dinand, du Hans, Kinderfreund! -- Grüße Mendelssohn. Laß dir doch von Hitzig oder Prinzeß Radziwill das Stück der Tettenborn'schen Feldlager-Zeitung geben, worin seine Erhe- bung zum Bremer Bürger steht. --
Das ist noch hübscher! Ich endige, womit ich, bei Gott, anfangen wollte. Dir für deinen Trost, deine Exaktitüde, für deine Versprechungen und für deine Sendung zu danken! --
Prag, Sonntag den 27. Februar 1814.
-- Die brandenburgische Physionomie drückt keinesweges Inhumanität aus. Sondern eine gewisse Klarheit -- ich weiß sonst das grade Gegentheil, ja beinah, die Unmöglichkeit der Narrheit, nicht zu benennen --, die aber überhaupt zu we- nig kräftig und positiv genährt ist, als daß man sie nicht mit Nüchternheit verwechslen könnte; weil nicht alle unsere Landsleute auch den Zusatz in sich, und ihren Gesichtsausdruck tragen, der von der Liebhaberei an Spaß -- nicht Scherz -- Ironie, und ein wenig zum Narren haben zeugt. Der Haupt- ausdruck eines ächt brandenburgischen Gesichts ist immer der, daß man ihm nichts weiß machen kann. Und alle Cagliostro's sind auch in unserm Lande gescheitert, vom fernsten Westen und Süden konnten sie bis nach Petersburg wirken, blenden, gewinnen: in Berlin ließ man sie nüchtern durch. Die große Ebne; nie eine phantasienährende Berg- oder See-Aussicht, oder Nachricht; die dazu passende protestantische Religion; die kluge, ehrliche, in jedem Sinn ökonomische Fürstenreihe; die saftlosen Nahrungsmittel, die Mäßigkeit selbst in dem Genuß
12 *
dinand, du Hans, Kinderfreund! — Grüße Mendelsſohn. Laß dir doch von Hitzig oder Prinzeß Radziwill das Stück der Tettenborn’ſchen Feldlager-Zeitung geben, worin ſeine Erhe- bung zum Bremer Bürger ſteht. —
Das iſt noch hübſcher! Ich endige, womit ich, bei Gott, anfangen wollte. Dir für deinen Troſt, deine Exaktitüde, für deine Verſprechungen und für deine Sendung zu danken! —
Prag, Sonntag den 27. Februar 1814.
— Die brandenburgiſche Phyſionomie drückt keinesweges Inhumanität aus. Sondern eine gewiſſe Klarheit — ich weiß ſonſt das grade Gegentheil, ja beinah, die Unmöglichkeit der Narrheit, nicht zu benennen —, die aber überhaupt zu we- nig kräftig und poſitiv genährt iſt, als daß man ſie nicht mit Nüchternheit verwechslen könnte; weil nicht alle unſere Landsleute auch den Zuſatz in ſich, und ihren Geſichtsausdruck tragen, der von der Liebhaberei an Spaß — nicht Scherz — Ironie, und ein wenig zum Narren haben zeugt. Der Haupt- ausdruck eines ächt brandenburgiſchen Geſichts iſt immer der, daß man ihm nichts weiß machen kann. Und alle Caglioſtro’s ſind auch in unſerm Lande geſcheitert, vom fernſten Weſten und Süden konnten ſie bis nach Petersburg wirken, blenden, gewinnen: in Berlin ließ man ſie nüchtern durch. Die große Ebne; nie eine phantaſienährende Berg- oder See-Ausſicht, oder Nachricht; die dazu paſſende proteſtantiſche Religion; die kluge, ehrliche, in jedem Sinn ökonomiſche Fürſtenreihe; die ſaftloſen Nahrungsmittel, die Mäßigkeit ſelbſt in dem Genuß
12 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0187"n="179"/>
dinand, du Hans, Kinderfreund! — Grüße Mendelsſohn. Laß<lb/>
dir doch von Hitzig oder Prinzeß Radziwill das Stück der<lb/>
Tettenborn’ſchen Feldlager-Zeitung geben, worin ſeine Erhe-<lb/>
bung zum Bremer Bürger ſteht. —</p><lb/><p>Das iſt noch hübſcher! Ich endige, womit ich, bei Gott,<lb/>
anfangen wollte. Dir für deinen Troſt, deine Exaktitüde, für<lb/>
deine Verſprechungen und für deine Sendung zu <hirendition="#g">danken</hi>! —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Prag, Sonntag den 27. Februar 1814.</hi></dateline><lb/><p>— Die brandenburgiſche Phyſionomie drückt keinesweges<lb/>
Inhumanität aus. Sondern eine gewiſſe Klarheit — ich weiß<lb/>ſonſt das grade Gegentheil, ja beinah, die Unmöglichkeit der<lb/><hirendition="#g">Narrheit</hi>, nicht zu benennen —, die aber überhaupt zu we-<lb/>
nig kräftig und <hirendition="#g">poſitiv</hi> genährt iſt, als daß man ſie nicht<lb/>
mit Nüchternheit verwechslen könnte; weil nicht <hirendition="#g">alle</hi> unſere<lb/>
Landsleute auch den Zuſatz in ſich, und ihren Geſichtsausdruck<lb/>
tragen, der von der Liebhaberei an Spaß — nicht Scherz —<lb/>
Ironie, und ein wenig zum Narren haben zeugt. Der Haupt-<lb/>
ausdruck eines ächt brandenburgiſchen Geſichts iſt immer der,<lb/>
daß man ihm nichts weiß machen kann. Und alle Caglioſtro’s<lb/>ſind auch in unſerm Lande geſcheitert, vom fernſten Weſten<lb/>
und Süden konnten ſie bis nach Petersburg wirken, blenden,<lb/>
gewinnen: in Berlin ließ man ſie nüchtern durch. Die große<lb/>
Ebne; nie eine phantaſienährende Berg- oder See-Ausſicht,<lb/>
oder Nachricht; die dazu paſſende proteſtantiſche Religion; die<lb/>
kluge, ehrliche, in jedem Sinn ökonomiſche Fürſtenreihe; die<lb/>ſaftloſen Nahrungsmittel, die Mäßigkeit ſelbſt in dem Genuß<lb/><fwplace="bottom"type="sig">12 *</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[179/0187]
dinand, du Hans, Kinderfreund! — Grüße Mendelsſohn. Laß
dir doch von Hitzig oder Prinzeß Radziwill das Stück der
Tettenborn’ſchen Feldlager-Zeitung geben, worin ſeine Erhe-
bung zum Bremer Bürger ſteht. —
Das iſt noch hübſcher! Ich endige, womit ich, bei Gott,
anfangen wollte. Dir für deinen Troſt, deine Exaktitüde, für
deine Verſprechungen und für deine Sendung zu danken! —
Prag, Sonntag den 27. Februar 1814.
— Die brandenburgiſche Phyſionomie drückt keinesweges
Inhumanität aus. Sondern eine gewiſſe Klarheit — ich weiß
ſonſt das grade Gegentheil, ja beinah, die Unmöglichkeit der
Narrheit, nicht zu benennen —, die aber überhaupt zu we-
nig kräftig und poſitiv genährt iſt, als daß man ſie nicht
mit Nüchternheit verwechslen könnte; weil nicht alle unſere
Landsleute auch den Zuſatz in ſich, und ihren Geſichtsausdruck
tragen, der von der Liebhaberei an Spaß — nicht Scherz —
Ironie, und ein wenig zum Narren haben zeugt. Der Haupt-
ausdruck eines ächt brandenburgiſchen Geſichts iſt immer der,
daß man ihm nichts weiß machen kann. Und alle Caglioſtro’s
ſind auch in unſerm Lande geſcheitert, vom fernſten Weſten
und Süden konnten ſie bis nach Petersburg wirken, blenden,
gewinnen: in Berlin ließ man ſie nüchtern durch. Die große
Ebne; nie eine phantaſienährende Berg- oder See-Ausſicht,
oder Nachricht; die dazu paſſende proteſtantiſche Religion; die
kluge, ehrliche, in jedem Sinn ökonomiſche Fürſtenreihe; die
ſaftloſen Nahrungsmittel, die Mäßigkeit ſelbſt in dem Genuß
12 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/187>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.