Theodor die Kinder in großes Verhör, weil er wirklich eine große Unart gefunden hatte, nämlich unsern Namen oben in meinem Flur auf die Wand geschmiert. Röschen sagte frei und lachend: ich war es nicht, Ludwig eben so: ich auch nicht; nur Moritz läugnete, der sagte nämlich, ich habe ja gar kein Bleistift, und dabei blieb er, das antwortete er wohl sechszehn- bis siebenzehnmal, auf alle Fragen, die nun in die Kreuz und Quer, wie ein wirkliches Verhör, und mit Ver- stand ihn ängstigend, von allen Seiten hin und her gethan wurden; seine Farbe zeugte wider ihn, aber selbst das Roth- werden unterdrückte er und blieb recht hübsch dabei: "ich habe ja kein Bleistift." Er hatte es nun endlich so gut wie ge- standen, und obgleich ein Flor von Spaß über der ganzen Geschichte war, so wollten sie ihn doch zum völligsten Ge- ständniß ängstigen, so sagt' ich: "Nun, gestehen kann er's doch nun nicht, genug, daß er's geläugnet hat," das gefiel mir sehr. Kaum hatt' ich die Worte gehört, so mußt' ich selbst entsetzlich lachen. Sagen Sie mir, wie kann ich selbst lachen, ich dachte sie doch erst, ehe ich sie sagte? Nun ja, der Klang! Es gingen noch sehr hübsche Dinge bei der Geschichte vor; zuletzt, wie er's denn nun wirklich gestanden hatte, so sagte Mama: "Man läugnet nicht, man sagt lieber, ich war's, und ich habe nicht gewußt, daß es unrecht ist, nun werd' ich's nicht mehr thun;" darauf sagte er ganz bieder: "Ich habe erst sehen wollen, ob's so geht." Überhaupt hat er recht hübsch geläugnet, Sie hätten's sehen sollen. Ich habe dabei viel gedacht, auch mäßigte ich das Verhör so viel als möglich, und bei meiner ganzen Mühe, ein dickes Gewand
Theodor die Kinder in großes Verhör, weil er wirklich eine große Unart gefunden hatte, nämlich unſern Namen oben in meinem Flur auf die Wand geſchmiert. Röschen ſagte frei und lachend: ich war es nicht, Ludwig eben ſo: ich auch nicht; nur Moritz läugnete, der ſagte nämlich, ich habe ja gar kein Bleiſtift, und dabei blieb er, das antwortete er wohl ſechszehn- bis ſiebenzehnmal, auf alle Fragen, die nun in die Kreuz und Quer, wie ein wirkliches Verhör, und mit Ver- ſtand ihn ängſtigend, von allen Seiten hin und her gethan wurden; ſeine Farbe zeugte wider ihn, aber ſelbſt das Roth- werden unterdrückte er und blieb recht hübſch dabei: „ich habe ja kein Bleiſtift.“ Er hatte es nun endlich ſo gut wie ge- ſtanden, und obgleich ein Flor von Spaß über der ganzen Geſchichte war, ſo wollten ſie ihn doch zum völligſten Ge- ſtändniß ängſtigen, ſo ſagt’ ich: „Nun, geſtehen kann er’s doch nun nicht, genug, daß er’s geläugnet hat,“ das gefiel mir ſehr. Kaum hatt’ ich die Worte gehört, ſo mußt’ ich ſelbſt entſetzlich lachen. Sagen Sie mir, wie kann ich ſelbſt lachen, ich dachte ſie doch erſt, ehe ich ſie ſagte? Nun ja, der Klang! Es gingen noch ſehr hübſche Dinge bei der Geſchichte vor; zuletzt, wie er’s denn nun wirklich geſtanden hatte, ſo ſagte Mama: „Man läugnet nicht, man ſagt lieber, ich war’s, und ich habe nicht gewußt, daß es unrecht iſt, nun werd’ ich’s nicht mehr thun;“ darauf ſagte er ganz bieder: „Ich habe erſt ſehen wollen, ob’s ſo geht.“ Überhaupt hat er recht hübſch geläugnet, Sie hätten’s ſehen ſollen. Ich habe dabei viel gedacht, auch mäßigte ich das Verhör ſo viel als möglich, und bei meiner ganzen Mühe, ein dickes Gewand
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Theodor die Kinder in großes Verhör, weil er wirklich eine
große Unart gefunden hatte, nämlich unſern Namen oben in
meinem Flur auf die Wand geſchmiert. Röschen ſagte frei
und lachend: ich war es nicht, Ludwig eben ſo: ich auch
nicht; nur Moritz läugnete, der ſagte nämlich, ich habe ja
gar kein Bleiſtift, und dabei blieb er, das antwortete er wohl
ſechszehn- bis ſiebenzehnmal, auf alle Fragen, die nun in die
Kreuz und Quer, wie ein wirkliches Verhör, und mit Ver-
ſtand ihn ängſtigend, von allen Seiten hin und her gethan
wurden; ſeine Farbe zeugte wider ihn, aber ſelbſt das Roth-
werden unterdrückte er und blieb recht hübſch dabei: „ich habe
ja kein Bleiſtift.“ Er hatte es nun endlich ſo gut wie ge-
ſtanden, und obgleich ein Flor von Spaß über der ganzen
Geſchichte war, ſo wollten ſie ihn doch zum völligſten Ge-
ſtändniß ängſtigen, ſo ſagt’ ich: „Nun, geſtehen kann er’s
doch nun nicht, genug, daß er’s geläugnet hat,“ das gefiel
mir ſehr. Kaum hatt’ ich die Worte gehört, ſo mußt’ ich
ſelbſt entſetzlich lachen. Sagen Sie mir, wie kann ich ſelbſt
lachen, ich dachte ſie doch erſt, ehe ich ſie ſagte? Nun ja, der
Klang! Es gingen noch ſehr hübſche Dinge bei der Geſchichte
vor; zuletzt, wie er’s denn nun wirklich geſtanden hatte, ſo
ſagte Mama: „Man läugnet nicht, man ſagt lieber, ich
war’s, und ich habe nicht gewußt, daß es unrecht iſt, nun
werd’ ich’s nicht mehr thun;“ darauf ſagte er ganz bieder:
„Ich habe erſt ſehen wollen, ob’s ſo geht.“ Überhaupt hat
er recht hübſch geläugnet, Sie hätten’s ſehen ſollen. Ich habe
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/82>, abgerufen am 22.12.2024.
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