ihr, daß ich ihn vergöttre, -- und ich, die keine Silbe, zum erstenmale, von ihm hat, repetire mir ihn, den großen Ge- schichtsmann, im Kopf, bei jedem Schmerz, bei jedem Ereigniß: und lieb' ihn Punkt vor Punkt mein ganzes Herz durch und durch, von neuem! diesen König der Deutschen! der blinden, unglücklichen, die ein Jahrhundert nach seinem Tod erwachen werden. Ich vergöttre diesen begabten Weisen; agitirten äch- ten Herzensmenschen! -- daß er mir im ganzen Leben beige- standen! -- Sie sagte mir: man hätte ihr vertraut, -- das kann in Weimar nur Goethe sein -- die Briefe seien von mir, sie wolle es auch verschweigen; ich sagte, es sei nicht nöthig, denn da Goethe es wisse, könne es die ganze Welt wissen. Denk dir also mein inneres stilles Glück, daß ich meinen Herrn, meinen größten Liebling gefreut habe! Ach! und das ist es nicht: bei Gott nicht! denn wüßt' ich Einen, der ihn mehr liebt, verehrt, bewundert, anbetet; von der Natur besser aus- geworfen ist, als ich, ihn in jedem Punkt mit seiner aufzufas- sen; aus jedem Punkt alle andern zu verstehen; jedes Wort, jede Silbe, jedes Ach zu deuten weiß: seinem Leben dadurch wie zugesehen hat, immer mit ihm einverstanden und zufrie- den war: so wollt' ich ewig, ewig ignorirt bleiben; und ihm den zuschieben. O! gäbe es eine Fürstin, eine Kaiserin, die so für seine Verehrung geboren wäre, fast wollt' ich ihr mein Herz und meine Einsicht geben: leihen gewiß oft! Marwitz, mit dem ich hier über alles die knetendsten, herrlichsten Ge- spräche führe, sagt auch: kein Mensch liebe ihn mehr als ich. Weil ich sagte, ich möchte gern einen Menschen sehen, der
ihr, daß ich ihn vergöttre, — und ich, die keine Silbe, zum erſtenmale, von ihm hat, repetire mir ihn, den großen Ge- ſchichtsmann, im Kopf, bei jedem Schmerz, bei jedem Ereigniß: und lieb’ ihn Punkt vor Punkt mein ganzes Herz durch und durch, von neuem! dieſen König der Deutſchen! der blinden, unglücklichen, die ein Jahrhundert nach ſeinem Tod erwachen werden. Ich vergöttre dieſen begabten Weiſen; agitirten äch- ten Herzensmenſchen! — daß er mir im ganzen Leben beige- ſtanden! — Sie ſagte mir: man hätte ihr vertraut, — das kann in Weimar nur Goethe ſein — die Briefe ſeien von mir, ſie wolle es auch verſchweigen; ich ſagte, es ſei nicht nöthig, denn da Goethe es wiſſe, könne es die ganze Welt wiſſen. Denk dir alſo mein inneres ſtilles Glück, daß ich meinen Herrn, meinen größten Liebling gefreut habe! Ach! und das iſt es nicht: bei Gott nicht! denn wüßt’ ich Einen, der ihn mehr liebt, verehrt, bewundert, anbetet; von der Natur beſſer aus- geworfen iſt, als ich, ihn in jedem Punkt mit ſeiner aufzufaſ- ſen; aus jedem Punkt alle andern zu verſtehen; jedes Wort, jede Silbe, jedes Ach zu deuten weiß: ſeinem Leben dadurch wie zugeſehen hat, immer mit ihm einverſtanden und zufrie- den war: ſo wollt’ ich ewig, ewig ignorirt bleiben; und ihm den zuſchieben. O! gäbe es eine Fürſtin, eine Kaiſerin, die ſo für ſeine Verehrung geboren wäre, faſt wollt’ ich ihr mein Herz und meine Einſicht geben: leihen gewiß oft! Marwitz, mit dem ich hier über alles die knetendſten, herrlichſten Ge- ſpräche führe, ſagt auch: kein Menſch liebe ihn mehr als ich. Weil ich ſagte, ich möchte gern einen Menſchen ſehen, der
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und lieb’ ihn Punkt vor Punkt mein ganzes Herz durch und
durch, von neuem! dieſen König der Deutſchen! der blinden,
unglücklichen, die ein Jahrhundert nach ſeinem Tod erwachen
werden. Ich vergöttre dieſen begabten Weiſen; agitirten äch-
ten Herzensmenſchen! — daß er mir im ganzen Leben beige-
ſtanden! — Sie ſagte mir: man hätte ihr vertraut, — das
kann in Weimar nur Goethe ſein — die Briefe ſeien von mir,
ſie wolle es auch verſchweigen; ich ſagte, es ſei nicht nöthig,
denn da Goethe es wiſſe, könne es die ganze Welt wiſſen.
Denk dir alſo mein inneres ſtilles Glück, daß ich meinen Herrn,
meinen größten Liebling gefreut habe! Ach! und das iſt es
nicht: bei Gott nicht! denn wüßt’ ich Einen, der ihn mehr
liebt, verehrt, bewundert, anbetet; von der Natur beſſer aus-
geworfen iſt, als ich, ihn in jedem Punkt mit ſeiner aufzufaſ-
ſen; aus jedem Punkt alle andern zu verſtehen; jedes Wort,
jede Silbe, jedes Ach zu deuten weiß: ſeinem Leben dadurch
wie zugeſehen hat, immer mit ihm einverſtanden und zufrie-
den war: ſo wollt’ ich ewig, ewig ignorirt bleiben; und ihm
den zuſchieben. O! gäbe es eine Fürſtin, eine Kaiſerin, die
ſo für ſeine Verehrung geboren wäre, faſt wollt’ ich ihr mein
Herz und meine Einſicht geben: leihen gewiß oft! Marwitz,
mit dem ich hier über alles die knetendſten, herrlichſten Ge-
ſpräche führe, ſagt auch: kein Menſch liebe ihn mehr als ich.
Weil ich ſagte, ich möchte gern einen Menſchen ſehen, der
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/151>, abgerufen am 27.11.2024.
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