Seit Sie mir die Anweisung geschickt haben, Liebe, habe ich Ihnen schon zweimal geschrieben: den letzten Sonntag hat mir auch Moritz Geld aus Breslau geschickt; worauf ich ihm gleich den Montag schrieb. Nun habe ich vorgestern wieder einen Brief von Ihnen erhalten, in welchem Sie mir sagen, daß Sie nach Baden fahren, und mich in Brünn zu sehen gedenken. Noch weiß ich nicht, ob ich dahin muß, ich warte das Gefecht hier erst ab. Markus schreibt mir vor ein paar Tagen, als wäre Moritz noch in Breslau, und ginge vielleicht nach Brünn? Ich kann Ihnen nicht eher schreiben, bis Sie mir von einem festen Ort und einer festen Stelle schreiben; und auch nicht was Clemens über Sie geschrieben hat. Auguste grüßt Sie, Sie sollen nicht nach Brünn, sondern nach Prag kommen. Gestern habe ich tausend bekannte Preußen gesehen, gesprochen, viele unbekannte, unsern König in fremdem Freun- des- Land gesehen, und große, große Erschütterung erlebt! mündlich von diesem schönen, großen, wenn auch in Gottes Beschluß nur einzelnen Tag. Sonne, Wetter, Kanonen, Rauch, Volk, Geschrei, der Kaiser mit Fritz in Einem Wagen; die Nation für uns! Adieu, adieu, ich bin noch zu erschüttert, und ach! fürchte jenes Talent, und die einmalige Konstella- tion. Adieu, adieu, man schlägt sich vielleicht schon an Spree und Elbe. Napoleon soll nach Luckau, eilf Meilen von Ber- lin, aus Dresden gehen. Adieu! Gott befohlen wir Alle!
R. R.
II. 8
An Erneſtine Robert, in Wien.
Prag, Mittwoch den 19. Auguſt 1813.
Seit Sie mir die Anweiſung geſchickt haben, Liebe, habe ich Ihnen ſchon zweimal geſchrieben: den letzten Sonntag hat mir auch Moritz Geld aus Breslau geſchickt; worauf ich ihm gleich den Montag ſchrieb. Nun habe ich vorgeſtern wieder einen Brief von Ihnen erhalten, in welchem Sie mir ſagen, daß Sie nach Baden fahren, und mich in Brünn zu ſehen gedenken. Noch weiß ich nicht, ob ich dahin muß, ich warte das Gefecht hier erſt ab. Markus ſchreibt mir vor ein paar Tagen, als wäre Moritz noch in Breslau, und ginge vielleicht nach Brünn? Ich kann Ihnen nicht eher ſchreiben, bis Sie mir von einem feſten Ort und einer feſten Stelle ſchreiben; und auch nicht was Clemens über Sie geſchrieben hat. Auguſte grüßt Sie, Sie ſollen nicht nach Brünn, ſondern nach Prag kommen. Geſtern habe ich tauſend bekannte Preußen geſehen, geſprochen, viele unbekannte, unſern König in fremdem Freun- des- Land geſehen, und große, große Erſchütterung erlebt! mündlich von dieſem ſchönen, großen, wenn auch in Gottes Beſchluß nur einzelnen Tag. Sonne, Wetter, Kanonen, Rauch, Volk, Geſchrei, der Kaiſer mit Fritz in Einem Wagen; die Nation für uns! Adieu, adieu, ich bin noch zu erſchüttert, und ach! fürchte jenes Talent, und die einmalige Konſtella- tion. Adieu, adieu, man ſchlägt ſich vielleicht ſchon an Spree und Elbe. Napoleon ſoll nach Luckau, eilf Meilen von Ber- lin, aus Dresden gehen. Adieu! Gott befohlen wir Alle!
R. R.
II. 8
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An Erneſtine Robert, in Wien.
Prag, Mittwoch den 19. Auguſt 1813.
Seit Sie mir die Anweiſung geſchickt haben, Liebe, habe
ich Ihnen ſchon zweimal geſchrieben: den letzten Sonntag hat
mir auch Moritz Geld aus Breslau geſchickt; worauf ich ihm
gleich den Montag ſchrieb. Nun habe ich vorgeſtern wieder
einen Brief von Ihnen erhalten, in welchem Sie mir ſagen,
daß Sie nach Baden fahren, und mich in Brünn zu ſehen
gedenken. Noch weiß ich nicht, ob ich dahin muß, ich warte
das Gefecht hier erſt ab. Markus ſchreibt mir vor ein paar
Tagen, als wäre Moritz noch in Breslau, und ginge vielleicht
nach Brünn? Ich kann Ihnen nicht eher ſchreiben, bis Sie mir
von einem feſten Ort und einer feſten Stelle ſchreiben; und
auch nicht was Clemens über Sie geſchrieben hat. Auguſte
grüßt Sie, Sie ſollen nicht nach Brünn, ſondern nach Prag
kommen. Geſtern habe ich tauſend bekannte Preußen geſehen,
geſprochen, viele unbekannte, unſern König in fremdem Freun-
des- Land geſehen, und große, große Erſchütterung erlebt!
mündlich von dieſem ſchönen, großen, wenn auch in Gottes
Beſchluß nur einzelnen Tag. Sonne, Wetter, Kanonen, Rauch,
Volk, Geſchrei, der Kaiſer mit Fritz in Einem Wagen; die
Nation für uns! Adieu, adieu, ich bin noch zu erſchüttert,
und ach! fürchte jenes Talent, und die einmalige Konſtella-
tion. Adieu, adieu, man ſchlägt ſich vielleicht ſchon an Spree
und Elbe. Napoleon ſoll nach Luckau, eilf Meilen von Ber-
lin, aus Dresden gehen. Adieu! Gott befohlen wir Alle!
R. R.
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/121>, abgerufen am 09.11.2024.
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