disches Wesen darin rührte mich. Wie Sie von seiner und Ihrer Muse sprechen! Sie sind gewiß schon Einmal älter, als jetzt, gewesen. -- Leben Sie nicht so einsam, lieber Fou- que! nicht so in sich gezogen; jetzt ist es noch lieblich für An- dere schön in Ihnen; es muß aber stocken. Ich habe es ja gesehen: Sie sind einer recht lebendigen, munter witzigen, herz- lich ächten, vielseitigen Mittheilung fähig; also bedürfen Sie ihrer auch recht eigentlich: nichts muß in uns brach liegen; am wenigsten Menschenverkehr, die innerliche Anregung, die nur ihrer Berührung entstehen kann: was macht denn sonst wohl das eigentlichste Wesen des Menschen aus, und macht ihn dazu, als daß er andere Wesen, die Angesicht tragen, da- für annimmt, und sie behandelt wie sich selbst: wann kann er das besser, als im vielfältigsten, reichhaltigsten, häufigsten Umgang aller Art mit ihnen! Ich tadle nicht sowohl Ihre Einsamkeit, als Ihr leidenschaftliches stagnantes Wohlgefallen daran; Ihr Lob derselben; Ihr Vergraben und Verkriechen, in der Meinung, diese, und nur diese sei Ihnen gut, heilsam, passend. Dahinter, oder vielmehr davor ist ein Schmerz; der soll uns nie wegdrücken; bekräftigen, erfrischen, erneuen, urbar machen soll er uns zu allem; und der Inbegriff von allem für Menschen ist menschlicher Umgang, man mag es drehen wie man will. Man kann nach der Einimpfung des größten Schmerzes, wenn man ihn auch erlebt hat, doch noch lebendig umhergehen. Sie sind ein Dichter, und schenken den Menschen das Schönste vom Menschen. Und so giebt's noch manche Weise, wie man ihnen, eingesperrt und abgesperrt von ihnen, göttliche Dienste leisten kann: aber Ihnen fehlt doch
diſches Weſen darin rührte mich. Wie Sie von ſeiner und Ihrer Muſe ſprechen! Sie ſind gewiß ſchon Einmal älter, als jetzt, geweſen. — Leben Sie nicht ſo einſam, lieber Fou- qué! nicht ſo in ſich gezogen; jetzt iſt es noch lieblich für An- dere ſchön in Ihnen; es muß aber ſtocken. Ich habe es ja geſehen: Sie ſind einer recht lebendigen, munter witzigen, herz- lich ächten, vielſeitigen Mittheilung fähig; alſo bedürfen Sie ihrer auch recht eigentlich: nichts muß in uns brach liegen; am wenigſten Menſchenverkehr, die innerliche Anregung, die nur ihrer Berührung entſtehen kann: was macht denn ſonſt wohl das eigentlichſte Weſen des Menſchen aus, und macht ihn dazu, als daß er andere Weſen, die Angeſicht tragen, da- für annimmt, und ſie behandelt wie ſich ſelbſt: wann kann er das beſſer, als im vielfältigſten, reichhaltigſten, häufigſten Umgang aller Art mit ihnen! Ich tadle nicht ſowohl Ihre Einſamkeit, als Ihr leidenſchaftliches ſtagnantes Wohlgefallen daran; Ihr Lob derſelben; Ihr Vergraben und Verkriechen, in der Meinung, dieſe, und nur dieſe ſei Ihnen gut, heilſam, paſſend. Dahinter, oder vielmehr davor iſt ein Schmerz; der ſoll uns nie wegdrücken; bekräftigen, erfriſchen, erneuen, urbar machen ſoll er uns zu allem; und der Inbegriff von allem für Menſchen iſt menſchlicher Umgang, man mag es drehen wie man will. Man kann nach der Einimpfung des größten Schmerzes, wenn man ihn auch erlebt hat, doch noch lebendig umhergehen. Sie ſind ein Dichter, und ſchenken den Menſchen das Schönſte vom Menſchen. Und ſo giebt’s noch manche Weiſe, wie man ihnen, eingeſperrt und abgeſperrt von ihnen, göttliche Dienſte leiſten kann: aber Ihnen fehlt doch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0453"n="439"/>
diſches Weſen darin rührte mich. Wie Sie von ſeiner und<lb/>
Ihrer Muſe ſprechen! Sie ſind gewiß ſchon Einmal älter,<lb/>
als jetzt, geweſen. — Leben Sie nicht ſo einſam, lieber Fou-<lb/>
qu<hirendition="#aq">é</hi>! nicht ſo in ſich gezogen; jetzt iſt es noch lieblich für An-<lb/>
dere ſchön in Ihnen; es muß aber ſtocken. Ich habe es ja<lb/>
geſehen: Sie ſind einer recht lebendigen, munter witzigen, herz-<lb/>
lich ächten, vielſeitigen Mittheilung fähig; <hirendition="#g">alſo</hi> bedürfen Sie<lb/>
ihrer auch recht eigentlich: nichts muß in uns brach liegen;<lb/>
am wenigſten Menſchenverkehr, die innerliche Anregung, die<lb/>
nur ihrer Berührung entſtehen kann: was macht denn ſonſt<lb/>
wohl das eigentlichſte Weſen des Menſchen aus, und macht<lb/>
ihn dazu, als daß er andere Weſen, die Angeſicht tragen, da-<lb/>
für annimmt, und ſie behandelt wie ſich ſelbſt: wann kann<lb/>
er das beſſer, als im vielfältigſten, reichhaltigſten, häufigſten<lb/>
Umgang aller Art mit ihnen! Ich tadle nicht ſowohl Ihre<lb/>
Einſamkeit, als Ihr leidenſchaftliches ſtagnantes Wohlgefallen<lb/>
daran; Ihr Lob derſelben; Ihr Vergraben und Verkriechen,<lb/>
in der Meinung, dieſe, und nur dieſe ſei Ihnen gut, heilſam,<lb/>
paſſend. Dahinter, oder vielmehr <hirendition="#g">davor</hi> iſt ein Schmerz;<lb/>
der ſoll uns nie wegdrücken; bekräftigen, erfriſchen, erneuen,<lb/>
urbar machen ſoll er uns zu allem; und der Inbegriff von<lb/>
allem für Menſchen iſt menſchlicher Umgang, man mag es<lb/>
drehen wie man will. Man kann nach der Einimpfung des<lb/>
größten Schmerzes, wenn man ihn auch erlebt hat, doch noch<lb/>
lebendig umhergehen. Sie ſind ein Dichter, und ſchenken den<lb/>
Menſchen das Schönſte vom Menſchen. Und ſo giebt’s noch<lb/>
manche Weiſe, wie man ihnen, eingeſperrt und abgeſperrt von<lb/>
ihnen, göttliche Dienſte leiſten kann: aber Ihnen fehlt doch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[439/0453]
diſches Weſen darin rührte mich. Wie Sie von ſeiner und
Ihrer Muſe ſprechen! Sie ſind gewiß ſchon Einmal älter,
als jetzt, geweſen. — Leben Sie nicht ſo einſam, lieber Fou-
qué! nicht ſo in ſich gezogen; jetzt iſt es noch lieblich für An-
dere ſchön in Ihnen; es muß aber ſtocken. Ich habe es ja
geſehen: Sie ſind einer recht lebendigen, munter witzigen, herz-
lich ächten, vielſeitigen Mittheilung fähig; alſo bedürfen Sie
ihrer auch recht eigentlich: nichts muß in uns brach liegen;
am wenigſten Menſchenverkehr, die innerliche Anregung, die
nur ihrer Berührung entſtehen kann: was macht denn ſonſt
wohl das eigentlichſte Weſen des Menſchen aus, und macht
ihn dazu, als daß er andere Weſen, die Angeſicht tragen, da-
für annimmt, und ſie behandelt wie ſich ſelbſt: wann kann
er das beſſer, als im vielfältigſten, reichhaltigſten, häufigſten
Umgang aller Art mit ihnen! Ich tadle nicht ſowohl Ihre
Einſamkeit, als Ihr leidenſchaftliches ſtagnantes Wohlgefallen
daran; Ihr Lob derſelben; Ihr Vergraben und Verkriechen,
in der Meinung, dieſe, und nur dieſe ſei Ihnen gut, heilſam,
paſſend. Dahinter, oder vielmehr davor iſt ein Schmerz;
der ſoll uns nie wegdrücken; bekräftigen, erfriſchen, erneuen,
urbar machen ſoll er uns zu allem; und der Inbegriff von
allem für Menſchen iſt menſchlicher Umgang, man mag es
drehen wie man will. Man kann nach der Einimpfung des
größten Schmerzes, wenn man ihn auch erlebt hat, doch noch
lebendig umhergehen. Sie ſind ein Dichter, und ſchenken den
Menſchen das Schönſte vom Menſchen. Und ſo giebt’s noch
manche Weiſe, wie man ihnen, eingeſperrt und abgeſperrt von
ihnen, göttliche Dienſte leiſten kann: aber Ihnen fehlt doch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/453>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.