Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Komischste in der Welt ist, daß ich ganz überlesen,
und unbedacht gelesen hatte, daß Clemens schreibt: "Da wir
ja auch über Rahel, Fouque, Arnim, und Grimm, und mich
selbst anderer Meinung sind" etc. ich also eine Art Rolle in
dem Streit, und in den vorgelegten Versöhnungspunkten habe!
Wenn du es nun für unschicklich und arrogant scheinend an-
siehst, theile ihm das Obige nicht mit: arrogant, weil es so
sehr unpersönlich war. Ich habe erst jetzt seinen Brief noch
Einmal gelesen; und was ich schrieb, bezog sich auf Sonsti-
ges. -- Vorzüglich aber war alles darauf gemünzt, daß ich
ihm gut bin. -- Wie erkenne ich dich an den Zitaten, wo du
ihm "peinlich" warst! bei solchen Dingen kannst du auch zur
Pein werden! Ich würde gar Abends nicht schreiben, sollte
der Brief morgen nicht auf die Post, und ich für einen letzten
Tag immer Störungen, von Menschen, Geschäften, Aufträgen,
und Kränklichkeit fürchte. Du mußt gar nicht recht nachrech-
nen, wie schnell ein Brief geht oder nicht, wenn du sagen
kannst in deiner Seele, R. schreibt so lange nicht. Nun lese
ich deinen Kritzelbrief bei Lichte noch Einmal, und dann will
ich antworten. Fettig Papier und eine Gräuelfeder habe ich! --

Lieber Varnhagen! Wenn du Goethen schreibst, lass' ihm
nur rechte Zeit, und ihn durch wahre Bescheidenheit sehen,
wie hoch du seinen weisen gütigen Brief schätzest. Marwitz
hat mir ganz göttlich drüber geschrieben, und kann die Güte,
den Ton des Briefs nicht genug bewundern. Der ist unser
Konfident. Was der von Goethe alles schreibt und sagt,
möchte ich ihm auch spediren. Ich -- für mein Theil, bin


Das Komiſchſte in der Welt iſt, daß ich ganz überleſen,
und unbedacht geleſen hatte, daß Clemens ſchreibt: „Da wir
ja auch über Rahel, Fouqué, Arnim, und Grimm, und mich
ſelbſt anderer Meinung ſind“ ꝛc. ich alſo eine Art Rolle in
dem Streit, und in den vorgelegten Verſöhnungspunkten habe!
Wenn du es nun für unſchicklich und arrogant ſcheinend an-
ſiehſt, theile ihm das Obige nicht mit: arrogant, weil es ſo
ſehr unperſönlich war. Ich habe erſt jetzt ſeinen Brief noch
Einmal geleſen; und was ich ſchrieb, bezog ſich auf Sonſti-
ges. — Vorzüglich aber war alles darauf gemünzt, daß ich
ihm gut bin. — Wie erkenne ich dich an den Zitaten, wo du
ihm „peinlich“ warſt! bei ſolchen Dingen kannſt du auch zur
Pein werden! Ich würde gar Abends nicht ſchreiben, ſollte
der Brief morgen nicht auf die Poſt, und ich für einen letzten
Tag immer Störungen, von Menſchen, Geſchäften, Aufträgen,
und Kränklichkeit fürchte. Du mußt gar nicht recht nachrech-
nen, wie ſchnell ein Brief geht oder nicht, wenn du ſagen
kannſt in deiner Seele, R. ſchreibt ſo lange nicht. Nun leſe
ich deinen Kritzelbrief bei Lichte noch Einmal, und dann will
ich antworten. Fettig Papier und eine Gräuelfeder habe ich! —

Lieber Varnhagen! Wenn du Goethen ſchreibſt, laſſ’ ihm
nur rechte Zeit, und ihn durch wahre Beſcheidenheit ſehen,
wie hoch du ſeinen weiſen gütigen Brief ſchätzeſt. Marwitz
hat mir ganz göttlich drüber geſchrieben, und kann die Güte,
den Ton des Briefs nicht genug bewundern. Der iſt unſer
Konfident. Was der von Goethe alles ſchreibt und ſagt,
möchte ich ihm auch ſpediren. Ich — für mein Theil, bin

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0018" n="10"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#right">Abends 6 Uhr.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Das Komi&#x017F;ch&#x017F;te in der Welt i&#x017F;t, daß ich ganz überle&#x017F;en,<lb/>
und unbedacht gele&#x017F;en hatte, daß Clemens &#x017F;chreibt: &#x201E;Da wir<lb/>
ja auch über Rahel, Fouqu<hi rendition="#aq">é</hi>, Arnim, und Grimm, und mich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t anderer <hi rendition="#g">Meinung</hi> &#x017F;ind&#x201C; &#xA75B;c. ich al&#x017F;o eine Art Rolle in<lb/>
dem Streit, und in den vorgelegten Ver&#x017F;öhnungspunkten habe!<lb/>
Wenn du es nun für un&#x017F;chicklich und arrogant &#x017F;cheinend an-<lb/>
&#x017F;ieh&#x017F;t, theile ihm das Obige nicht mit: arrogant, weil es &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr unper&#x017F;önlich war. Ich habe er&#x017F;t jetzt &#x017F;einen Brief noch<lb/>
Einmal gele&#x017F;en; und was ich &#x017F;chrieb, bezog &#x017F;ich auf Son&#x017F;ti-<lb/>
ges. &#x2014; Vorzüglich aber war alles darauf gemünzt, daß ich<lb/>
ihm gut bin. &#x2014; Wie erkenne ich dich an den Zitaten, wo du<lb/>
ihm &#x201E;peinlich&#x201C; war&#x017F;t! bei &#x017F;olchen Dingen kann&#x017F;t du auch zur<lb/>
Pein werden! Ich würde gar Abends nicht &#x017F;chreiben, &#x017F;ollte<lb/>
der Brief morgen nicht auf die Po&#x017F;t, und ich für einen letzten<lb/>
Tag immer Störungen, von Men&#x017F;chen, Ge&#x017F;chäften, Aufträgen,<lb/>
und Kränklichkeit fürchte. Du mußt gar nicht recht nachrech-<lb/>
nen, wie &#x017F;chnell ein Brief geht oder nicht, wenn du &#x017F;agen<lb/>
kann&#x017F;t in deiner Seele, R. &#x017F;chreibt &#x017F;o lange nicht. Nun le&#x017F;e<lb/>
ich deinen Kritzelbrief bei Lichte noch Einmal, und dann will<lb/>
ich antworten. Fettig Papier und eine Gräuelfeder habe ich! &#x2014;</p><lb/>
            <p>Lieber Varnhagen! Wenn du Goethen &#x017F;chreib&#x017F;t, la&#x017F;&#x017F;&#x2019; ihm<lb/>
nur rechte Zeit, und ihn durch wahre Be&#x017F;cheidenheit &#x017F;ehen,<lb/>
wie hoch du &#x017F;einen wei&#x017F;en gütigen Brief &#x017F;chätze&#x017F;t. Marwitz<lb/>
hat mir ganz göttlich drüber ge&#x017F;chrieben, und kann die Güte,<lb/>
den Ton des Briefs nicht genug bewundern. Der i&#x017F;t un&#x017F;er<lb/>
Konfident. Was der von Goethe alles &#x017F;chreibt und &#x017F;agt,<lb/>
möchte ich ihm auch &#x017F;pediren. Ich &#x2014; für mein Theil, bin<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0018] Abends 6 Uhr. Das Komiſchſte in der Welt iſt, daß ich ganz überleſen, und unbedacht geleſen hatte, daß Clemens ſchreibt: „Da wir ja auch über Rahel, Fouqué, Arnim, und Grimm, und mich ſelbſt anderer Meinung ſind“ ꝛc. ich alſo eine Art Rolle in dem Streit, und in den vorgelegten Verſöhnungspunkten habe! Wenn du es nun für unſchicklich und arrogant ſcheinend an- ſiehſt, theile ihm das Obige nicht mit: arrogant, weil es ſo ſehr unperſönlich war. Ich habe erſt jetzt ſeinen Brief noch Einmal geleſen; und was ich ſchrieb, bezog ſich auf Sonſti- ges. — Vorzüglich aber war alles darauf gemünzt, daß ich ihm gut bin. — Wie erkenne ich dich an den Zitaten, wo du ihm „peinlich“ warſt! bei ſolchen Dingen kannſt du auch zur Pein werden! Ich würde gar Abends nicht ſchreiben, ſollte der Brief morgen nicht auf die Poſt, und ich für einen letzten Tag immer Störungen, von Menſchen, Geſchäften, Aufträgen, und Kränklichkeit fürchte. Du mußt gar nicht recht nachrech- nen, wie ſchnell ein Brief geht oder nicht, wenn du ſagen kannſt in deiner Seele, R. ſchreibt ſo lange nicht. Nun leſe ich deinen Kritzelbrief bei Lichte noch Einmal, und dann will ich antworten. Fettig Papier und eine Gräuelfeder habe ich! — Lieber Varnhagen! Wenn du Goethen ſchreibſt, laſſ’ ihm nur rechte Zeit, und ihn durch wahre Beſcheidenheit ſehen, wie hoch du ſeinen weiſen gütigen Brief ſchätzeſt. Marwitz hat mir ganz göttlich drüber geſchrieben, und kann die Güte, den Ton des Briefs nicht genug bewundern. Der iſt unſer Konfident. Was der von Goethe alles ſchreibt und ſagt, möchte ich ihm auch ſpediren. Ich — für mein Theil, bin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/18
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/18>, abgerufen am 23.11.2024.