wirthin, Frau von Reimann, die thut viel. -- Ach! August, könnt' ich hoffen! Nach einer guten Schlacht fürcht' ich dop- pelt. Und Böhmen, und Prag, wie es liegt, wenn man's ansieht, ist fürchterlich; und wo soll man hin? ohne vieles Geld. Doch würd' ich fliehen: im Annäherungsfall: möge der mächtige Gott uns bewahren! der schon einen sandte: und welchen!
Frau von Humboldt hat mir einen lieben himmlischen Brief geantwortet: ich schickt' ihn dir, wenn ich ihn riskiren wollte. Es ist viel and ich drin. Sie betet für dich; will dich nicht mit Schreiben plagen: ist sehr mild; ja weise. Auch ist sie in einer weisen Lage: immer sicher und geborgen, es gehe wie es will. Sie hat einen Brief vom April von dir; ich soll dich grüßen. Schreibe ihr. Er, Humboldt, ist seit gestern von Wien zurück, und geht nach dem Hauptquartier. Von Gentz möcht' ich dir gerne schreiben, kann aber nicht; er thut mir Artigkeiten, wie Graf Metternich sie mir thäte, wenn ich ihn fünfzehnmal gesehen hätte, wie ich ihn zweimal in Gesellschaft sah; glaubt, er bringt mir ein Opfer, wenn er von der Kleinseite zu mir fährt, alle acht, vierzehn Tage. Antwortet mir auf jedes Billet: hat ein Bedürfniß, -- welches er befriedigt, wenn er mich sieht, -- mir alles zu sagen was ihn interessirt. Fragt mich nach ichts. Kurz, hat kein. Gedächtniß im Herzen. Kennt keine Welt mehr, als die aus Koterien vornehmer Leute besteht; kennt also das wahre Ge- wicht nach Zeit und Gewicht auch davon nicht. Mit Einem Wort, ich erlebe Wunder durch ihn; daß in dieser Zeit, bei dieser Gefahr, bei diesen Verwundeten mir noch etwas
wirthin, Frau von Reimann, die thut viel. — Ach! Auguſt, könnt’ ich hoffen! Nach einer guten Schlacht fürcht’ ich dop- pelt. Und Böhmen, und Prag, wie es liegt, wenn man’s anſieht, iſt fürchterlich; und wo ſoll man hin? ohne vieles Geld. Doch würd’ ich fliehen: im Annäherungsfall: möge der mächtige Gott uns bewahren! der ſchon einen ſandte: und welchen!
Frau von Humboldt hat mir einen lieben himmliſchen Brief geantwortet: ich ſchickt’ ihn dir, wenn ich ihn riskiren wollte. Es iſt viel and ich drin. Sie betet für dich; will dich nicht mit Schreiben plagen: iſt ſehr mild; ja weiſe. Auch iſt ſie in einer weiſen Lage: immer ſicher und geborgen, es gehe wie es will. Sie hat einen Brief vom April von dir; ich ſoll dich grüßen. Schreibe ihr. Er, Humboldt, iſt ſeit geſtern von Wien zurück, und geht nach dem Hauptquartier. Von Gentz möcht’ ich dir gerne ſchreiben, kann aber nicht; er thut mir Artigkeiten, wie Graf Metternich ſie mir thäte, wenn ich ihn fünfzehnmal geſehen hätte, wie ich ihn zweimal in Geſellſchaft ſah; glaubt, er bringt mir ein Opfer, wenn er von der Kleinſeite zu mir fährt, alle acht, vierzehn Tage. Antwortet mir auf jedes Billet: hat ein Bedürfniß, — welches er befriedigt, wenn er mich ſieht, — mir alles zu ſagen was ihn intereſſirt. Fragt mich nach ichts. Kurz, hat kein. Gedächtniß im Herzen. Kennt keine Welt mehr, als die aus Koterien vornehmer Leute beſteht; kennt alſo das wahre Ge- wicht nach Zeit und Gewicht auch davon nicht. Mit Einem Wort, ich erlebe Wunder durch ihn; daß in dieſer Zeit, bei dieſer Gefahr, bei dieſen Verwundeten mir noch etwas
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wirthin, Frau von Reimann, die thut viel. — Ach! Auguſt,
könnt’ ich hoffen! Nach einer guten Schlacht fürcht’ ich dop-
pelt. Und Böhmen, und Prag, wie es liegt, wenn man’s
anſieht, iſt fürchterlich; und wo ſoll man hin? ohne vieles
Geld. Doch würd’ ich fliehen: im Annäherungsfall: möge der
mächtige Gott uns bewahren! der ſchon einen ſandte: und
welchen!
Frau von Humboldt hat mir einen lieben himmliſchen
Brief geantwortet: ich ſchickt’ ihn dir, wenn ich ihn riskiren
wollte. Es iſt viel and ich drin. Sie betet für dich; will dich
nicht mit Schreiben plagen: iſt ſehr mild; ja weiſe. Auch iſt
ſie in einer weiſen Lage: immer ſicher und geborgen, es
gehe wie es will. Sie hat einen Brief vom April von dir;
ich ſoll dich grüßen. Schreibe ihr. Er, Humboldt, iſt ſeit
geſtern von Wien zurück, und geht nach dem Hauptquartier.
Von Gentz möcht’ ich dir gerne ſchreiben, kann aber nicht; er
thut mir Artigkeiten, wie Graf Metternich ſie mir thäte, wenn
ich ihn fünfzehnmal geſehen hätte, wie ich ihn zweimal in
Geſellſchaft ſah; glaubt, er bringt mir ein Opfer, wenn er
von der Kleinſeite zu mir fährt, alle acht, vierzehn Tage.
Antwortet mir auf jedes Billet: hat ein Bedürfniß, — welches
er befriedigt, wenn er mich ſieht, — mir alles zu ſagen was
ihn intereſſirt. Fragt mich nach ichts. Kurz, hat kein.
Gedächtniß im Herzen. Kennt keine Welt mehr, als die aus
Koterien vornehmer Leute beſteht; kennt alſo das wahre Ge-
wicht nach Zeit und Gewicht auch davon nicht. Mit Einem
Wort, ich erlebe Wunder durch ihn; daß in dieſer Zeit,
bei dieſer Gefahr, bei dieſen Verwundeten mir noch etwas
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/124>, abgerufen am 12.12.2024.
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