Wenn Sie Gentz schreiben, liebster Pilat, so sagen Sie ihm doch in aller Rechtschaffenen Namen und mit allem or- dentlichen Lobe den Dank, den er verdient. Das Manifest ist eine Staatsschrift vom allerersten Rang: überhaupt ist gewiß selten etwas mit solcher Klarheit des Bewußtseins und solcher moralischen candeur geschrieben worden. Es ist eine Erschei- nung, die in der Geschichte der diplomatischen Beredsamkeit eben so sehr Epoche macht, als das darin dargestellte Verfah- ren in der Geschichte der Diplomatie.
Wenn die Urheber noch einen Augenblick an der Wieder- herstellung der Freiheit von Europa zweiflen, so wissen sie nicht, was sie gethan und geschrieben haben. -- So hoch steht über alle Begeistrung, allen Enthusiasmus, selbst über alles Genie und Talent, -- die Gesinnung: und über alle Macht und alle Fülle, -- die Ordnung und das Maß. Diese Gesin- nung und dieses Maß ist aus den Ruinen einer halben Welt hervorgegangen, und noch immer nicht wohlfeil erkauft: das ist unser Sieg.
Ich bin nicht zum Loben aufgelegt, aber dies ist mir zu stark. Und wie sind beiher die Stein's, die Arndt's be- seitigt! --
An Joſeph von Pilat, in Prag.
Prag, den 19. Auguſt 1813.
Wenn Sie Gentz ſchreiben, liebſter Pilat, ſo ſagen Sie ihm doch in aller Rechtſchaffenen Namen und mit allem or- dentlichen Lobe den Dank, den er verdient. Das Manifeſt iſt eine Staatsſchrift vom allererſten Rang: überhaupt iſt gewiß ſelten etwas mit ſolcher Klarheit des Bewußtſeins und ſolcher moraliſchen candeur geſchrieben worden. Es iſt eine Erſchei- nung, die in der Geſchichte der diplomatiſchen Beredſamkeit eben ſo ſehr Epoche macht, als das darin dargeſtellte Verfah- ren in der Geſchichte der Diplomatie.
Wenn die Urheber noch einen Augenblick an der Wieder- herſtellung der Freiheit von Europa zweiflen, ſo wiſſen ſie nicht, was ſie gethan und geſchrieben haben. — So hoch ſteht über alle Begeiſtrung, allen Enthuſiasmus, ſelbſt über alles Genie und Talent, — die Geſinnung: und über alle Macht und alle Fülle, — die Ordnung und das Maß. Dieſe Geſin- nung und dieſes Maß iſt aus den Ruinen einer halben Welt hervorgegangen, und noch immer nicht wohlfeil erkauft: das iſt unſer Sieg.
Ich bin nicht zum Loben aufgelegt, aber dies iſt mir zu ſtark. Und wie ſind beiher die Stein’s, die Arndt’s be- ſeitigt! —
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An Joſeph von Pilat, in Prag.
Prag, den 19. Auguſt 1813.
Wenn Sie Gentz ſchreiben, liebſter Pilat, ſo ſagen Sie
ihm doch in aller Rechtſchaffenen Namen und mit allem or-
dentlichen Lobe den Dank, den er verdient. Das Manifeſt iſt
eine Staatsſchrift vom allererſten Rang: überhaupt iſt gewiß
ſelten etwas mit ſolcher Klarheit des Bewußtſeins und ſolcher
moraliſchen candeur geſchrieben worden. Es iſt eine Erſchei-
nung, die in der Geſchichte der diplomatiſchen Beredſamkeit
eben ſo ſehr Epoche macht, als das darin dargeſtellte Verfah-
ren in der Geſchichte der Diplomatie.
Wenn die Urheber noch einen Augenblick an der Wieder-
herſtellung der Freiheit von Europa zweiflen, ſo wiſſen ſie
nicht, was ſie gethan und geſchrieben haben. — So hoch ſteht
über alle Begeiſtrung, allen Enthuſiasmus, ſelbſt über alles
Genie und Talent, — die Geſinnung: und über alle Macht
und alle Fülle, — die Ordnung und das Maß. Dieſe Geſin-
nung und dieſes Maß iſt aus den Ruinen einer halben Welt
hervorgegangen, und noch immer nicht wohlfeil erkauft: das
iſt unſer Sieg.
Ich bin nicht zum Loben aufgelegt, aber dies iſt mir
zu ſtark. Und wie ſind beiher die Stein’s, die Arndt’s be-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/122>, abgerufen am 12.12.2024.
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