Schreckenswort sagen. Aus dem grünen lebendigen frischen Thal soll ich verbannt sein, und doch leben? Ich!? die Gott -- an den sie mich verweisen; erkennen Sie mich ganz! -- nicht kennt, als in der Zeit; durch Sinn, und Sinne; und bei nichts, sich nur nichts, denken kann! Er zeigt, er offen- bart sich uns, in Erde, Farb, Gestalt, Herzensschlag der Freude oder des Schmerzes; mir hat er das Bewußtsein über dieses Wissen, besonders erschlossen: ich bete die mir ganze be- kannte Natur an, und finde nichts gemein, als eine niedre, enge, lügenhafte Gesinnung. Ich? soll verschlagen sein, ohne todt zu sein? Sie haben's gesprochen, Freund. Unglück kann der beste Freund nur nennen, nicht mindern durch Trost. Sie haben Recht, nennen Sie's; ich thue es auch; und wieder weil es wahr ist, will ich es, so wie es ist, an mein Herz drücken.
Sie wollten das vorletztemal Freitag kommen, ich blieb in Besorgniß, und las Urquijo's Briefe, meine. Sie kamen Sonntag, und wissen wie Sie mich nach diesem hier erwähn- ten Brief von Ihnen, der Lektüre der meinigen, und Moritzens langen Unterredung, fanden; darauf kam die schlechte Soiree: die bei Markus vorher. Nun erklären, ergänzen Sie sich mich. Dies alles, weil Sie mein Freund, mein lieber Marwitz sind, zu dem ich wohl sprechen kann, und den ich nicht wie andere Sieche umgehen, und hintergehen mag; weil Sie, wenn Sie eine wie mich kennen, gleich viel erfahren; und weil Sie gar nicht in der Irre sein sollen, ganz wissen sollen, was Sie an mir haben, was ich werth bin. Aber folgern müssen Sie! Jede Kleinigkeit. Eins können Sie mir zur Ehre glauben, inkonsequent und unbewußt, unerwogen ist fast nichts: näm-
Schreckenswort ſagen. Aus dem grünen lebendigen friſchen Thal ſoll ich verbannt ſein, und doch leben? Ich!? die Gott — an den ſie mich verweiſen; erkennen Sie mich ganz! — nicht kennt, als in der Zeit; durch Sinn, und Sinne; und bei nichts, ſich nur nichts, denken kann! Er zeigt, er offen- bart ſich uns, in Erde, Farb, Geſtalt, Herzensſchlag der Freude oder des Schmerzes; mir hat er das Bewußtſein über dieſes Wiſſen, beſonders erſchloſſen: ich bete die mir ganze be- kannte Natur an, und finde nichts gemein, als eine niedre, enge, lügenhafte Geſinnung. Ich? ſoll verſchlagen ſein, ohne todt zu ſein? Sie haben’s geſprochen, Freund. Unglück kann der beſte Freund nur nennen, nicht mindern durch Troſt. Sie haben Recht, nennen Sie’s; ich thue es auch; und wieder weil es wahr iſt, will ich es, ſo wie es iſt, an mein Herz drücken.
Sie wollten das vorletztemal Freitag kommen, ich blieb in Beſorgniß, und las Urquijo’s Briefe, meine. Sie kamen Sonntag, und wiſſen wie Sie mich nach dieſem hier erwähn- ten Brief von Ihnen, der Lektüre der meinigen, und Moritzens langen Unterredung, fanden; darauf kam die ſchlechte Soirée: die bei Markus vorher. Nun erklären, ergänzen Sie ſich mich. Dies alles, weil Sie mein Freund, mein lieber Marwitz ſind, zu dem ich wohl ſprechen kann, und den ich nicht wie andere Sieche umgehen, und hintergehen mag; weil Sie, wenn Sie eine wie mich kennen, gleich viel erfahren; und weil Sie gar nicht in der Irre ſein ſollen, ganz wiſſen ſollen, was Sie an mir haben, was ich werth bin. Aber folgern müſſen Sie! Jede Kleinigkeit. Eins können Sie mir zur Ehre glauben, inkonſequent und unbewußt, unerwogen iſt faſt nichts: näm-
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Schreckenswort ſagen. Aus dem grünen lebendigen friſchen
Thal ſoll ich verbannt ſein, und doch leben? Ich!? die
Gott — an den ſie mich verweiſen; erkennen Sie mich ganz!
— nicht kennt, als in der Zeit; durch Sinn, und Sinne; und
bei nichts, ſich nur nichts, denken kann! Er zeigt, er offen-
bart ſich uns, in Erde, Farb, Geſtalt, Herzensſchlag der Freude
oder des Schmerzes; mir hat er das Bewußtſein über dieſes
Wiſſen, beſonders erſchloſſen: ich bete die mir ganze be-
kannte Natur an, und finde nichts gemein, als eine niedre,
enge, lügenhafte Geſinnung. Ich? ſoll verſchlagen ſein, ohne
todt zu ſein? Sie haben’s geſprochen, Freund. Unglück kann
der beſte Freund nur nennen, nicht mindern durch Troſt. Sie
haben Recht, nennen Sie’s; ich thue es auch; und wieder weil
es wahr iſt, will ich es, ſo wie es iſt, an mein Herz drücken.
Sie wollten das vorletztemal Freitag kommen, ich blieb
in Beſorgniß, und las Urquijo’s Briefe, meine. Sie kamen
Sonntag, und wiſſen wie Sie mich nach dieſem hier erwähn-
ten Brief von Ihnen, der Lektüre der meinigen, und Moritzens
langen Unterredung, fanden; darauf kam die ſchlechte Soirée:
die bei Markus vorher. Nun erklären, ergänzen Sie ſich
mich. Dies alles, weil Sie mein Freund, mein lieber Marwitz
ſind, zu dem ich wohl ſprechen kann, und den ich nicht wie
andere Sieche umgehen, und hintergehen mag; weil Sie, wenn
Sie eine wie mich kennen, gleich viel erfahren; und weil Sie
gar nicht in der Irre ſein ſollen, ganz wiſſen ſollen, was Sie
an mir haben, was ich werth bin. Aber folgern müſſen Sie!
Jede Kleinigkeit. Eins können Sie mir zur Ehre glauben,
inkonſequent und unbewußt, unerwogen iſt faſt nichts: näm-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/578>, abgerufen am 22.12.2024.
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