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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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sagt, und er nicht weiß noch ahndet: ich aber gleich sah und
fürchtete. Ich habe dir schon in zwei Briefen seine Ankunft
und alles beschrieben. Er wohnt bei unserer Hauswirthin, die
ihn gleich aus Rahel- und Preußen-Liebe nahm, hat es en
prince,
und ißt bei uns. Ich und ein Stücker sechs bis acht
weibliche Domestiken warten ihm auf. Und da dacht' ich im-
mer, wo ist August, wer pflegt den? Marwitz echappirte
nach vielen Avantüren und Fatiguen: mager kam er an und
etwas schwach. Die + + ist noch hier, und bekümmert sich
gar nicht um ihn: er meint, das müsse so sein, wie mein
Bekümmern.

Du weißt, denn ich schrieb es nach Lenzen, dies ist der
dritte Brief dorthin; daß ich über tausend Gulden für die Ver-
wundeten von Frau von Humboldt Eingesammeltes erhalten
habe: so schrieb ich dorthin, als sie zu Tausenden in Platzre-
gen auf den Straßen lagen!!! Eilftausend kamen in etwas
mehr als einer Woche. Von allen Nationen, die fechten.
Jetzt gehen die Anstalten besser. Von Bartholdy erhielt ich
gestern dreihundert Gulden; also habe ich viel zu thun: ich
gebe Hemden, Socken, Essen, Geld. Muß sprechen, kaufen,
schreiben, Rechnung führen. Und dieser Ort ist der unbequemste
der Welt. Alle Preußen wenden sich an mich: ich soll Söhne,
Vettern, Nachbarn von allen Landsleuten finden, und helfen.
Oft kann ich es, oft finde ich sie nicht. Seit voriger Woche
ist auch der hier angekommen, nach dessen Umgang du allein
dich sehntest [Willisen]: er entsprang, und ist glücklich durch
die feindlichen Armeen gekommen. Auch er liebt dich sehr;
und kennt dich: ich liebe ihn, er ist still und brav, und weiß

ſagt, und er nicht weiß noch ahndet: ich aber gleich ſah und
fürchtete. Ich habe dir ſchon in zwei Briefen ſeine Ankunft
und alles beſchrieben. Er wohnt bei unſerer Hauswirthin, die
ihn gleich aus Rahel- und Preußen-Liebe nahm, hat es en
prince,
und ißt bei uns. Ich und ein Stücker ſechs bis acht
weibliche Domeſtiken warten ihm auf. Und da dacht’ ich im-
mer, wo iſt Auguſt, wer pflegt den? Marwitz echappirte
nach vielen Avantüren und Fatiguen: mager kam er an und
etwas ſchwach. Die † † iſt noch hier, und bekümmert ſich
gar nicht um ihn: er meint, das müſſe ſo ſein, wie mein
Bekümmern.

Du weißt, denn ich ſchrieb es nach Lenzen, dies iſt der
dritte Brief dorthin; daß ich über tauſend Gulden für die Ver-
wundeten von Frau von Humboldt Eingeſammeltes erhalten
habe: ſo ſchrieb ich dorthin, als ſie zu Tauſenden in Platzre-
gen auf den Straßen lagen!!! Eilftauſend kamen in etwas
mehr als einer Woche. Von allen Nationen, die fechten.
Jetzt gehen die Anſtalten beſſer. Von Bartholdy erhielt ich
geſtern dreihundert Gulden; alſo habe ich viel zu thun: ich
gebe Hemden, Socken, Eſſen, Geld. Muß ſprechen, kaufen,
ſchreiben, Rechnung führen. Und dieſer Ort iſt der unbequemſte
der Welt. Alle Preußen wenden ſich an mich: ich ſoll Söhne,
Vettern, Nachbarn von allen Landsleuten finden, und helfen.
Oft kann ich es, oft finde ich ſie nicht. Seit voriger Woche
iſt auch der hier angekommen, nach deſſen Umgang du allein
dich ſehnteſt [Williſen]: er entſprang, und iſt glücklich durch
die feindlichen Armeen gekommen. Auch er liebt dich ſehr;
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[124/0132] ſagt, und er nicht weiß noch ahndet: ich aber gleich ſah und fürchtete. Ich habe dir ſchon in zwei Briefen ſeine Ankunft und alles beſchrieben. Er wohnt bei unſerer Hauswirthin, die ihn gleich aus Rahel- und Preußen-Liebe nahm, hat es en prince, und ißt bei uns. Ich und ein Stücker ſechs bis acht weibliche Domeſtiken warten ihm auf. Und da dacht’ ich im- mer, wo iſt Auguſt, wer pflegt den? Marwitz echappirte nach vielen Avantüren und Fatiguen: mager kam er an und etwas ſchwach. Die † † iſt noch hier, und bekümmert ſich gar nicht um ihn: er meint, das müſſe ſo ſein, wie mein Bekümmern. Du weißt, denn ich ſchrieb es nach Lenzen, dies iſt der dritte Brief dorthin; daß ich über tauſend Gulden für die Ver- wundeten von Frau von Humboldt Eingeſammeltes erhalten habe: ſo ſchrieb ich dorthin, als ſie zu Tauſenden in Platzre- gen auf den Straßen lagen!!! Eilftauſend kamen in etwas mehr als einer Woche. Von allen Nationen, die fechten. Jetzt gehen die Anſtalten beſſer. Von Bartholdy erhielt ich geſtern dreihundert Gulden; alſo habe ich viel zu thun: ich gebe Hemden, Socken, Eſſen, Geld. Muß ſprechen, kaufen, ſchreiben, Rechnung führen. Und dieſer Ort iſt der unbequemſte der Welt. Alle Preußen wenden ſich an mich: ich ſoll Söhne, Vettern, Nachbarn von allen Landsleuten finden, und helfen. Oft kann ich es, oft finde ich ſie nicht. Seit voriger Woche iſt auch der hier angekommen, nach deſſen Umgang du allein dich ſehnteſt [Williſen]: er entſprang, und iſt glücklich durch die feindlichen Armeen gekommen. Auch er liebt dich ſehr; und kennt dich: ich liebe ihn, er iſt ſtill und brav, und weiß

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/132>, abgerufen am 29.11.2024.