Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

euch schreib ich auch dem Onkel, von unserer Einigkeit in allem
und unserer Liebe und wahren Harmonie mit Karl. Adieu.

Eure Rahel.

Es liegt noch ein großer Brief bei mir, den ich dir im
Winter einmal schrieb. Aber ich bereute zornige Worte gegen
Andere drin, und ließ ihn liegen.



An Varnhagen, in Prag.

Welch einen Katzenbrief hast du der Guten geschrieben!
Ja, er ahmt die glatten, kleinen Bewegungen eines Katzen-
rückens bis in den kleinsten Theilen seiner anscheinend verwik-
kelten Phrasen bis zum Verwechseln nach, und könnte der
Mensch aus einem Briefe eine Katze machen, wäre es ihm ver-
gönnt, deiner finge Mäuse. Die kann aber eine Welt um
sich her zur Katze machen! Diese Hunde-Ader, daß du ihr
gut bist; mußte sie nicht unter das Glanzfell? Muß ich nicht
endlich nur sie loben? Hat man sie auch lieb, wie man es
denn thut; zwingt sie einen nicht zu ewiger? bei mir ganz
unerhörter Empörung durch ihre ungeheure Versteinerung --
ach nein! das ist es nicht -- mehr wie ein glattes festes Auster-
thier, in sich geschlossen, zu kleinen, blinden, trüben Funktio-
nen -- gegen Überzeugung. Ich behandle sie jetzt ganz wie
du es ihr im Briefe machst: nur nicht mit so kleiner, regel-
mäßiger, ebenmaßvoller, geschloßner Schrift und Art: rhapso-
discher, zerstreuter; größerer, unebenerer Handschrift! Gestern
Nachmittag schickte sie mir deinen Glanzbrief, mit einer Oblate

I. 30

euch ſchreib ich auch dem Onkel, von unſerer Einigkeit in allem
und unſerer Liebe und wahren Harmonie mit Karl. Adieu.

Eure Rahel.

Es liegt noch ein großer Brief bei mir, den ich dir im
Winter einmal ſchrieb. Aber ich bereute zornige Worte gegen
Andere drin, und ließ ihn liegen.



An Varnhagen, in Prag.

Welch einen Katzenbrief haſt du der Guten geſchrieben!
Ja, er ahmt die glatten, kleinen Bewegungen eines Katzen-
rückens bis in den kleinſten Theilen ſeiner anſcheinend verwik-
kelten Phraſen bis zum Verwechſeln nach, und könnte der
Menſch aus einem Briefe eine Katze machen, wäre es ihm ver-
gönnt, deiner finge Mäuſe. Die kann aber eine Welt um
ſich her zur Katze machen! Dieſe Hunde-Ader, daß du ihr
gut biſt; mußte ſie nicht unter das Glanzfell? Muß ich nicht
endlich nur ſie loben? Hat man ſie auch lieb, wie man es
denn thut; zwingt ſie einen nicht zu ewiger? bei mir ganz
unerhörter Empörung durch ihre ungeheure Verſteinerung —
ach nein! das iſt es nicht — mehr wie ein glattes feſtes Auſter-
thier, in ſich geſchloſſen, zu kleinen, blinden, trüben Funktio-
nen — gegen Überzeugung. Ich behandle ſie jetzt ganz wie
du es ihr im Briefe machſt: nur nicht mit ſo kleiner, regel-
mäßiger, ebenmaßvoller, geſchloßner Schrift und Art: rhapſo-
diſcher, zerſtreuter; größerer, unebenerer Handſchrift! Geſtern
Nachmittag ſchickte ſie mir deinen Glanzbrief, mit einer Oblate

I. 30
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0479" n="465"/>
euch &#x017F;chreib ich auch dem Onkel, von un&#x017F;erer Einigkeit in allem<lb/>
und un&#x017F;erer Liebe und wahren Harmonie mit Karl. Adieu.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Eure Rahel.</hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <postscript>
            <p>Es liegt noch ein großer Brief bei mir, den ich dir im<lb/>
Winter einmal &#x017F;chrieb. Aber ich bereute zornige Worte gegen<lb/>
Andere drin, und ließ ihn liegen.</p>
          </postscript>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Varnhagen, in Prag.</head><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Donnerstag, den 22. Februar 1810.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Welch einen Katzenbrief ha&#x017F;t du der Guten ge&#x017F;chrieben!<lb/>
Ja, er ahmt die glatten, kleinen Bewegungen eines Katzen-<lb/>
rückens bis in den klein&#x017F;ten Theilen &#x017F;einer an&#x017F;cheinend verwik-<lb/>
kelten Phra&#x017F;en bis zum Verwech&#x017F;eln nach, und könnte der<lb/>
Men&#x017F;ch aus einem Briefe eine Katze machen, wäre es ihm ver-<lb/>
gönnt, deiner finge Mäu&#x017F;e. Die kann aber eine Welt um<lb/>
&#x017F;ich her zur Katze machen! Die&#x017F;e Hunde-Ader, daß du ihr<lb/>
gut bi&#x017F;t; mußte &#x017F;ie nicht unter das Glanzfell? Muß ich nicht<lb/>
endlich nur &#x017F;ie loben? Hat man &#x017F;ie auch lieb, wie man es<lb/>
denn thut; zwingt &#x017F;ie einen nicht zu ewiger? bei mir ganz<lb/>
unerhörter Empörung durch ihre ungeheure Ver&#x017F;teinerung &#x2014;<lb/>
ach nein! das i&#x017F;t es nicht &#x2014; mehr wie ein glattes fe&#x017F;tes Au&#x017F;ter-<lb/>
thier, in &#x017F;ich ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, zu kleinen, blinden, trüben Funktio-<lb/>
nen &#x2014; gegen Überzeugung. Ich behandle &#x017F;ie jetzt ganz wie<lb/>
du es ihr im Briefe mach&#x017F;t: nur nicht mit &#x017F;o kleiner, regel-<lb/>
mäßiger, ebenmaßvoller, ge&#x017F;chloßner Schrift und Art: rhap&#x017F;o-<lb/>
di&#x017F;cher, zer&#x017F;treuter; größerer, unebenerer Hand&#x017F;chrift! Ge&#x017F;tern<lb/>
Nachmittag &#x017F;chickte &#x017F;ie mir deinen Glanzbrief, mit einer Oblate<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I.</hi> 30</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[465/0479] euch ſchreib ich auch dem Onkel, von unſerer Einigkeit in allem und unſerer Liebe und wahren Harmonie mit Karl. Adieu. Eure Rahel. Es liegt noch ein großer Brief bei mir, den ich dir im Winter einmal ſchrieb. Aber ich bereute zornige Worte gegen Andere drin, und ließ ihn liegen. An Varnhagen, in Prag. Donnerstag, den 22. Februar 1810. Welch einen Katzenbrief haſt du der Guten geſchrieben! Ja, er ahmt die glatten, kleinen Bewegungen eines Katzen- rückens bis in den kleinſten Theilen ſeiner anſcheinend verwik- kelten Phraſen bis zum Verwechſeln nach, und könnte der Menſch aus einem Briefe eine Katze machen, wäre es ihm ver- gönnt, deiner finge Mäuſe. Die kann aber eine Welt um ſich her zur Katze machen! Dieſe Hunde-Ader, daß du ihr gut biſt; mußte ſie nicht unter das Glanzfell? Muß ich nicht endlich nur ſie loben? Hat man ſie auch lieb, wie man es denn thut; zwingt ſie einen nicht zu ewiger? bei mir ganz unerhörter Empörung durch ihre ungeheure Verſteinerung — ach nein! das iſt es nicht — mehr wie ein glattes feſtes Auſter- thier, in ſich geſchloſſen, zu kleinen, blinden, trüben Funktio- nen — gegen Überzeugung. Ich behandle ſie jetzt ganz wie du es ihr im Briefe machſt: nur nicht mit ſo kleiner, regel- mäßiger, ebenmaßvoller, geſchloßner Schrift und Art: rhapſo- diſcher, zerſtreuter; größerer, unebenerer Handſchrift! Geſtern Nachmittag ſchickte ſie mir deinen Glanzbrief, mit einer Oblate I. 30

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/479
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/479>, abgerufen am 22.12.2024.