den beweglichen, auffassenden Geist; der nichts verschmäht, so klein es sein mag, wenn es edle Beziehungen hat, und das Gemüth es aufnehmen kann. Alles dies bewies mir deutlichst die Rum-Geschichte, und daß nichts Gutes von mir, und spalte es sich in die winzigsten Fädchen, bei Ihnen verloren geht. Solche Freunde brauche ich, und liebe ich; bei meinem klei- nen Seelenkram, und bei ihrem Großhandel! Schreiben Sie mir ja immer, wie es Ihnen geht! Wie es mir geht, wissen Sie ganz. Außer daß eine Gemüthsruhe und Klarheit sich meiner bemächtigt, wie sonst wohl Mißstimmung, und Unver- stand es thun; woran ich lange litt. Ich rechne jetzt noch auf keine Zukunft; und danke allen Dämonen für den ge- schenkten Augenblick! Glauben Sie ja nicht, daß äußere Er- eignisse mich so glücklich lenken: im Gegentheil, hierin geht's mir schlecht; ich verschone Sie mit dem Detail. Wissen Sie nur, daß kein Souper mehr bei mir existirt: ich regrettire es aber weniger, da Sie mir doch fehlen: und ich keinen Ange- nehmen kenne. Ich bin spät im Abend meist bei Mad. F., nicht täglich; wo auch nur wenige, und für mich nicht ein erträglicher Mensch, kommen. Ich war die ersten Wochen mit Marwitz, jetzt bin ich allein, mit Büchern. Und ich schwöre Ihnen, ich habe keinen Moment Zeit! In das liebe Thea- ter gehe ich nicht. Sie wissen es! Iffland liegt brach, da Sie fort sind, aber lauter Brennmaterialien sammlen sich für ihn an. Eigentlich, existirt er nur für mich, wenn Sie von ihm sprechen. Um aber nicht gar zu dumm, und menschen- scheu, und ungeschickt zu werden, ging ich vorgestern auf einen Polterabend -- solchem ich nie beigewohnt hatte. -- Ein gräf-
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den beweglichen, auffaſſenden Geiſt; der nichts verſchmäht, ſo klein es ſein mag, wenn es edle Beziehungen hat, und das Gemüth es aufnehmen kann. Alles dies bewies mir deutlichſt die Rum-Geſchichte, und daß nichts Gutes von mir, und ſpalte es ſich in die winzigſten Fädchen, bei Ihnen verloren geht. Solche Freunde brauche ich, und liebe ich; bei meinem klei- nen Seelenkram, und bei ihrem Großhandel! Schreiben Sie mir ja immer, wie es Ihnen geht! Wie es mir geht, wiſſen Sie ganz. Außer daß eine Gemüthsruhe und Klarheit ſich meiner bemächtigt, wie ſonſt wohl Mißſtimmung, und Unver- ſtand es thun; woran ich lange litt. Ich rechne jetzt noch auf keine Zukunft; und danke allen Dämonen für den ge- ſchenkten Augenblick! Glauben Sie ja nicht, daß äußere Er- eigniſſe mich ſo glücklich lenken: im Gegentheil, hierin geht’s mir ſchlecht; ich verſchone Sie mit dem Detail. Wiſſen Sie nur, daß kein Souper mehr bei mir exiſtirt: ich regrettire es aber weniger, da Sie mir doch fehlen: und ich keinen Ange- nehmen kenne. Ich bin ſpät im Abend meiſt bei Mad. F., nicht täglich; wo auch nur wenige, und für mich nicht ein erträglicher Menſch, kommen. Ich war die erſten Wochen mit Marwitz, jetzt bin ich allein, mit Büchern. Und ich ſchwöre Ihnen, ich habe keinen Moment Zeit! In das liebe Thea- ter gehe ich nicht. Sie wiſſen es! Iffland liegt brach, da Sie fort ſind, aber lauter Brennmaterialien ſammlen ſich für ihn an. Eigentlich, exiſtirt er nur für mich, wenn Sie von ihm ſprechen. Um aber nicht gar zu dumm, und menſchen- ſcheu, und ungeſchickt zu werden, ging ich vorgeſtern auf einen Polterabend — ſolchem ich nie beigewohnt hatte. — Ein gräf-
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den beweglichen, auffaſſenden Geiſt; der nichts verſchmäht, ſo
klein es ſein mag, wenn es edle Beziehungen hat, und das
Gemüth es aufnehmen kann. Alles dies bewies mir deutlichſt
die Rum-Geſchichte, und daß nichts Gutes von mir, und ſpalte
es ſich in die winzigſten Fädchen, bei Ihnen verloren geht.
Solche Freunde brauche ich, und liebe ich; bei meinem klei-
nen Seelenkram, und bei ihrem Großhandel! Schreiben Sie
mir ja immer, wie es Ihnen geht! Wie es mir geht, wiſſen
Sie ganz. Außer daß eine Gemüthsruhe und Klarheit ſich
meiner bemächtigt, wie ſonſt wohl Mißſtimmung, und Unver-
ſtand es thun; woran ich lange litt. Ich rechne jetzt noch
auf keine Zukunft; und danke allen Dämonen für den ge-
ſchenkten Augenblick! Glauben Sie ja nicht, daß äußere Er-
eigniſſe mich ſo glücklich lenken: im Gegentheil, hierin geht’s
mir ſchlecht; ich verſchone Sie mit dem Detail. Wiſſen Sie
nur, daß kein Souper mehr bei mir exiſtirt: ich regrettire es
aber weniger, da Sie mir doch fehlen: und ich keinen Ange-
nehmen kenne. Ich bin ſpät im Abend meiſt bei Mad. F.,
nicht täglich; wo auch nur wenige, und für mich nicht ein
erträglicher Menſch, kommen. Ich war die erſten Wochen mit
Marwitz, jetzt bin ich allein, mit Büchern. Und ich ſchwöre
Ihnen, ich habe keinen Moment Zeit! In das liebe Thea-
ter gehe ich nicht. Sie wiſſen es! Iffland liegt brach, da
Sie fort ſind, aber lauter Brennmaterialien ſammlen ſich für
ihn an. Eigentlich, exiſtirt er nur für mich, wenn Sie von
ihm ſprechen. Um aber nicht gar zu dumm, und menſchen-
ſcheu, und ungeſchickt zu werden, ging ich vorgeſtern auf einen
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/559>, abgerufen am 22.12.2024.
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