſ- ſen kann, daß, ſei es auch noch ſo lange, man einen Men- ſchen Tag und Nacht, und grade zu Noth hat können zuver- ſichtlich rufen laſſen. Solche Hülfe in der Familie, bei allen Krankheiten, leiſtete uns die Eigenſatz, jahrelang; anſtatt Mama, der dies Talent abging. Ich vergeſſe es ihr nie! Auch in Mad. Bethmann wollen wir, wie du ſagſt, die Ver-
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lirte Loge freut mich ſehr. Du wirſt aber gewiß nicht glau-
ben, daß ich mich ſo innig über das Glück freue, daß du Iff-
lands Schuldenweſen arrangiren konnteſt! Nun kann doch
der Menſch in Ruhe krank ſein; und beſſer werden. Daran
nehme ich den größten Antheil — noch beſonders, weil er
wohlthätig iſt. — Wiſſe nur: ſo verhaßt mir der Krieg iſt;
wegen ſeiner Gräuel, wegen meiner perſönlichen Furcht; und
weil er meinem Herzen ſo weh thut; ſo iſt er es mir doch
gewiß zur Hälfte ganz darum, weil er die Erde in Un-
ordnung bringt, welche mir das Entſetzlichſte, ja nicht zu Faſ-
ſende iſt! daß er alles ſtört, jedes Hausweſen in’s Tiefſte; je-
des Geregelte, jeden Plan, jedes Geordnete. Dies thun Schul-
den auch: und ich verabſcheue ſie! Es muß dir große Freude
machen, dem kranken neuen Freund darin mit deinem Talent
haben helfen zu können. Nur begreife ich nicht, warum er
die joyaux nicht längſt opferte: und ob ihm das Haus —
wenn es das im Thiergarten iſt — nicht zugleich die Ruhe
und Behaglichkeit ſeiner Exiſtenz nimmt. Erkläre mir das.
Mit der Pedrillo haſt du auch ſehr Recht: wir ſind es ihrer
Mutter ewig ſchuldig, uns allen ihren Kindern als thätige
Freunde zu beweiſen — Feinden bleibt es, nur gerecht zu
ſein, und zu kritiſiren — es iſt ſchändlich, wenn man vergeſ-
ſen kann, daß, ſei es auch noch ſo lange, man einen Men-
ſchen Tag und Nacht, und grade zu Noth hat können zuver-
ſichtlich rufen laſſen. Solche Hülfe in der Familie, bei allen
Krankheiten, leiſtete uns die Eigenſatz, jahrelang; anſtatt
Mama, der dies Talent abging. Ich vergeſſe es ihr nie!
Auch in Mad. Bethmann wollen wir, wie du ſagſt, die Ver-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/204>, abgerufen am 24.11.2024.
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