besten, für sie ein unerreichbares, ein türkisch Shawl. Könnt' ich nur auch Gutes thun, da dieses Gräßliche noch so glimpf- lich ging. Unsere brave unterrichtete Artillerie von Span- dau wird anderweitig gebraucht. Mir ist Gott so gnädig jetzt: und ach! nur selten fühlt's mein Herz einen Moment. Der erwägende Richter hat mein Nothgebet, mein Geschrei- meine windende Angst wegen Spandau erhört! Ich habe so viel Glück und Gnade. Ach! Ach! und bin so unruhig, so unselig! Aber sei ruhig! Daß du vergnügt, muthig, ru- hig, glücklich bist, ist mir alles; giebt mir Muth, den einzi- gen Muthstrahl durch's Herz! -- -- Ich schrieb gleich an Niebuhr, und schickte ihm deinen Artikel und Schlegels Schrift, die er mir, wenn er sie schon kenne, wiederschicken soll, was er noch nicht gethan hat. Heute Morgen bekam ich durch den Postboten einen Brief von dir, mit der Nachricht von den übergegangenen fünfzig Sachsen. Ich denke darüber wie du. Wenn du erlaubst, so schicke ich dem Zeitungsbureau, und nicht Hrn. Niebuhr, diese Nachrichten. Der gefällt mir durch- aus nicht. Gestern Abend las ich zum erstenmale sein Blatt. Wie hart. Wie verblindet. Wie hetzend! Nur Saragossa und Moskau! Die Welt mag untergehn, wenn nur ein wichtiger -- unwichtiger -- Geschichtsparagraph daraus er- steht. So hart und ungefügt und unverständlich ist auch sein Stil. Wie ehre ich dagegen "Heeresgoräth"! Religion ist Vokal, und Geschichte Konsonant: und wie klar, wie ver- ständlich ist das Stück Geschichte darin vorgetragen! wie nir- gend. Und die milde, ganz edle, nicht aufgepusterte Bücher- gesinnung! Jenem liest man an, daß er sich die Welt weiß
beſten, für ſie ein unerreichbares, ein türkiſch Shawl. Könnt’ ich nur auch Gutes thun, da dieſes Gräßliche noch ſo glimpf- lich ging. Unſere brave unterrichtete Artillerie von Span- dau wird anderweitig gebraucht. Mir iſt Gott ſo gnädig jetzt: und ach! nur ſelten fühlt’s mein Herz einen Moment. Der erwägende Richter hat mein Nothgebet, mein Geſchrei- meine windende Angſt wegen Spandau erhört! Ich habe ſo viel Glück und Gnade. Ach! Ach! und bin ſo unruhig, ſo unſelig! Aber ſei ruhig! Daß du vergnügt, muthig, ru- hig, glücklich biſt, iſt mir alles; giebt mir Muth, den einzi- gen Muthſtrahl durch’s Herz! — — Ich ſchrieb gleich an Niebuhr, und ſchickte ihm deinen Artikel und Schlegels Schrift, die er mir, wenn er ſie ſchon kenne, wiederſchicken ſoll, was er noch nicht gethan hat. Heute Morgen bekam ich durch den Poſtboten einen Brief von dir, mit der Nachricht von den übergegangenen fünfzig Sachſen. Ich denke darüber wie du. Wenn du erlaubſt, ſo ſchicke ich dem Zeitungsbureau, und nicht Hrn. Niebuhr, dieſe Nachrichten. Der gefällt mir durch- aus nicht. Geſtern Abend las ich zum erſtenmale ſein Blatt. Wie hart. Wie verblindet. Wie hetzend! Nur Saragoſſa und Moskau! Die Welt mag untergehn, wenn nur ein wichtiger — unwichtiger — Geſchichtsparagraph daraus er- ſteht. So hart und ungefügt und unverſtändlich iſt auch ſein Stil. Wie ehre ich dagegen „Heeresgoräth“! Religion iſt Vokal, und Geſchichte Konſonant: und wie klar, wie ver- ſtändlich iſt das Stück Geſchichte darin vorgetragen! wie nir- gend. Und die milde, ganz edle, nicht aufgepuſterte Bücher- geſinnung! Jenem lieſt man an, daß er ſich die Welt weiß
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beſten, für ſie ein unerreichbares, ein türkiſch Shawl. Könnt’
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dau wird anderweitig gebraucht. Mir iſt Gott ſo gnädig
jetzt: und ach! nur ſelten fühlt’s mein Herz einen Moment.
Der erwägende Richter hat mein Nothgebet, mein Geſchrei-
meine windende Angſt wegen Spandau erhört! Ich habe
ſo viel Glück und Gnade. Ach! Ach! und bin ſo unruhig,
ſo unſelig! Aber ſei ruhig! Daß du vergnügt, muthig, ru-
hig, glücklich biſt, iſt mir alles; giebt mir Muth, den einzi-
gen Muthſtrahl durch’s Herz! — — Ich ſchrieb gleich an
Niebuhr, und ſchickte ihm deinen Artikel und Schlegels Schrift,
die er mir, wenn er ſie ſchon kenne, wiederſchicken ſoll, was
er noch nicht gethan hat. Heute Morgen bekam ich durch
den Poſtboten einen Brief von dir, mit der Nachricht von den
übergegangenen fünfzig Sachſen. Ich denke darüber wie du.
Wenn du erlaubſt, ſo ſchicke ich dem Zeitungsbureau, und
nicht Hrn. Niebuhr, dieſe Nachrichten. Der gefällt mir durch-
aus nicht. Geſtern Abend las ich zum erſtenmale ſein Blatt.
Wie hart. Wie verblindet. Wie hetzend! Nur Saragoſſa
und Moskau! Die Welt mag untergehn, wenn nur ein
wichtiger — unwichtiger — Geſchichtsparagraph daraus er-
ſteht. So hart und ungefügt und unverſtändlich iſt auch ſein
Stil. Wie ehre ich dagegen „Heeresgoräth“! Religion iſt
Vokal, und Geſchichte Konſonant: und wie klar, wie ver-
ſtändlich iſt das Stück Geſchichte darin vorgetragen! wie nir-
gend. Und die milde, ganz edle, nicht aufgepuſterte Bücher-
geſinnung! Jenem lieſt man an, daß er ſich die Welt weiß
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/103>, abgerufen am 22.11.2024.
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