zu sehen hingegangen war; und am tobenden Wasser saß, Gott weiß wie! Dein Brief ist trübe, August! Recht! schreibe mir wie dir ist! diessoulagement mußt du haben. Freilich haben wir keine Aussichten. Meine habe ich alle als Ge- lübde vor Gottes unergründliche Rathschlüsse niedergelegt. Schütze er mein Aug vor Gräuel; und erlöse die Welt vom Krieg. Ich habe große Ambition; weil ich zu den Besten ge- höre, und dazu auch einen guten Platz brauche: aber sie bleibe gekränkt, nur Friede den Menschen, den Bauern, den Städten, Heilung den Wunden: und ich will nichts mehr. Durstend bleibe mein Herz, gekränkt ich. Nun hast du mein stillstes tiefstes Innere. Mehr zu opfern hab' ich nicht Kraft: zu Wunden bin ich zu schwach: diese Stärke habe ich nicht. Ich fürchte, es ist eine Sünde dies zu schreiben! Ja, ja! --
Gentz hat mir eben ein freundliches Billet mit einem Pa- ket Extrablätter geschickt, und einen Brief von Adam Müller, den ich gleich zurückschicken mußte. -- Gestern schon wollt' ich noch dran schreiben: Gentz ist sehr wahr; kindisch bis zum Küssen! und ungeheuer aufrichtig mit mir. Aber doch ist alles, wie ich sagte. -- Ich habe noch gräßliche Furcht. Man sagt, bei Töplitz müsse es zu einer Schlacht kommen. Denk dir! Adieu.
An Varnhagen, in Mecklenburg.
Noch immer bei Augusten, den 16. September 1813.
-- Heute leider kann ich dir nur flüchtig schreiben, mein August: ein Schicksal: denn ich wollte dir besser, süßer schrei-
zu ſehen hingegangen war; und am tobenden Waſſer ſaß, Gott weiß wie! Dein Brief iſt trübe, Auguſt! Recht! ſchreibe mir wie dir iſt! diessoulagement mußt du haben. Freilich haben wir keine Ausſichten. Meine habe ich alle als Ge- lübde vor Gottes unergründliche Rathſchlüſſe niedergelegt. Schütze er mein Aug vor Gräuel; und erlöſe die Welt vom Krieg. Ich habe große Ambition; weil ich zu den Beſten ge- höre, und dazu auch einen guten Platz brauche: aber ſie bleibe gekränkt, nur Friede den Menſchen, den Bauern, den Städten, Heilung den Wunden: und ich will nichts mehr. Durſtend bleibe mein Herz, gekränkt ich. Nun haſt du mein ſtillſtes tiefſtes Innere. Mehr zu opfern hab’ ich nicht Kraft: zu Wunden bin ich zu ſchwach: dieſe Stärke habe ich nicht. Ich fürchte, es iſt eine Sünde dies zu ſchreiben! Ja, ja! —
Gentz hat mir eben ein freundliches Billet mit einem Pa- ket Extrablätter geſchickt, und einen Brief von Adam Müller, den ich gleich zurückſchicken mußte. — Geſtern ſchon wollt’ ich noch dran ſchreiben: Gentz iſt ſehr wahr; kindiſch bis zum Küſſen! und ungeheuer aufrichtig mit mir. Aber doch iſt alles, wie ich ſagte. — Ich habe noch gräßliche Furcht. Man ſagt, bei Töplitz müſſe es zu einer Schlacht kommen. Denk dir! Adieu.
An Varnhagen, in Mecklenburg.
Noch immer bei Auguſten, den 16. September 1813.
— Heute leider kann ich dir nur flüchtig ſchreiben, mein Auguſt: ein Schickſal: denn ich wollte dir beſſer, ſüßer ſchrei-
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haben wir keine Ausſichten. Meine habe ich alle als Ge-
lübde vor Gottes unergründliche Rathſchlüſſe niedergelegt.
Schütze er mein Aug vor Gräuel; und erlöſe die Welt vom
Krieg. Ich habe große Ambition; weil ich zu den Beſten ge-
höre, und dazu auch einen guten Platz brauche: aber ſie
bleibe gekränkt, nur Friede den Menſchen, den Bauern, den
Städten, Heilung den Wunden: und ich will nichts mehr.
Durſtend bleibe mein Herz, gekränkt ich. Nun haſt du mein
ſtillſtes tiefſtes Innere. Mehr zu opfern hab’ ich nicht Kraft:
zu Wunden bin ich zu ſchwach: dieſe Stärke habe ich nicht.
Ich fürchte, es iſt eine Sünde dies zu ſchreiben! Ja, ja! —
Gentz hat mir eben ein freundliches Billet mit einem Pa-
ket Extrablätter geſchickt, und einen Brief von Adam Müller,
den ich gleich zurückſchicken mußte. — Geſtern ſchon wollt’ ich
noch dran ſchreiben: Gentz iſt ſehr wahr; kindiſch bis zum
Küſſen! und ungeheuer aufrichtig mit mir. Aber doch iſt
alles, wie ich ſagte. — Ich habe noch gräßliche Furcht. Man
ſagt, bei Töplitz müſſe es zu einer Schlacht kommen. Denk
dir! Adieu.
An Varnhagen, in Mecklenburg.
Noch immer bei Auguſten, den 16. September 1813.
— Heute leider kann ich dir nur flüchtig ſchreiben, mein
Auguſt: ein Schickſal: denn ich wollte dir beſſer, ſüßer ſchrei-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/127>, abgerufen am 04.12.2024.
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