Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

die mich besuchen, stellen dieselben Fragen an: nämlich,
nach den Bewegungen, die ich machen kann: weil es zu häu-
fig ist, daß man gelähmt bleibt: dennoch ist es nur Rheuma-
tism: weil Gicht nicht einmal immer schmerzt, aber im gan-
zen Körper ist, und lähmt. Wie bei Tieck. Die Einreibung
hat allerdings den Ausschlag -- eine Art Pocken, denkt euch
-- bewirkt, aber als Soulagement nur, nicht als Radikalkur.
Alle Tage stehe ich zu Tische auf, und gehe bis an die Thüre,
dann dauert das Essen und das Sitzen wohl drei Viertelstun-
den: dann gehe ich oder laß mich zu Bette tragen: und dann,
schwör' ich euch, fühle ich solche Müdigkeit und Anstrengung,
solche zerbrochene Glieder, und solche Wonne, als wenn ich
von einer zweitägigen Jagdparthie wiederkäme. Jedoch bin
ich froh und bessere mich. Schreiben nur kann ich schwer, des
Schwitzens wegen, welches oft nachher fünf, sechs, ja mehrere
Stunden anhält: und mich dann so sehr erkältlich macht, weil
mir dabei oder nachher die Glieder verklammen. Mein Arzt
giebt mir die zweckmäßigsten glücklichsten Mittel; er sieht klar
meine ganze Natur ein. Ein übermenschliches Glück. Heute
ist das hellste, kälteste, knurprichste Winterwetter! Allerhand
Bälle, wo ich geladen bin, im Fasching. So in vier Wochen
worde ich wohl ausfahren, wenn's Wetter schön ist. Seit
September war ich dreimal aus! Schrecklich. So etwas
muß man erlebt haben. Nun nur noch ein Anekdötchen, und
dann nichts mehr vom Körper. Mit welchem Zittern und
Mühe ich in das Bad hinein und heraus komme, habe ich
euch geschrieben. Mittwoch bin ich denn auch eben mit Mühe
hinein gehoben; natürlich nichts zum Heraussteigen gewärmt

die mich beſuchen, ſtellen dieſelben Fragen an: nämlich,
nach den Bewegungen, die ich machen kann: weil es zu häu-
fig iſt, daß man gelähmt bleibt: dennoch iſt es nur Rheuma-
tism: weil Gicht nicht einmal immer ſchmerzt, aber im gan-
zen Körper iſt, und lähmt. Wie bei Tieck. Die Einreibung
hat allerdings den Ausſchlag — eine Art Pocken, denkt euch
— bewirkt, aber als Soulagement nur, nicht als Radikalkur.
Alle Tage ſtehe ich zu Tiſche auf, und gehe bis an die Thüre,
dann dauert das Eſſen und das Sitzen wohl drei Viertelſtun-
den: dann gehe ich oder laß mich zu Bette tragen: und dann,
ſchwör’ ich euch, fühle ich ſolche Müdigkeit und Anſtrengung,
ſolche zerbrochene Glieder, und ſolche Wonne, als wenn ich
von einer zweitägigen Jagdparthie wiederkäme. Jedoch bin
ich froh und beſſere mich. Schreiben nur kann ich ſchwer, des
Schwitzens wegen, welches oft nachher fünf, ſechs, ja mehrere
Stunden anhält: und mich dann ſo ſehr erkältlich macht, weil
mir dabei oder nachher die Glieder verklammen. Mein Arzt
giebt mir die zweckmäßigſten glücklichſten Mittel; er ſieht klar
meine ganze Natur ein. Ein übermenſchliches Glück. Heute
iſt das hellſte, kälteſte, knurprichſte Winterwetter! Allerhand
Bälle, wo ich geladen bin, im Faſching. So in vier Wochen
worde ich wohl ausfahren, wenn’s Wetter ſchön iſt. Seit
September war ich dreimal aus! Schrecklich. So etwas
muß man erlebt haben. Nun nur noch ein Anekdötchen, und
dann nichts mehr vom Körper. Mit welchem Zittern und
Mühe ich in das Bad hinein und heraus komme, habe ich
euch geſchrieben. Mittwoch bin ich denn auch eben mit Mühe
hinein gehoben; natürlich nichts zum Herausſteigen gewärmt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0183" n="175"/>
die mich be&#x017F;uchen, &#x017F;tellen <hi rendition="#g">die&#x017F;elben</hi> Fragen an: nämlich,<lb/>
nach den Bewegungen, die ich machen kann: weil es zu häu-<lb/>
fig i&#x017F;t, daß man gelähmt bleibt: dennoch i&#x017F;t es nur Rheuma-<lb/>
tism: weil Gicht nicht einmal immer &#x017F;chmerzt, aber im gan-<lb/>
zen Körper i&#x017F;t, und lähmt. Wie bei Tieck. Die Einreibung<lb/>
hat allerdings den Aus&#x017F;chlag &#x2014; eine Art Pocken, denkt euch<lb/>
&#x2014; bewirkt, aber als Soulagement nur, nicht als Radikalkur.<lb/>
Alle Tage &#x017F;tehe ich zu Ti&#x017F;che auf, und gehe bis an die Thüre,<lb/>
dann dauert das E&#x017F;&#x017F;en und das Sitzen wohl drei Viertel&#x017F;tun-<lb/>
den: dann gehe ich oder laß mich zu Bette tragen: und dann,<lb/>
&#x017F;chwör&#x2019; ich euch, fühle ich <hi rendition="#g">&#x017F;olche</hi> Müdigkeit und An&#x017F;trengung,<lb/>
&#x017F;olche zerbrochene Glieder, und &#x017F;olche Wonne, als wenn ich<lb/>
von einer zweitägigen Jagdparthie wiederkäme. Jedoch bin<lb/>
ich froh und be&#x017F;&#x017F;ere mich. Schreiben nur kann ich &#x017F;chwer, des<lb/>
Schwitzens wegen, welches oft nachher fünf, &#x017F;echs, ja mehrere<lb/>
Stunden anhält: und mich dann &#x017F;o &#x017F;ehr erkältlich macht, weil<lb/>
mir dabei oder nachher die Glieder verklammen. Mein Arzt<lb/>
giebt mir die zweckmäßig&#x017F;ten glücklich&#x017F;ten Mittel; er &#x017F;ieht klar<lb/>
meine ganze Natur ein. Ein übermen&#x017F;chliches Glück. Heute<lb/>
i&#x017F;t das hell&#x017F;te, kälte&#x017F;te, knurprich&#x017F;te Winterwetter! Allerhand<lb/>
Bälle, wo ich geladen bin, im Fa&#x017F;ching. So in vier Wochen<lb/>
worde ich wohl ausfahren, wenn&#x2019;s Wetter &#x017F;chön i&#x017F;t. Seit<lb/>
September war ich <hi rendition="#g">dreim</hi>al aus! Schrecklich. So etwas<lb/>
muß man erlebt haben. Nun nur noch ein Anekdötchen, und<lb/>
dann nichts mehr vom Körper. Mit welchem Zittern und<lb/>
Mühe ich in das Bad hinein und heraus komme, habe ich<lb/>
euch ge&#x017F;chrieben. Mittwoch bin ich denn auch eben mit Mühe<lb/>
hinein gehoben; natürlich nichts zum Heraus&#x017F;teigen gewärmt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0183] die mich beſuchen, ſtellen dieſelben Fragen an: nämlich, nach den Bewegungen, die ich machen kann: weil es zu häu- fig iſt, daß man gelähmt bleibt: dennoch iſt es nur Rheuma- tism: weil Gicht nicht einmal immer ſchmerzt, aber im gan- zen Körper iſt, und lähmt. Wie bei Tieck. Die Einreibung hat allerdings den Ausſchlag — eine Art Pocken, denkt euch — bewirkt, aber als Soulagement nur, nicht als Radikalkur. Alle Tage ſtehe ich zu Tiſche auf, und gehe bis an die Thüre, dann dauert das Eſſen und das Sitzen wohl drei Viertelſtun- den: dann gehe ich oder laß mich zu Bette tragen: und dann, ſchwör’ ich euch, fühle ich ſolche Müdigkeit und Anſtrengung, ſolche zerbrochene Glieder, und ſolche Wonne, als wenn ich von einer zweitägigen Jagdparthie wiederkäme. Jedoch bin ich froh und beſſere mich. Schreiben nur kann ich ſchwer, des Schwitzens wegen, welches oft nachher fünf, ſechs, ja mehrere Stunden anhält: und mich dann ſo ſehr erkältlich macht, weil mir dabei oder nachher die Glieder verklammen. Mein Arzt giebt mir die zweckmäßigſten glücklichſten Mittel; er ſieht klar meine ganze Natur ein. Ein übermenſchliches Glück. Heute iſt das hellſte, kälteſte, knurprichſte Winterwetter! Allerhand Bälle, wo ich geladen bin, im Faſching. So in vier Wochen worde ich wohl ausfahren, wenn’s Wetter ſchön iſt. Seit September war ich dreimal aus! Schrecklich. So etwas muß man erlebt haben. Nun nur noch ein Anekdötchen, und dann nichts mehr vom Körper. Mit welchem Zittern und Mühe ich in das Bad hinein und heraus komme, habe ich euch geſchrieben. Mittwoch bin ich denn auch eben mit Mühe hinein gehoben; natürlich nichts zum Herausſteigen gewärmt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/183
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/183>, abgerufen am 24.11.2024.