kommt er gewiß von ihm! Ich einen Quark: auch nehme ich gar keine Rücksichten mehr auf all das. Gott muß mich frei machen: oder ich sterbe als morgenländische Sklavin. Wenn du nur Geld hättest, ich meine für jetzt, für dich! --
Ich bin hier sehr wirksam, und menschenumgebener als je, d. h. nicht gesellschaftlich, sondern geschäftlich und wohl- thätig. Ich spende alles selbst, damit kein Unterschleif ge- schieht: sonst könnt' ich mir ein Renommee machen und es kommoder haben. Bartholdy's Gulden sind für die Preu- ßen: das andere theile ich ehrlich: und verwundete Feinde, sind es nicht mehr! und wie soll es unsern Gefangenen dort gehen! Kann ich auf französische Herzen rechnen, wenn mein's nichts taugt? Ich habe so einen Plan im Herzen, alle europäische Frauen aufzufordern, daß sie den Krieg nie- mals mitmachen wollen; und gemeinsam allen Leidenden hel- fen wollen: dann könnten wir doch ruhig sein, von einer Seite; wir Frauen mein' ich. Sollte so etwas nicht gehen? Doch zu viel that ich den Fremden nicht; und sage ihnen meist dabei, ich wüßte wohl, wie sie als Sieger gehandelt hätten: sie sollten wissen, wie wir sind; nicht dumm, nur mitleidig; so sollten sie auch sein. Aber wie sehen die Ar- men aus: oft weine ich: sie haben Mütter wie wir, die sich todt weinten, wenn sie sie sähen. Auguste und unsere Wir- thin haben viel gethan, und thuen noch.
Ich habe hier lauter Avantüren. Vorige Woche begegnet mir ganz im Schummrigen mit Marwitz ein Bettler im größ- ten Koth und Gedränge; er hält mir immer ein Papier ent- gegen. "Wer ist das, frage ich Marwitz, was will der?"
kommt er gewiß von ihm! Ich einen Quark: auch nehme ich gar keine Rückſichten mehr auf all das. Gott muß mich frei machen: oder ich ſterbe als morgenländiſche Sklavin. Wenn du nur Geld hätteſt, ich meine für jetzt, für dich! —
Ich bin hier ſehr wirkſam, und menſchenumgebener als je, d. h. nicht geſellſchaftlich, ſondern geſchäftlich und wohl- thätig. Ich ſpende alles ſelbſt, damit kein Unterſchleif ge- ſchieht: ſonſt könnt’ ich mir ein Renommée machen und es kommoder haben. Bartholdy’s Gulden ſind für die Preu- ßen: das andere theile ich ehrlich: und verwundete Feinde, ſind es nicht mehr! und wie ſoll es unſern Gefangenen dort gehen! Kann ich auf franzöſiſche Herzen rechnen, wenn mein’s nichts taugt? Ich habe ſo einen Plan im Herzen, alle europäiſche Frauen aufzufordern, daß ſie den Krieg nie- mals mitmachen wollen; und gemeinſam allen Leidenden hel- fen wollen: dann könnten wir doch ruhig ſein, von einer Seite; wir Frauen mein’ ich. Sollte ſo etwas nicht gehen? Doch zu viel that ich den Fremden nicht; und ſage ihnen meiſt dabei, ich wüßte wohl, wie ſie als Sieger gehandelt hätten: ſie ſollten wiſſen, wie wir ſind; nicht dumm, nur mitleidig; ſo ſollten ſie auch ſein. Aber wie ſehen die Ar- men aus: oft weine ich: ſie haben Mütter wie wir, die ſich todt weinten, wenn ſie ſie ſähen. Auguſte und unſere Wir- thin haben viel gethan, und thuen noch.
Ich habe hier lauter Avantüren. Vorige Woche begegnet mir ganz im Schummrigen mit Marwitz ein Bettler im größ- ten Koth und Gedränge; er hält mir immer ein Papier ent- gegen. „Wer iſt das, frage ich Marwitz, was will der?“
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kommt er gewiß von ihm! Ich einen Quark: auch nehme ich
gar keine Rückſichten mehr auf all das. Gott muß mich
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Wenn du nur Geld hätteſt, ich meine für jetzt, für dich! —
Ich bin hier ſehr wirkſam, und menſchenumgebener als
je, d. h. nicht geſellſchaftlich, ſondern geſchäftlich und wohl-
thätig. Ich ſpende alles ſelbſt, damit kein Unterſchleif ge-
ſchieht: ſonſt könnt’ ich mir ein Renommée machen und es
kommoder haben. Bartholdy’s Gulden ſind für die Preu-
ßen: das andere theile ich ehrlich: und verwundete Feinde,
ſind es nicht mehr! und wie ſoll es unſern Gefangenen
dort gehen! Kann ich auf franzöſiſche Herzen rechnen, wenn
mein’s nichts taugt? Ich habe ſo einen Plan im Herzen,
alle europäiſche Frauen aufzufordern, daß ſie den Krieg nie-
mals mitmachen wollen; und gemeinſam allen Leidenden hel-
fen wollen: dann könnten wir doch ruhig ſein, von einer
Seite; wir Frauen mein’ ich. Sollte ſo etwas nicht gehen?
Doch zu viel that ich den Fremden nicht; und ſage ihnen
meiſt dabei, ich wüßte wohl, wie ſie als Sieger gehandelt
hätten: ſie ſollten wiſſen, wie wir ſind; nicht dumm, nur
mitleidig; ſo ſollten ſie auch ſein. Aber wie ſehen die Ar-
men aus: oft weine ich: ſie haben Mütter wie wir, die ſich
todt weinten, wenn ſie ſie ſähen. Auguſte und unſere Wir-
thin haben viel gethan, und thuen noch.
Ich habe hier lauter Avantüren. Vorige Woche begegnet
mir ganz im Schummrigen mit Marwitz ein Bettler im größ-
ten Koth und Gedränge; er hält mir immer ein Papier ent-
gegen. „Wer iſt das, frage ich Marwitz, was will der?“
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/134>, abgerufen am 28.11.2024.
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