am Schenkel von einer Kanone verwundet; achtzehn Jahr, und muß lahm bleiben in jedem bessern Fall: ich habe vom 20. Juni Nachrichten von ihnen gehabt; sie waren bei diesem Bruder. Verzeihen Sie Marwitz, und protegiren Sie ihn sehr: ich weiß wie vorzüglich Sie ihn behandelten, und doch mögen Sie ihn noch nicht so en detail kennen als ich. Erwogen haben Sie sein Wesen, und durchdrungen muß es Ihr Blick haben; und an Ihnen hatte ich meine Freude, als ich's ver- nahm! Von dertrempe ist mir beinah noch keiner vorge- kommen: er ist ja wie alt bei seiner Jugend; dies muß man aber auch gleich sein, sonst wird man nur ein Stock, und bleibt nicht jung.
Ich wohne zwar in Charlottenburg, bin aber leider mehr hier: es ist eine plötzliche Kälte eingefallen, die mir wehe thut, und da fuhr ich gleich herein. Überall ist bei mir kein Stuhl, keine Tasse verrückt: und nur ich habe mich hin und her zu bewegen, um hier oder in Charlottenburg zu sein. Und das wollten Sie nicht leiden? Sie scheinen es gar nicht zu ver- stehen, wie schön man in Charlottenburg sein kann; und vergessen zu haben, wie leicht hin und her. Daß Frau von Humboldt einen Sohn hat, weiß ich schon; daß sie in Neapel bleibt, freut mich in der Seele. Weiß ich doch ein genießendes fühlendes Wesen in den Naturanstalten! Weiß ich doch, daß Einer von meinen Ausgezeichneten lebt! -- Sein Sie nur mit Graf Dohna nicht Ein Herz und Eine Seele! Und bedenken Sie, wie entfernt die distribuirenden Mächte des Himmels ihn von Ihnen halten: wenn auch ir- dische Götter und Statthalter ihn Ihnen nahe stellen. Wenn
am Schenkel von einer Kanone verwundet; achtzehn Jahr, und muß lahm bleiben in jedem beſſern Fall: ich habe vom 20. Juni Nachrichten von ihnen gehabt; ſie waren bei dieſem Bruder. Verzeihen Sie Marwitz, und protegiren Sie ihn ſehr: ich weiß wie vorzüglich Sie ihn behandelten, und doch mögen Sie ihn noch nicht ſo en détail kennen als ich. Erwogen haben Sie ſein Weſen, und durchdrungen muß es Ihr Blick haben; und an Ihnen hatte ich meine Freude, als ich’s ver- nahm! Von dertrempe iſt mir beinah noch keiner vorge- kommen: er iſt ja wie alt bei ſeiner Jugend; dies muß man aber auch gleich ſein, ſonſt wird man nur ein Stock, und bleibt nicht jung.
Ich wohne zwar in Charlottenburg, bin aber leider mehr hier: es iſt eine plötzliche Kälte eingefallen, die mir wehe thut, und da fuhr ich gleich herein. Überall iſt bei mir kein Stuhl, keine Taſſe verrückt: und nur ich habe mich hin und her zu bewegen, um hier oder in Charlottenburg zu ſein. Und das wollten Sie nicht leiden? Sie ſcheinen es gar nicht zu ver- ſtehen, wie ſchön man in Charlottenburg ſein kann; und vergeſſen zu haben, wie leicht hin und her. Daß Frau von Humboldt einen Sohn hat, weiß ich ſchon; daß ſie in Neapel bleibt, freut mich in der Seele. Weiß ich doch ein genießendes fühlendes Weſen in den Naturanſtalten! Weiß ich doch, daß Einer von meinen Ausgezeichneten lebt! — Sein Sie nur mit Graf Dohna nicht Ein Herz und Eine Seele! Und bedenken Sie, wie entfernt die diſtribuirenden Mächte des Himmels ihn von Ihnen halten: wenn auch ir- diſche Götter und Statthalter ihn Ihnen nahe ſtellen. Wenn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0442"n="428"/>
am Schenkel von einer Kanone verwundet; achtzehn Jahr,<lb/>
und muß lahm bleiben in jedem beſſern Fall: ich habe vom<lb/>
20. Juni Nachrichten von ihnen gehabt; ſie waren bei dieſem<lb/>
Bruder. Verzeihen Sie Marwitz, und protegiren Sie ihn ſehr:<lb/>
ich weiß wie vorzüglich Sie ihn behandelten, und doch mögen<lb/>
Sie ihn noch nicht ſo <hirendition="#aq">en détail</hi> kennen als ich. Erwogen<lb/>
haben Sie ſein Weſen, und durchdrungen muß es Ihr Blick<lb/>
haben; und an Ihnen hatte ich meine Freude, als ich’s ver-<lb/>
nahm! Von <hirendition="#g">der</hi><hirendition="#aq">trempe</hi> iſt mir beinah noch keiner vorge-<lb/>
kommen: er iſt ja wie alt bei ſeiner Jugend; dies muß man<lb/>
aber auch gleich ſein, ſonſt wird man nur ein Stock, und<lb/>
bleibt nicht jung.</p><lb/><p>Ich wohne zwar in Charlottenburg, bin aber leider mehr<lb/>
hier: es iſt eine plötzliche Kälte eingefallen, die mir wehe thut,<lb/>
und da fuhr ich gleich herein. Überall iſt bei mir kein Stuhl,<lb/>
keine Taſſe verrückt: und nur ich habe mich hin und her zu<lb/>
bewegen, um hier oder in Charlottenburg zu ſein. Und <hirendition="#g">das</hi><lb/>
wollten Sie nicht leiden? Sie ſcheinen es gar nicht zu ver-<lb/>ſtehen, wie ſchön man in Charlottenburg ſein kann; und<lb/>
vergeſſen zu haben, wie leicht hin und her. Daß Frau<lb/>
von Humboldt einen Sohn hat, weiß ich ſchon; daß ſie in<lb/>
Neapel bleibt, freut mich in der Seele. Weiß ich doch ein<lb/>
genießendes fühlendes Weſen in den Naturanſtalten! Weiß<lb/>
ich doch, daß Einer von meinen Ausgezeichneten lebt! —<lb/>
Sein <hirendition="#g">Sie</hi> nur mit Graf Dohna nicht Ein Herz und Eine<lb/>
Seele! Und bedenken Sie, wie entfernt die diſtribuirenden<lb/>
Mächte des Himmels ihn von Ihnen halten: wenn auch ir-<lb/>
diſche Götter und Statthalter ihn Ihnen nahe ſtellen. Wenn<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[428/0442]
am Schenkel von einer Kanone verwundet; achtzehn Jahr,
und muß lahm bleiben in jedem beſſern Fall: ich habe vom
20. Juni Nachrichten von ihnen gehabt; ſie waren bei dieſem
Bruder. Verzeihen Sie Marwitz, und protegiren Sie ihn ſehr:
ich weiß wie vorzüglich Sie ihn behandelten, und doch mögen
Sie ihn noch nicht ſo en détail kennen als ich. Erwogen
haben Sie ſein Weſen, und durchdrungen muß es Ihr Blick
haben; und an Ihnen hatte ich meine Freude, als ich’s ver-
nahm! Von der trempe iſt mir beinah noch keiner vorge-
kommen: er iſt ja wie alt bei ſeiner Jugend; dies muß man
aber auch gleich ſein, ſonſt wird man nur ein Stock, und
bleibt nicht jung.
Ich wohne zwar in Charlottenburg, bin aber leider mehr
hier: es iſt eine plötzliche Kälte eingefallen, die mir wehe thut,
und da fuhr ich gleich herein. Überall iſt bei mir kein Stuhl,
keine Taſſe verrückt: und nur ich habe mich hin und her zu
bewegen, um hier oder in Charlottenburg zu ſein. Und das
wollten Sie nicht leiden? Sie ſcheinen es gar nicht zu ver-
ſtehen, wie ſchön man in Charlottenburg ſein kann; und
vergeſſen zu haben, wie leicht hin und her. Daß Frau
von Humboldt einen Sohn hat, weiß ich ſchon; daß ſie in
Neapel bleibt, freut mich in der Seele. Weiß ich doch ein
genießendes fühlendes Weſen in den Naturanſtalten! Weiß
ich doch, daß Einer von meinen Ausgezeichneten lebt! —
Sein Sie nur mit Graf Dohna nicht Ein Herz und Eine
Seele! Und bedenken Sie, wie entfernt die diſtribuirenden
Mächte des Himmels ihn von Ihnen halten: wenn auch ir-
diſche Götter und Statthalter ihn Ihnen nahe ſtellen. Wenn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/442>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.