mein theurer Freund, erwägen Sie sich selbst, was ich nicht kann; und schicken Sie mir das Urtheil. Lassen Sie sich aber durch die Strenge, die das Zusammenschieben alles zu Erwä- genden schon allein in diesem Briefe ausmacht, nicht übereilen, und meinen Sie nicht, Sie müßten auch so schnell wählen, als der Brief dringend scheint. All diese Worte sind nur Ge- danken, wie anderer Menschen ihre, über jedes Unternehmen und Geschäft. Lassen Sie mich diesmal auf keinen Brief schmachten. Länger als den 12. bleibe ich nun durchaus nicht. O wie viel, über wie vieles, habe ich Ihnen so einen Tag über zu sagen! Was ich kontinuirlich noch für Entdeckungen in mir mache! Wie vieles sähen wir! In Briefen geht das nicht. Von meinen Kopfschmerzen! -- weil es heute Nacht gewittern sollte, kriegte ich sie, bei ganz kühlem schönen Wetter. Es waren Gewitter-Kopfschmerzen, aber es dachte nicht an Gewittern, also konnt' ich ihren Grund nicht finden. Ein lauter langer Donnerschlag weckte mich um 3 Uhr in der Nacht. Einem starken Gewitter sah ich zu. Nun bin ich besser. Adieu.
R. R.
Eins noch vergaß ich; vielleicht der Aufenthalt, die Reise allein nach der Insel, thun sie Ihnen schon gut. Schwer aber ist es jetzt schon hinkommen.
Ich muß den Brief wieder aufreißen. Er drückt nicht aus, was ich im Ganzen sagen wollte; ich sprach zu viel vom Tod und von der Trennung. Denken Sie an das Leben: und wie die Insel, das gesunde -- doch verhältnißmäßig gesunde -- Volk, wie die Reise, das viele Neue, zn Besichtigende, zu Vergleichende, auf Sie wirken, Sie beschäftigen, rüstig machen
mein theurer Freund, erwägen Sie ſich ſelbſt, was ich nicht kann; und ſchicken Sie mir das Urtheil. Laſſen Sie ſich aber durch die Strenge, die das Zuſammenſchieben alles zu Erwä- genden ſchon allein in dieſem Briefe ausmacht, nicht übereilen, und meinen Sie nicht, Sie müßten auch ſo ſchnell wählen, als der Brief dringend ſcheint. All dieſe Worte ſind nur Ge- danken, wie anderer Menſchen ihre, über jedes Unternehmen und Geſchäft. Laſſen Sie mich diesmal auf keinen Brief ſchmachten. Länger als den 12. bleibe ich nun durchaus nicht. O wie viel, über wie vieles, habe ich Ihnen ſo einen Tag über zu ſagen! Was ich kontinuirlich noch für Entdeckungen in mir mache! Wie vieles ſähen wir! In Briefen geht das nicht. Von meinen Kopfſchmerzen! — weil es heute Nacht gewittern ſollte, kriegte ich ſie, bei ganz kühlem ſchönen Wetter. Es waren Gewitter-Kopfſchmerzen, aber es dachte nicht an Gewittern, alſo konnt’ ich ihren Grund nicht finden. Ein lauter langer Donnerſchlag weckte mich um 3 Uhr in der Nacht. Einem ſtarken Gewitter ſah ich zu. Nun bin ich beſſer. Adieu.
R. R.
Eins noch vergaß ich; vielleicht der Aufenthalt, die Reiſe allein nach der Inſel, thun ſie Ihnen ſchon gut. Schwer aber iſt es jetzt ſchon hinkommen.
Ich muß den Brief wieder aufreißen. Er drückt nicht aus, was ich im Ganzen ſagen wollte; ich ſprach zu viel vom Tod und von der Trennung. Denken Sie an das Leben: und wie die Inſel, das geſunde — doch verhältnißmäßig geſunde — Volk, wie die Reiſe, das viele Neue, zn Beſichtigende, zu Vergleichende, auf Sie wirken, Sie beſchäftigen, rüſtig machen
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mein theurer Freund, erwägen Sie ſich ſelbſt, was ich nicht
kann; und ſchicken Sie mir das Urtheil. Laſſen Sie ſich aber
durch die Strenge, die das Zuſammenſchieben alles zu Erwä-
genden ſchon allein in dieſem Briefe ausmacht, nicht übereilen,
und meinen Sie nicht, Sie müßten auch ſo ſchnell wählen,
als der Brief dringend ſcheint. All dieſe Worte ſind nur Ge-
danken, wie anderer Menſchen ihre, über jedes Unternehmen
und Geſchäft. Laſſen Sie mich diesmal auf keinen Brief
ſchmachten. Länger als den 12. bleibe ich nun durchaus nicht.
O wie viel, über wie vieles, habe ich Ihnen ſo einen Tag
über zu ſagen! Was ich kontinuirlich noch für Entdeckungen
in mir mache! Wie vieles ſähen wir! In Briefen geht das
nicht. Von meinen Kopfſchmerzen! — weil es heute Nacht
gewittern ſollte, kriegte ich ſie, bei ganz kühlem ſchönen
Wetter. Es waren Gewitter-Kopfſchmerzen, aber es dachte
nicht an Gewittern, alſo konnt’ ich ihren Grund nicht finden.
Ein lauter langer Donnerſchlag weckte mich um 3 Uhr in
der Nacht. Einem ſtarken Gewitter ſah ich zu. Nun bin
ich beſſer. Adieu.
R. R.
Eins noch vergaß ich; vielleicht der Aufenthalt, die Reiſe
allein nach der Inſel, thun ſie Ihnen ſchon gut. Schwer aber
iſt es jetzt ſchon hinkommen.
Ich muß den Brief wieder aufreißen. Er drückt nicht
aus, was ich im Ganzen ſagen wollte; ich ſprach zu viel vom
Tod und von der Trennung. Denken Sie an das Leben: und
wie die Inſel, das geſunde — doch verhältnißmäßig geſunde
— Volk, wie die Reiſe, das viele Neue, zn Beſichtigende, zu
Vergleichende, auf Sie wirken, Sie beſchäftigen, rüſtig machen
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/530>, abgerufen am 22.12.2024.
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