Prag, Montag den zweiten Ostertag, den 11. April glaub' ich, 1814.
Morgen, liebe Freunde, werden es acht Tage, daß ich euren mich erfreuenden Brief, mit Rose ihrem darin, und einen besondern von Moritz und Ernestinen erhielt. Die Post nach euch war schon weg, und auch Sonnabend vermocht' ich nicht zu antworten. Denn denkt euch, Kinder; ich lag im heftigsten Fieber, ja lebensgefährlich an einer Halsentzündung. Was Ersticken auf der Brust heißt, weiß ich gewiß; im Halse ist es wegen der Verbindung mit dem Kopfe noch ängstlicher -- dem Gefühle nach -- und mein Erbrechen! Ich wußte gar nicht, daß hier solche Epidemie herrsche: den 24. und 25. März war ich etwas ausgefahren. Stellte aber jedoch diese Fahrten aus manchen Gründen, und besonders weil ich die Fatigue nicht ertragen konnte, da ich bis dahin nur stundenweise aus dem Bette gewesen war, gleich wieder ein: brauchte zwei Tage, mich von Gliederschmerzen und der Verwirrung zu er- holen. Den 28. drückt es mich etwas im Hals. Drei Nächte bring' ich sehr übel zu: ich zitire meinen Arzt. Kurz! muß Bäder schwitzen; genieße nichts; muß sechs Tage am Halse warme Kräuterumschläge nehmen!!! stehe schrecklich aus! werde die letzten Tage so entkräftet, daß ich um einen Trop- fen Wein oder Kaffee bitte: bringe sie ohnmächtig zu! Der Arzt versagt es streng; und sagt: so müssen Sie her- unter kommen: das ist ja die Art der Heilung. Kurz, genug! Eine neue horreur! Die vorletzte Nacht schlief ich zum ersten-
mal
An M. Th. Robert, in Berlin.
Prag, Montag den zweiten Oſtertag, den 11. April glaub’ ich, 1814.
Morgen, liebe Freunde, werden es acht Tage, daß ich euren mich erfreuenden Brief, mit Roſe ihrem darin, und einen beſondern von Moritz und Erneſtinen erhielt. Die Poſt nach euch war ſchon weg, und auch Sonnabend vermocht’ ich nicht zu antworten. Denn denkt euch, Kinder; ich lag im heftigſten Fieber, ja lebensgefährlich an einer Halsentzündung. Was Erſticken auf der Bruſt heißt, weiß ich gewiß; im Halſe iſt es wegen der Verbindung mit dem Kopfe noch ängſtlicher — dem Gefühle nach — und mein Erbrechen! Ich wußte gar nicht, daß hier ſolche Epidemie herrſche: den 24. und 25. März war ich etwas ausgefahren. Stellte aber jedoch dieſe Fahrten aus manchen Gründen, und beſonders weil ich die Fatigue nicht ertragen konnte, da ich bis dahin nur ſtundenweiſe aus dem Bette geweſen war, gleich wieder ein: brauchte zwei Tage, mich von Gliederſchmerzen und der Verwirrung zu er- holen. Den 28. drückt es mich etwas im Hals. Drei Nächte bring’ ich ſehr übel zu: ich zitire meinen Arzt. Kurz! muß Bäder ſchwitzen; genieße nichts; muß ſechs Tage am Halſe warme Kräuterumſchläge nehmen!!! ſtehe ſchrecklich aus! werde die letzten Tage ſo entkräftet, daß ich um einen Trop- fen Wein oder Kaffee bitte: bringe ſie ohnmächtig zu! Der Arzt verſagt es ſtreng; und ſagt: ſo müſſen Sie her- unter kommen: das iſt ja die Art der Heilung. Kurz, genug! Eine neue horreur! Die vorletzte Nacht ſchlief ich zum erſten-
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An M. Th. Robert, in Berlin.
Prag, Montag den zweiten Oſtertag,
den 11. April glaub’ ich, 1814.
Morgen, liebe Freunde, werden es acht Tage, daß ich
euren mich erfreuenden Brief, mit Roſe ihrem darin, und einen
beſondern von Moritz und Erneſtinen erhielt. Die Poſt nach
euch war ſchon weg, und auch Sonnabend vermocht’ ich nicht
zu antworten. Denn denkt euch, Kinder; ich lag im heftigſten
Fieber, ja lebensgefährlich an einer Halsentzündung. Was
Erſticken auf der Bruſt heißt, weiß ich gewiß; im Halſe iſt
es wegen der Verbindung mit dem Kopfe noch ängſtlicher —
dem Gefühle nach — und mein Erbrechen! Ich wußte gar
nicht, daß hier ſolche Epidemie herrſche: den 24. und 25. März
war ich etwas ausgefahren. Stellte aber jedoch dieſe Fahrten
aus manchen Gründen, und beſonders weil ich die Fatigue
nicht ertragen konnte, da ich bis dahin nur ſtundenweiſe aus
dem Bette geweſen war, gleich wieder ein: brauchte zwei
Tage, mich von Gliederſchmerzen und der Verwirrung zu er-
holen. Den 28. drückt es mich etwas im Hals. Drei Nächte
bring’ ich ſehr übel zu: ich zitire meinen Arzt. Kurz! muß
Bäder ſchwitzen; genieße nichts; muß ſechs Tage am Halſe
warme Kräuterumſchläge nehmen!!! ſtehe ſchrecklich aus!
werde die letzten Tage ſo entkräftet, daß ich um einen Trop-
fen Wein oder Kaffee bitte: bringe ſie ohnmächtig zu!
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/200>, abgerufen am 22.12.2024.
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