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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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nur halb in einer Mutter gelassen; war sehr wichtig! Ich
wußte gar nicht, was ich alles wegen meiner Mutter that,
und empfand. Sie hat mich wirklich als Waise verlassen.
Kinderlos. Ihr bracht' ich lange dies Opfer. Doch hiervon
Einmal mündlich. Denn wie es erscheinen kann, oder er-
zählt werden kann, klingt es unsinnig, und muß auch unwahr
erscheinen. Auch darüber bin ich sehr gefaßt keine Kinder zu
haben. So lange man sie nicht hat, fehlt einem der Sinn:
so denke ich: sich aber Sinne, und neue Organe zu wünschen,
dieses Begehren geht ins Unendliche. Auch gehören die Kinder
den Eltern nur durch der Eltern Liebe: und allein liebt man
genug; ja, immer. Und welche Störung, wenn man nicht
ganz des Vaters Natur in ihnen lieben kann, des Vaters
Schutz und Liebe an ihnen erlebt. Und dann! Ich mag mein
Schicksal nicht so gerne lebendigen Naturen -- durch meine
eigentlichste -- eingeben. Geschähe es, so wäre ich auch darü-
ber ruhig. Größer sind die uns bekannten Naturkräfte (und
organisch über die ganze Erde wirken sie), als alle unsere
Überlegungen; unter ihren Gesetzen stehe ich mit all meinen
Gedanken.

Nun ich mich Ihnen so überliefert habe, nun fragen Sie
noch, ob Sie sich mir zeigen sollen! Alles dies, was hier steht,
und was ich noch hinzufügen will, hielt mich ab, Ihnen zu
schreiben. Ist es genug? Gott! was hat es mich für rheto-
rische Mühe gekostet, nur so viel davon zu Papier zu kriegen!
Hören Sie den Rest, der als Rinde um alles Übrige sitzt, und
mich nicht schreiben läßt. Seit sieben Wochen habe ich die
mir unangemessensten Geschäfte; die alle darauf abzwecken,

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nur halb in einer Mutter gelaſſen; war ſehr wichtig! Ich
wußte gar nicht, was ich alles wegen meiner Mutter that,
und empfand. Sie hat mich wirklich als Waiſe verlaſſen.
Kinderlos. Ihr bracht’ ich lange dies Opfer. Doch hiervon
Einmal mündlich. Denn wie es erſcheinen kann, oder er-
zählt werden kann, klingt es unſinnig, und muß auch unwahr
erſcheinen. Auch darüber bin ich ſehr gefaßt keine Kinder zu
haben. So lange man ſie nicht hat, fehlt einem der Sinn:
ſo denke ich: ſich aber Sinne, und neue Organe zu wünſchen,
dieſes Begehren geht ins Unendliche. Auch gehören die Kinder
den Eltern nur durch der Eltern Liebe: und allein liebt man
genug; ja, immer. Und welche Störung, wenn man nicht
ganz des Vaters Natur in ihnen lieben kann, des Vaters
Schutz und Liebe an ihnen erlebt. Und dann! Ich mag mein
Schickſal nicht ſo gerne lebendigen Naturen — durch meine
eigentlichſte — eingeben. Geſchähe es, ſo wäre ich auch darü-
ber ruhig. Größer ſind die uns bekannten Naturkräfte (und
organiſch über die ganze Erde wirken ſie), als alle unſere
Überlegungen; unter ihren Geſetzen ſtehe ich mit all meinen
Gedanken.

Nun ich mich Ihnen ſo überliefert habe, nun fragen Sie
noch, ob Sie ſich mir zeigen ſollen! Alles dies, was hier ſteht,
und was ich noch hinzufügen will, hielt mich ab, Ihnen zu
ſchreiben. Iſt es genug? Gott! was hat es mich für rheto-
riſche Mühe gekoſtet, nur ſo viel davon zu Papier zu kriegen!
Hören Sie den Reſt, der als Rinde um alles Übrige ſitzt, und
mich nicht ſchreiben läßt. Seit ſieben Wochen habe ich die
mir unangemeſſenſten Geſchäfte; die alle darauf abzwecken,

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[451/0465] nur halb in einer Mutter gelaſſen; war ſehr wichtig! Ich wußte gar nicht, was ich alles wegen meiner Mutter that, und empfand. Sie hat mich wirklich als Waiſe verlaſſen. Kinderlos. Ihr bracht’ ich lange dies Opfer. Doch hiervon Einmal mündlich. Denn wie es erſcheinen kann, oder er- zählt werden kann, klingt es unſinnig, und muß auch unwahr erſcheinen. Auch darüber bin ich ſehr gefaßt keine Kinder zu haben. So lange man ſie nicht hat, fehlt einem der Sinn: ſo denke ich: ſich aber Sinne, und neue Organe zu wünſchen, dieſes Begehren geht ins Unendliche. Auch gehören die Kinder den Eltern nur durch der Eltern Liebe: und allein liebt man genug; ja, immer. Und welche Störung, wenn man nicht ganz des Vaters Natur in ihnen lieben kann, des Vaters Schutz und Liebe an ihnen erlebt. Und dann! Ich mag mein Schickſal nicht ſo gerne lebendigen Naturen — durch meine eigentlichſte — eingeben. Geſchähe es, ſo wäre ich auch darü- ber ruhig. Größer ſind die uns bekannten Naturkräfte (und organiſch über die ganze Erde wirken ſie), als alle unſere Überlegungen; unter ihren Geſetzen ſtehe ich mit all meinen Gedanken. Nun ich mich Ihnen ſo überliefert habe, nun fragen Sie noch, ob Sie ſich mir zeigen ſollen! Alles dies, was hier ſteht, und was ich noch hinzufügen will, hielt mich ab, Ihnen zu ſchreiben. Iſt es genug? Gott! was hat es mich für rheto- riſche Mühe gekoſtet, nur ſo viel davon zu Papier zu kriegen! Hören Sie den Reſt, der als Rinde um alles Übrige ſitzt, und mich nicht ſchreiben läßt. Seit ſieben Wochen habe ich die mir unangemeſſenſten Geſchäfte; die alle darauf abzwecken, 29 *

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/465>, abgerufen am 22.12.2024.