Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

schen zu verwerfen ist eine große Sünde; wie selten hören Sie
d. g. von mir, im Gegentheil, zeitlebens ward ich angefeindet,
und blamirt -- getadelt ist nicht das Wort, -- weil ich nie
unbedingt verwerfen will, und des Menschen Natur bemüht
bin, in ihm aufzufinden, den Punkt, aus dem er handelt,
und nicht die zerstückelten Handlungen zur Richtschnur und
Maßstab nehmen wollte. Aber innerlich ganz eitle, unwahre
Menschen bis in den Kern, die sich selbst eine Lüge sind, und
obstinat diese den Gescheidtesten, mit allen kleinlichen Rän-
ken, und wirklicher Gewaltthätigkeit aufdringen wollen, sind
wahrhaft verwerflich, und mir unbezwingbar verhaßt. Be-
wahren Sie diese Definition des Schweinhundes! Sie kön-
nen sie auch Brentano lesen. Mit Schweinhündchen und
allem! Morgen reist Hr. von Humboldt nach Wien. Las-
sen Sie sich erkundigen, ob sie meinen Brief hat. Ihre amü-
siren mich ungemein, so entsetzlich natürlich. Louis will Er-
nestinen einen großen Brief schreiben. Viel Schönes an Mama
und die guten Schwestern Margot und Louison. Eure Gegen-
füßlerin von Jeanne d'Arc die furchterfüllteste R. R.



An M. Th. Robert, in Breslau.


Jetzt muß man sich oft schreiben, sonst weiß man nicht,
wo man geblieben ist. -- Ich habe nun Geld für die Verwun-
deten und ein wahres preußisches Bureau bei mir. Hemden,
Socken, Essen, Geld, wird hier ausgetheilt und verschickt. Die

ſchen zu verwerfen iſt eine große Sünde; wie ſelten hören Sie
d. g. von mir, im Gegentheil, zeitlebens ward ich angefeindet,
und blamirt — getadelt iſt nicht das Wort, — weil ich nie
unbedingt verwerfen will, und des Menſchen Natur bemüht
bin, in ihm aufzufinden, den Punkt, aus dem er handelt,
und nicht die zerſtückelten Handlungen zur Richtſchnur und
Maßſtab nehmen wollte. Aber innerlich ganz eitle, unwahre
Menſchen bis in den Kern, die ſich ſelbſt eine Lüge ſind, und
obstinat dieſe den Geſcheidteſten, mit allen kleinlichen Rän-
ken, und wirklicher Gewaltthätigkeit aufdringen wollen, ſind
wahrhaft verwerflich, und mir unbezwingbar verhaßt. Be-
wahren Sie dieſe Definition des Schweinhundes! Sie kön-
nen ſie auch Brentano leſen. Mit Schweinhündchen und
allem! Morgen reiſt Hr. von Humboldt nach Wien. Laſ-
ſen Sie ſich erkundigen, ob ſie meinen Brief hat. Ihre amü-
ſiren mich ungemein, ſo entſetzlich natürlich. Louis will Er-
neſtinen einen großen Brief ſchreiben. Viel Schönes an Mama
und die guten Schweſtern Margot und Louiſon. Eure Gegen-
füßlerin von Jeanne d’Arc die furchterfüllteſte R. R.



An M. Th. Robert, in Breslau.


Jetzt muß man ſich oft ſchreiben, ſonſt weiß man nicht,
wo man geblieben iſt. — Ich habe nun Geld für die Verwun-
deten und ein wahres preußiſches Bureau bei mir. Hemden,
Socken, Eſſen, Geld, wird hier ausgetheilt und verſchickt. Die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" n="110"/>
&#x017F;chen zu verwerfen i&#x017F;t eine große Sünde; wie &#x017F;elten hören Sie<lb/>
d. g. von <hi rendition="#g">mir</hi>, im Gegentheil, zeitlebens ward ich angefeindet,<lb/>
und blamirt &#x2014; getadelt i&#x017F;t nicht das Wort, &#x2014; weil ich nie<lb/>
unbedingt verwerfen will, und des Men&#x017F;chen Natur bemüht<lb/>
bin, in ihm aufzufinden, den <hi rendition="#g">Punkt</hi>, aus dem er handelt,<lb/>
und nicht die zer&#x017F;tückelten Handlungen zur Richt&#x017F;chnur und<lb/>
Maß&#x017F;tab nehmen wollte. Aber innerlich ganz eitle, unwahre<lb/>
Men&#x017F;chen bis in den Kern, die &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t eine Lüge &#x017F;ind, und<lb/><hi rendition="#aq">obstinat</hi> die&#x017F;e den Ge&#x017F;cheidte&#x017F;ten, mit allen kleinlichen Rän-<lb/>
ken, und wirklicher Gewaltthätigkeit aufdringen wollen, &#x017F;ind<lb/>
wahrhaft verwerflich, und mir unbezwingbar verhaßt. Be-<lb/>
wahren Sie die&#x017F;e Definition des Schweinhundes! Sie kön-<lb/>
nen &#x017F;ie auch Brentano le&#x017F;en. Mit Schweinhündchen und<lb/><hi rendition="#g">allem</hi>! Morgen rei&#x017F;t Hr. von Humboldt nach Wien. La&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Sie &#x017F;ich erkundigen, ob &#x017F;ie meinen Brief hat. Ihre amü-<lb/>
&#x017F;iren mich ungemein, &#x017F;o ent&#x017F;etzlich natürlich. Louis will Er-<lb/>
ne&#x017F;tinen einen großen Brief &#x017F;chreiben. Viel Schönes an Mama<lb/>
und die guten Schwe&#x017F;tern Margot und Loui&#x017F;on. Eure Gegen-<lb/>
füßlerin von <hi rendition="#aq">Jeanne d&#x2019;Arc</hi> die furchterfüllte&#x017F;te R. R.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An M. Th. Robert, in Breslau.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Prag, den 16. Augu&#x017F;t 1813.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Jetzt muß man &#x017F;ich oft &#x017F;chreiben, &#x017F;on&#x017F;t weiß man nicht,<lb/>
wo man geblieben i&#x017F;t. &#x2014; Ich habe nun Geld für die Verwun-<lb/>
deten und ein wahres preußi&#x017F;ches Bureau bei mir. Hemden,<lb/>
Socken, E&#x017F;&#x017F;en, Geld, wird hier ausgetheilt und ver&#x017F;chickt. Die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0118] ſchen zu verwerfen iſt eine große Sünde; wie ſelten hören Sie d. g. von mir, im Gegentheil, zeitlebens ward ich angefeindet, und blamirt — getadelt iſt nicht das Wort, — weil ich nie unbedingt verwerfen will, und des Menſchen Natur bemüht bin, in ihm aufzufinden, den Punkt, aus dem er handelt, und nicht die zerſtückelten Handlungen zur Richtſchnur und Maßſtab nehmen wollte. Aber innerlich ganz eitle, unwahre Menſchen bis in den Kern, die ſich ſelbſt eine Lüge ſind, und obstinat dieſe den Geſcheidteſten, mit allen kleinlichen Rän- ken, und wirklicher Gewaltthätigkeit aufdringen wollen, ſind wahrhaft verwerflich, und mir unbezwingbar verhaßt. Be- wahren Sie dieſe Definition des Schweinhundes! Sie kön- nen ſie auch Brentano leſen. Mit Schweinhündchen und allem! Morgen reiſt Hr. von Humboldt nach Wien. Laſ- ſen Sie ſich erkundigen, ob ſie meinen Brief hat. Ihre amü- ſiren mich ungemein, ſo entſetzlich natürlich. Louis will Er- neſtinen einen großen Brief ſchreiben. Viel Schönes an Mama und die guten Schweſtern Margot und Louiſon. Eure Gegen- füßlerin von Jeanne d’Arc die furchterfüllteſte R. R. An M. Th. Robert, in Breslau. Prag, den 16. Auguſt 1813. Jetzt muß man ſich oft ſchreiben, ſonſt weiß man nicht, wo man geblieben iſt. — Ich habe nun Geld für die Verwun- deten und ein wahres preußiſches Bureau bei mir. Hemden, Socken, Eſſen, Geld, wird hier ausgetheilt und verſchickt. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/118
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/118>, abgerufen am 12.12.2024.