sinnig mein Herz. Abgeschnitten bin ich. Dies Verhältniß konnte mir kein feindliches Geschick ganz rauben, da ich in der Reihe der Naturwesen Einmal bin, nur verderben, ver- gällen. Und ich hielt es hoch empor: besonders zuletzt. Meine Mutter mußte mich lieben. Das einzige Bild, was mir zu einem Erdenwunsche übrig geblieben war, war das Glück, ein einziges Jahr! die zu pflegen, in Ruhe und Wohlha- benheit. Vergebens! So wie dieser Wunsch, dieses Bild, aus dem Herzen herauf athmete, vor meiner Stirn sich bildete: fiel sie in Elend, mir zum Fluch: und starb auch. Nun giebt's für mich nur ein Wogen auf Erden. Eine allgemeine Liebe, ein Anziehen, ein Leisten nach allen Seiten hin; eines wie es sich für einen Gott, für einen Märtyrer schickt. Auch ich schicke mich darin. Ich schätze und sehe meinen Geist ein: der mich nach keiner Seite hin bändigt: fühle gern meine Seele und Thaten gebunden von meinen ewigen sittlichen Überzeugungen, die ich mit unabläßlichen Bestrebungen ergründe, und denen ich ewig freudig, ja nur freudig folge. Ich bin mit mir selbst einig, und halte mich für eine schöne gute Gabe. Das erste größte innre Bedürfniß ist mir erfüllt; ja, die eigentliche menschliche Existenz, das was Eins mit ihr ist, ohne welches sie mir gleich auseinander rinnt. Und ich sehe es ein; und bin sehr froh. Über's ganze Leben weg froh! Doch freund- lich für den Tag, in seiner Entwickelung nach außen hin kann das Leben nur werden, angenehm, wechselwirkend unter Men- schen, wenn die ersten Verhältnisse gesegnet sind; wenn uns die Eltern gelingen. Das geschah mir nicht halb: also wird nie etwas mit mir. Nie. Aber dieses halbe Band, mir auch
ſinnig mein Herz. Abgeſchnitten bin ich. Dies Verhältniß konnte mir kein feindliches Geſchick ganz rauben, da ich in der Reihe der Naturweſen Einmal bin, nur verderben, ver- gällen. Und ich hielt es hoch empor: beſonders zuletzt. Meine Mutter mußte mich lieben. Das einzige Bild, was mir zu einem Erdenwunſche übrig geblieben war, war das Glück, ein einziges Jahr! die zu pflegen, in Ruhe und Wohlha- benheit. Vergebens! So wie dieſer Wunſch, dieſes Bild, aus dem Herzen herauf athmete, vor meiner Stirn ſich bildete: fiel ſie in Elend, mir zum Fluch: und ſtarb auch. Nun giebt’s für mich nur ein Wogen auf Erden. Eine allgemeine Liebe, ein Anziehen, ein Leiſten nach allen Seiten hin; eines wie es ſich für einen Gott, für einen Märtyrer ſchickt. Auch ich ſchicke mich darin. Ich ſchätze und ſehe meinen Geiſt ein: der mich nach keiner Seite hin bändigt: fühle gern meine Seele und Thaten gebunden von meinen ewigen ſittlichen Überzeugungen, die ich mit unabläßlichen Beſtrebungen ergründe, und denen ich ewig freudig, ja nur freudig folge. Ich bin mit mir ſelbſt einig, und halte mich für eine ſchöne gute Gabe. Das erſte größte innre Bedürfniß iſt mir erfüllt; ja, die eigentliche menſchliche Exiſtenz, das was Eins mit ihr iſt, ohne welches ſie mir gleich auseinander rinnt. Und ich ſehe es ein; und bin ſehr froh. Über’s ganze Leben weg froh! Doch freund- lich für den Tag, in ſeiner Entwickelung nach außen hin kann das Leben nur werden, angenehm, wechſelwirkend unter Men- ſchen, wenn die erſten Verhältniſſe geſegnet ſind; wenn uns die Eltern gelingen. Das geſchah mir nicht halb: alſo wird nie etwas mit mir. Nie. Aber dieſes halbe Band, mir auch
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ſinnig mein Herz. Abgeſchnitten bin ich. Dies Verhältniß
konnte mir kein feindliches Geſchick ganz rauben, da ich in
der Reihe der Naturweſen Einmal bin, nur verderben, ver-
gällen. Und ich hielt es hoch empor: beſonders zuletzt. Meine
Mutter mußte mich lieben. Das einzige Bild, was mir zu
einem Erdenwunſche übrig geblieben war, war das Glück,
ein einziges Jahr! die zu pflegen, in Ruhe und Wohlha-
benheit. Vergebens! So wie dieſer Wunſch, dieſes Bild, aus
dem Herzen herauf athmete, vor meiner Stirn ſich bildete:
fiel ſie in Elend, mir zum Fluch: und ſtarb auch. Nun giebt’s
für mich nur ein Wogen auf Erden. Eine allgemeine Liebe,
ein Anziehen, ein Leiſten nach allen Seiten hin; eines wie es
ſich für einen Gott, für einen Märtyrer ſchickt. Auch ich ſchicke
mich darin. Ich ſchätze und ſehe meinen Geiſt ein: der mich
nach keiner Seite hin bändigt: fühle gern meine Seele und
Thaten gebunden von meinen ewigen ſittlichen Überzeugungen,
die ich mit unabläßlichen Beſtrebungen ergründe, und denen
ich ewig freudig, ja nur freudig folge. Ich bin mit mir ſelbſt
einig, und halte mich für eine ſchöne gute Gabe. Das erſte
größte innre Bedürfniß iſt mir erfüllt; ja, die eigentliche
menſchliche Exiſtenz, das was Eins mit ihr iſt, ohne welches
ſie mir gleich auseinander rinnt. Und ich ſehe es ein; und
bin ſehr froh. Über’s ganze Leben weg froh! Doch freund-
lich für den Tag, in ſeiner Entwickelung nach außen hin kann
das Leben nur werden, angenehm, wechſelwirkend unter Men-
ſchen, wenn die erſten Verhältniſſe geſegnet ſind; wenn uns
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/464>, abgerufen am 22.12.2024.
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