Ewigkeit, und für alle Ewigkeit, wenn es eintritt. Ich werde euch mittheilen, was ich für meinen Sommer beschließen kann, noch weiß ich es nicht. Mama und das Verhältniß zu ihr, das zerrissene, geht mir nicht aus dem Kopf. Alle reell irdische Bande sind für mich lädirt, vernichtet. Nur meine Geschwister habe ich noch, nur das ist mir noch natürlich. Schreibt mir von euren Plänen. Sollten wir Geschwister nicht alle nach der Wärme ziehen können, und mäßig da, von mäßigem Ein- kommen leben können? Nein? Gott? -- mein einziger Plan in der ganzen Aussicht in's winzige Leben hinein! Verliebt bin ich nicht mehr. Wenn man dir's erzählen sollte, glaube es nicht! Mir glaube: ich bin es nicht. Antwortet mir, geliebte Freunde. Ich schreibe euch dann frisch wieder, und besser umgeben, und gestimmt. Markus hat sein jüngstes Töchterchen die vorige Woche plötzlich verloren. Es war uns ein großer Jammer. Ich weinte, wie Eltern, wie er selbst: wir fassen uns aber sehr vernünftig: ich bin zum Trost immer dort. Und es ist niemand von uns krank. Moritz in Ham- burg vergnügt und gesund. -- Rose, der Onkel in Breslau wird im März achtzig Jahr! ich liebe ihn. Ich war in einer kleinen Korrespondenz mit ihm, er schreibt noch überirdisch schön: und ist voller Witz, Lebendigkeit und der frischesten Empfindung. Frau von Humboldt kommt zum Frühling, ihr Mann ist Geheimer Staatsrath hier, Minister des geistlichen Departements eigentlich. Es sind interessante und gelehrte Leute hier; aber nichts von Kunst: keine Musik; kein frischer Muth. Etwas Furcht vor allem; und Unsicherheit in allem. Adieu. Schreibt mir: und seid ewig meiner versichert. Von
euch
Ewigkeit, und für alle Ewigkeit, wenn es eintritt. Ich werde euch mittheilen, was ich für meinen Sommer beſchließen kann, noch weiß ich es nicht. Mama und das Verhältniß zu ihr, das zerriſſene, geht mir nicht aus dem Kopf. Alle reell irdiſche Bande ſind für mich lädirt, vernichtet. Nur meine Geſchwiſter habe ich noch, nur das iſt mir noch natürlich. Schreibt mir von euren Plänen. Sollten wir Geſchwiſter nicht alle nach der Wärme ziehen können, und mäßig da, von mäßigem Ein- kommen leben können? Nein? Gott? — mein einziger Plan in der ganzen Ausſicht in’s winzige Leben hinein! Verliebt bin ich nicht mehr. Wenn man dir’s erzählen ſollte, glaube es nicht! Mir glaube: ich bin es nicht. Antwortet mir, geliebte Freunde. Ich ſchreibe euch dann friſch wieder, und beſſer umgeben, und geſtimmt. Markus hat ſein jüngſtes Töchterchen die vorige Woche plötzlich verloren. Es war uns ein großer Jammer. Ich weinte, wie Eltern, wie er ſelbſt: wir faſſen uns aber ſehr vernünftig: ich bin zum Troſt immer dort. Und es iſt niemand von uns krank. Moritz in Ham- burg vergnügt und geſund. — Roſe, der Onkel in Breslau wird im März achtzig Jahr! ich liebe ihn. Ich war in einer kleinen Korreſpondenz mit ihm, er ſchreibt noch überirdiſch ſchön: und iſt voller Witz, Lebendigkeit und der friſcheſten Empfindung. Frau von Humboldt kommt zum Frühling, ihr Mann iſt Geheimer Staatsrath hier, Miniſter des geiſtlichen Departements eigentlich. Es ſind intereſſante und gelehrte Leute hier; aber nichts von Kunſt: keine Muſik; kein friſcher Muth. Etwas Furcht vor allem; und Unſicherheit in allem. Adieu. Schreibt mir: und ſeid ewig meiner verſichert. Von
euch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0478"n="464"/>
Ewigkeit, und für alle Ewigkeit, wenn es eintritt. Ich werde<lb/>
euch mittheilen, was ich für meinen Sommer beſchließen kann,<lb/>
noch weiß ich es nicht. Mama und das Verhältniß zu ihr,<lb/>
das zerriſſene, geht mir nicht aus dem Kopf. Alle reell irdiſche<lb/>
Bande ſind für mich lädirt, vernichtet. Nur meine Geſchwiſter<lb/>
habe ich noch, nur das iſt mir noch natürlich. Schreibt mir<lb/>
von euren Plänen. <hirendition="#g">Sollten</hi> wir Geſchwiſter nicht alle nach<lb/>
der Wärme ziehen können, und mäßig da, von mäßigem Ein-<lb/>
kommen leben können? Nein? Gott? — mein <hirendition="#g">einziger</hi><lb/>
Plan in der <hirendition="#g">ganzen</hi> Ausſicht in’s winzige Leben hinein!<lb/>
Verliebt bin ich nicht mehr. Wenn man dir’s erzählen ſollte,<lb/>
glaube es nicht! Mir glaube: ich bin <hirendition="#g">es nicht</hi>. Antwortet<lb/>
mir, geliebte Freunde. Ich ſchreibe euch dann friſch wieder,<lb/>
und beſſer umgeben, und geſtimmt. Markus hat ſein jüngſtes<lb/>
Töchterchen die vorige Woche plötzlich verloren. Es war uns<lb/>
ein großer Jammer. Ich weinte, wie Eltern, wie er ſelbſt:<lb/>
wir faſſen uns aber ſehr vernünftig: ich bin zum Troſt immer<lb/>
dort. Und es iſt niemand von uns krank. Moritz in Ham-<lb/>
burg vergnügt und geſund. — Roſe, der Onkel in Breslau<lb/>
wird im März achtzig Jahr! ich liebe ihn. Ich war in einer<lb/>
kleinen Korreſpondenz mit ihm, er ſchreibt noch überirdiſch<lb/>ſchön: und iſt voller Witz, Lebendigkeit und der friſcheſten<lb/>
Empfindung. Frau von Humboldt kommt zum Frühling, ihr<lb/>
Mann iſt Geheimer Staatsrath hier, Miniſter des geiſtlichen<lb/>
Departements eigentlich. Es ſind intereſſante und gelehrte<lb/>
Leute hier; aber nichts von Kunſt: keine Muſik; kein friſcher<lb/>
Muth. Etwas Furcht vor allem; und Unſicherheit in allem.<lb/>
Adieu. Schreibt mir: und ſeid ewig meiner verſichert. Von<lb/><fwplace="bottom"type="catch">euch</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[464/0478]
Ewigkeit, und für alle Ewigkeit, wenn es eintritt. Ich werde
euch mittheilen, was ich für meinen Sommer beſchließen kann,
noch weiß ich es nicht. Mama und das Verhältniß zu ihr,
das zerriſſene, geht mir nicht aus dem Kopf. Alle reell irdiſche
Bande ſind für mich lädirt, vernichtet. Nur meine Geſchwiſter
habe ich noch, nur das iſt mir noch natürlich. Schreibt mir
von euren Plänen. Sollten wir Geſchwiſter nicht alle nach
der Wärme ziehen können, und mäßig da, von mäßigem Ein-
kommen leben können? Nein? Gott? — mein einziger
Plan in der ganzen Ausſicht in’s winzige Leben hinein!
Verliebt bin ich nicht mehr. Wenn man dir’s erzählen ſollte,
glaube es nicht! Mir glaube: ich bin es nicht. Antwortet
mir, geliebte Freunde. Ich ſchreibe euch dann friſch wieder,
und beſſer umgeben, und geſtimmt. Markus hat ſein jüngſtes
Töchterchen die vorige Woche plötzlich verloren. Es war uns
ein großer Jammer. Ich weinte, wie Eltern, wie er ſelbſt:
wir faſſen uns aber ſehr vernünftig: ich bin zum Troſt immer
dort. Und es iſt niemand von uns krank. Moritz in Ham-
burg vergnügt und geſund. — Roſe, der Onkel in Breslau
wird im März achtzig Jahr! ich liebe ihn. Ich war in einer
kleinen Korreſpondenz mit ihm, er ſchreibt noch überirdiſch
ſchön: und iſt voller Witz, Lebendigkeit und der friſcheſten
Empfindung. Frau von Humboldt kommt zum Frühling, ihr
Mann iſt Geheimer Staatsrath hier, Miniſter des geiſtlichen
Departements eigentlich. Es ſind intereſſante und gelehrte
Leute hier; aber nichts von Kunſt: keine Muſik; kein friſcher
Muth. Etwas Furcht vor allem; und Unſicherheit in allem.
Adieu. Schreibt mir: und ſeid ewig meiner verſichert. Von
euch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/478>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.