zuwider: meine Niedergeschlagenheit darin aber, ist, von einer andern Art, auch sehr häßlich; noch dazu, als Geburt lan- gen Mißlingens. In Krankheiten z. B., worin ich immer noch Glück hatte: bin ich nichts weniger als hoffnungslos.
Daß Moritz zufrieden ist, freut mich, weil das nichts an- ders heißt, als er verdient Geld. Er muß gewinnen, um einige Ruhe zu haben: besitzen reicht ihm nicht hin, und besäße er auch so viel, daß er sich monatlich seinen Verdienst davon nehmen könnte. Ernestine hat mir nicht geschrieben, sie ist doch wohl? Ludwig ist gesund. -- Dir, Hans, kann ich heute nur flüchtig danken. Du denkst nicht besser von dir, als ich: so viel wisse. Künftig schreibe ich dir. Heute bin ich zu echauffirt. Dein Brief freute mich, und ich weinte. Hanne, dir dank' ich deine Zeilen auch. Ja! ihr hättet mir auch einen Theil der Schmerzen abgenommen. Ich euch, Gott ist Zeuge, auch. Laßt die Bauer wissen, daß ich jetzt nicht schrei- ben kann. Und wo möglich alle Bekannte; den Onkel. Ich glaube, daß Fanny gesund ist: aber schreibe, wenn auch nur ein Wort! Ihr könnt mir nach solchen Leiden die Angst nicht verdenken: und alle Menschen sind hier hestig krank; einer nach dem andern. Und sterben: wie Blüthen abfallen, zahllos. Ich weiß längst von Grapengießer: und Allen, die gestorben sind. Hans, dir schreib' ich nächstens ganz genau. Kinder, wenn wir nur in Frankreich keine Bataille verlieren! Varnhagen ist durch Bremen nach Bonn. Hab' ich schon geschrieben, daß er den Schwertorden hat? ich glaube. Adieu, adieu. Mein Kopf fängt an. Friede und Freude sage ich auch. -- Grüßt Ernestinen und Nette. Und küsse einer Fer-
zuwider: meine Niedergeſchlagenheit darin aber, iſt, von einer andern Art, auch ſehr häßlich; noch dazu, als Geburt lan- gen Mißlingens. In Krankheiten z. B., worin ich immer noch Glück hatte: bin ich nichts weniger als hoffnungslos.
Daß Moritz zufrieden iſt, freut mich, weil das nichts an- ders heißt, als er verdient Geld. Er muß gewinnen, um einige Ruhe zu haben: beſitzen reicht ihm nicht hin, und beſäße er auch ſo viel, daß er ſich monatlich ſeinen Verdienſt davon nehmen könnte. Erneſtine hat mir nicht geſchrieben, ſie iſt doch wohl? Ludwig iſt geſund. — Dir, Hans, kann ich heute nur flüchtig danken. Du denkſt nicht beſſer von dir, als ich: ſo viel wiſſe. Künftig ſchreibe ich dir. Heute bin ich zu echauffirt. Dein Brief freute mich, und ich weinte. Hanne, dir dank’ ich deine Zeilen auch. Ja! ihr hättet mir auch einen Theil der Schmerzen abgenommen. Ich euch, Gott iſt Zeuge, auch. Laßt die Bauer wiſſen, daß ich jetzt nicht ſchrei- ben kann. Und wo möglich alle Bekannte; den Onkel. Ich glaube, daß Fanny geſund iſt: aber ſchreibe, wenn auch nur ein Wort! Ihr könnt mir nach ſolchen Leiden die Angſt nicht verdenken: und alle Menſchen ſind hier heſtig krank; einer nach dem andern. Und ſterben: wie Blüthen abfallen, zahllos. Ich weiß längſt von Grapengießer: und Allen, die geſtorben ſind. Hans, dir ſchreib’ ich nächſtens ganz genau. Kinder, wenn wir nur in Frankreich keine Bataille verlieren! Varnhagen iſt durch Bremen nach Bonn. Hab’ ich ſchon geſchrieben, daß er den Schwertorden hat? ich glaube. Adieu, adieu. Mein Kopf fängt an. Friede und Freude ſage ich auch. — Grüßt Erneſtinen und Nette. Und küſſe einer Fer-
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zuwider: meine Niedergeſchlagenheit darin aber, iſt, von einer
andern Art, auch ſehr häßlich; noch dazu, als Geburt lan-
gen Mißlingens. In Krankheiten z. B., worin ich immer
noch Glück hatte: bin ich nichts weniger als hoffnungslos.
Daß Moritz zufrieden iſt, freut mich, weil das nichts an-
ders heißt, als er verdient Geld. Er muß gewinnen, um
einige Ruhe zu haben: beſitzen reicht ihm nicht hin, und beſäße
er auch ſo viel, daß er ſich monatlich ſeinen Verdienſt davon
nehmen könnte. Erneſtine hat mir nicht geſchrieben, ſie iſt
doch wohl? Ludwig iſt geſund. — Dir, Hans, kann ich heute
nur flüchtig danken. Du denkſt nicht beſſer von dir, als ich:
ſo viel wiſſe. Künftig ſchreibe ich dir. Heute bin ich zu
echauffirt. Dein Brief freute mich, und ich weinte. Hanne,
dir dank’ ich deine Zeilen auch. Ja! ihr hättet mir auch
einen Theil der Schmerzen abgenommen. Ich euch, Gott iſt
Zeuge, auch. Laßt die Bauer wiſſen, daß ich jetzt nicht ſchrei-
ben kann. Und wo möglich alle Bekannte; den Onkel. Ich
glaube, daß Fanny geſund iſt: aber ſchreibe, wenn auch nur
ein Wort! Ihr könnt mir nach ſolchen Leiden die Angſt
nicht verdenken: und alle Menſchen ſind hier heſtig krank;
einer nach dem andern. Und ſterben: wie Blüthen abfallen,
zahllos. Ich weiß längſt von Grapengießer: und Allen, die
geſtorben ſind. Hans, dir ſchreib’ ich nächſtens ganz genau.
Kinder, wenn wir nur in Frankreich keine Bataille verlieren!
Varnhagen iſt durch Bremen nach Bonn. Hab’ ich ſchon
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adieu. Mein Kopf fängt an. Friede und Freude ſage ich
auch. — Grüßt Erneſtinen und Nette. Und küſſe einer Fer-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/186>, abgerufen am 24.11.2024.
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