ein, und als ich ihm sagte, ich hätte viel bessere noch in Töp- litz erhalten, mußt' ich den großen Briefklump durchsuchen, und wir lasen auch die, wovon ihm nicht eine Wendung, keine Naivetät, keine derbe Innerlichkeit, wie auch nicht das Milde des Ganzen, aus anstehender Stärke gebildet, entging. Als er ausgelesen hatte, sagte er mit dem freundlichsten We- sen, die Augen noch auf den wieder eingesteckten Brief gewen- det: "Ich wollte, er wäre hier!" -- Das glaube ich, ich auch! -- "Ich bin ihm recht gut!" -- Sie glauben nicht, wie mich das entzückte! Nichts freut mein Herz so sehr, als wenn sich meine Freunde anerkennen; und ich kann triumphirend sitzen und denken, du bist die Erste, du hast den entdeckt; und nun müssen sie ihn lieben! Oft hab' ich Heterogenscheinendes ver- einigt; oft aber, wollten die besten Seiten an den Menschen nicht zu einander passen, und roher unüberlegter Tadel drängte sich an die Stelle des alles befördernden Wohlwollens, trotz meinem besten Bereiten; daher fühl' ich mit lebendiger Freude wenn es mir gelingt, meine Lieben in Liebe für einander zu entzünden, und wenn sie meiner beistimmen und huldigen müssen. Ich kam mit dem, was ich für das Schmeichlendste halten mußte, zuerst heraus: nun hören Sie auch, welche Thorheit mir am meisten in Ihrem Brief schmeichelte und gefiel. Daß Sie keinen Rum trinken, und noch an meinen Ausspruch denken! So bin ich: nicht besser. Aber Ihr eitles, weiches, liebes Herz wird das verstehen. Ich hatte auch ohne diesen Ihren letzten Brief nicht vergessen, und oft genug Andern wiederholt, wie eine einzige Bemerkung, über dies Ge- tränk beim Thee, Eingang fand in Ihrer regen Seele, durch
den
ein, und als ich ihm ſagte, ich hätte viel beſſere noch in Töp- litz erhalten, mußt’ ich den großen Briefklump durchſuchen, und wir laſen auch die, wovon ihm nicht eine Wendung, keine Naivetät, keine derbe Innerlichkeit, wie auch nicht das Milde des Ganzen, aus anſtehender Stärke gebildet, entging. Als er ausgeleſen hatte, ſagte er mit dem freundlichſten We- ſen, die Augen noch auf den wieder eingeſteckten Brief gewen- det: „Ich wollte, er wäre hier!“ — Das glaube ich, ich auch! — „Ich bin ihm recht gut!“ — Sie glauben nicht, wie mich das entzückte! Nichts freut mein Herz ſo ſehr, als wenn ſich meine Freunde anerkennen; und ich kann triumphirend ſitzen und denken, du biſt die Erſte, du haſt den entdeckt; und nun müſſen ſie ihn lieben! Oft hab’ ich Heterogenſcheinendes ver- einigt; oft aber, wollten die beſten Seiten an den Menſchen nicht zu einander paſſen, und roher unüberlegter Tadel drängte ſich an die Stelle des alles befördernden Wohlwollens, trotz meinem beſten Bereiten; daher fühl’ ich mit lebendiger Freude wenn es mir gelingt, meine Lieben in Liebe für einander zu entzünden, und wenn ſie meiner beiſtimmen und huldigen müſſen. Ich kam mit dem, was ich für das Schmeichlendſte halten mußte, zuerſt heraus: nun hören Sie auch, welche Thorheit mir am meiſten in Ihrem Brief ſchmeichelte und gefiel. Daß Sie keinen Rum trinken, und noch an meinen Ausſpruch denken! So bin ich: nicht beſſer. Aber Ihr eitles, weiches, liebes Herz wird das verſtehen. Ich hatte auch ohne dieſen Ihren letzten Brief nicht vergeſſen, und oft genug Andern wiederholt, wie eine einzige Bemerkung, über dies Ge- tränk beim Thee, Eingang fand in Ihrer regen Seele, durch
den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0558"n="544"/>
ein, und als ich ihm ſagte, ich hätte viel beſſere noch in Töp-<lb/>
litz erhalten, mußt’ ich den großen Briefklump durchſuchen,<lb/>
und wir laſen auch die, wovon ihm nicht eine Wendung,<lb/>
keine Naivetät, keine derbe Innerlichkeit, wie auch nicht das<lb/>
Milde des Ganzen, aus anſtehender Stärke gebildet, entging.<lb/>
Als er ausgeleſen hatte, ſagte er mit dem freundlichſten We-<lb/>ſen, die Augen noch auf den wieder eingeſteckten Brief gewen-<lb/>
det: „Ich wollte, er wäre hier!“— Das glaube ich, ich auch!<lb/>—„Ich bin ihm recht gut!“— Sie glauben nicht, wie mich<lb/>
das entzückte! Nichts freut mein Herz ſo ſehr, als wenn ſich<lb/>
meine Freunde anerkennen; und ich kann triumphirend ſitzen<lb/>
und denken, du biſt die Erſte, du haſt den entdeckt; und nun<lb/>
müſſen ſie ihn lieben! Oft hab’ ich Heterogenſcheinendes ver-<lb/>
einigt; oft aber, wollten die beſten Seiten an den Menſchen<lb/>
nicht zu einander paſſen, und roher unüberlegter Tadel drängte<lb/>ſich an die Stelle des alles befördernden Wohlwollens, trotz<lb/>
meinem beſten Bereiten; daher fühl’ ich mit lebendiger Freude<lb/>
wenn es mir gelingt, meine Lieben in Liebe für einander zu<lb/>
entzünden, und wenn ſie <hirendition="#g">meiner</hi> beiſtimmen und huldigen<lb/>
müſſen. Ich kam mit dem, was ich für das Schmeichlendſte<lb/>
halten mußte, zuerſt heraus: nun hören Sie auch, welche<lb/>
Thorheit mir am meiſten in <hirendition="#g">Ihrem</hi> Brief ſchmeichelte und<lb/>
gefiel. <hirendition="#g">Daß Sie keinen Rum trinken</hi>, und noch an<lb/>
meinen Ausſpruch denken! So bin ich: nicht beſſer. Aber Ihr<lb/>
eitles, weiches, liebes Herz wird das verſtehen. Ich hatte auch<lb/>
ohne dieſen Ihren letzten Brief nicht vergeſſen, und oft genug<lb/>
Andern wiederholt, wie eine einzige Bemerkung, über dies Ge-<lb/>
tränk beim Thee, Eingang fand in Ihrer regen Seele, durch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[544/0558]
ein, und als ich ihm ſagte, ich hätte viel beſſere noch in Töp-
litz erhalten, mußt’ ich den großen Briefklump durchſuchen,
und wir laſen auch die, wovon ihm nicht eine Wendung,
keine Naivetät, keine derbe Innerlichkeit, wie auch nicht das
Milde des Ganzen, aus anſtehender Stärke gebildet, entging.
Als er ausgeleſen hatte, ſagte er mit dem freundlichſten We-
ſen, die Augen noch auf den wieder eingeſteckten Brief gewen-
det: „Ich wollte, er wäre hier!“ — Das glaube ich, ich auch!
— „Ich bin ihm recht gut!“ — Sie glauben nicht, wie mich
das entzückte! Nichts freut mein Herz ſo ſehr, als wenn ſich
meine Freunde anerkennen; und ich kann triumphirend ſitzen
und denken, du biſt die Erſte, du haſt den entdeckt; und nun
müſſen ſie ihn lieben! Oft hab’ ich Heterogenſcheinendes ver-
einigt; oft aber, wollten die beſten Seiten an den Menſchen
nicht zu einander paſſen, und roher unüberlegter Tadel drängte
ſich an die Stelle des alles befördernden Wohlwollens, trotz
meinem beſten Bereiten; daher fühl’ ich mit lebendiger Freude
wenn es mir gelingt, meine Lieben in Liebe für einander zu
entzünden, und wenn ſie meiner beiſtimmen und huldigen
müſſen. Ich kam mit dem, was ich für das Schmeichlendſte
halten mußte, zuerſt heraus: nun hören Sie auch, welche
Thorheit mir am meiſten in Ihrem Brief ſchmeichelte und
gefiel. Daß Sie keinen Rum trinken, und noch an
meinen Ausſpruch denken! So bin ich: nicht beſſer. Aber Ihr
eitles, weiches, liebes Herz wird das verſtehen. Ich hatte auch
ohne dieſen Ihren letzten Brief nicht vergeſſen, und oft genug
Andern wiederholt, wie eine einzige Bemerkung, über dies Ge-
tränk beim Thee, Eingang fand in Ihrer regen Seele, durch
den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/558>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.