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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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das noch dazu in allen Richtungen, und nach allen Wegen
laufend, eilend, zurückfliehend, stillstehend, umkehrend; und
scharmützelten so mit mir, daß ich Orte und Dinge vertheidi-
gen mußte, an denen mir gar nichts lag; und in der Empö-
rung und Erhitzung, kam es mir wie aus der Acht, sie in die
Tiefe zu führen, wo sie mir nicht hätten entwischen können,
und wo sie sich nicht hätten regen sollen. Aber schon oben
reizte mich die Unregelmäßigkeit; die Rede war von den Vor-
rechten, die die Geburt in unsern Staaten ertheilen kann; bei
Gelegenheit, daß B. diese genommen habe; welches man für
unsinnig und eitel -- auf die faule Bärenhaut gelegt, und
auch nicht Einmal sich die Mühe genommen zu denken! --
erklären wollte. Ich stieß gleich aus, mich wundere dieser
Schritt nicht: denn er, B., hätte es nicht ertragen können,
ohne Namen umher zu gehen, und habe etwas, es sei was
es wolle, unternehmen müssen, um sich, sei's um den Preiß
seines Blutes, eine äußere Existenz zu verschaffen. Ich sähe
das ein, und fände, er habe Recht. Nun wurden sie weise,
und meinten, ich sei eitel. Wir kamen vom Grund ab, weil
hoch oben sie schon Unrecht hatten! Die Frau sagte: "Ich
trage eine Welt in mir." O! Großer Gott! was meint sie
wohl damit?! hätte sie doch diese Phrase nie gehört! Das
stupide Prahlen, was nicht mal Verstand genug gehabt hatte,
etwas zu erfinden, oder nur im Arsenal der Gebrauchsreden
zweckmäßig zu wählen, empörte -- indignirte -- mich so, daß
ich sie nur ansah, etwas schwieg, und dann etwas Dummes
sagte; anstatt ihr zu erwiedern: je vielfältiger diese innere
Welt sei, je mehr nehme sie die äußere in Anspruch, und jedes

das noch dazu in allen Richtungen, und nach allen Wegen
laufend, eilend, zurückfliehend, ſtillſtehend, umkehrend; und
ſcharmützelten ſo mit mir, daß ich Orte und Dinge vertheidi-
gen mußte, an denen mir gar nichts lag; und in der Empö-
rung und Erhitzung, kam es mir wie aus der Acht, ſie in die
Tiefe zu führen, wo ſie mir nicht hätten entwiſchen können,
und wo ſie ſich nicht hätten regen ſollen. Aber ſchon oben
reizte mich die Unregelmäßigkeit; die Rede war von den Vor-
rechten, die die Geburt in unſern Staaten ertheilen kann; bei
Gelegenheit, daß B. dieſe genommen habe; welches man für
unſinnig und eitel — auf die faule Bärenhaut gelegt, und
auch nicht Einmal ſich die Mühe genommen zu denken! —
erklären wollte. Ich ſtieß gleich aus, mich wundere dieſer
Schritt nicht: denn er, B., hätte es nicht ertragen können,
ohne Namen umher zu gehen, und habe etwas, es ſei was
es wolle, unternehmen müſſen, um ſich, ſei’s um den Preiß
ſeines Blutes, eine äußere Exiſtenz zu verſchaffen. Ich ſähe
das ein, und fände, er habe Recht. Nun wurden ſie weiſe,
und meinten, ich ſei eitel. Wir kamen vom Grund ab, weil
hoch oben ſie ſchon Unrecht hatten! Die Frau ſagte: „Ich
trage eine Welt in mir.“ O! Großer Gott! was meint ſie
wohl damit?! hätte ſie doch dieſe Phraſe nie gehört! Das
ſtupide Prahlen, was nicht mal Verſtand genug gehabt hatte,
etwas zu erfinden, oder nur im Arſenal der Gebrauchsreden
zweckmäßig zu wählen, empörte — indignirte — mich ſo, daß
ich ſie nur anſah, etwas ſchwieg, und dann etwas Dummes
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[408/0422] das noch dazu in allen Richtungen, und nach allen Wegen laufend, eilend, zurückfliehend, ſtillſtehend, umkehrend; und ſcharmützelten ſo mit mir, daß ich Orte und Dinge vertheidi- gen mußte, an denen mir gar nichts lag; und in der Empö- rung und Erhitzung, kam es mir wie aus der Acht, ſie in die Tiefe zu führen, wo ſie mir nicht hätten entwiſchen können, und wo ſie ſich nicht hätten regen ſollen. Aber ſchon oben reizte mich die Unregelmäßigkeit; die Rede war von den Vor- rechten, die die Geburt in unſern Staaten ertheilen kann; bei Gelegenheit, daß B. dieſe genommen habe; welches man für unſinnig und eitel — auf die faule Bärenhaut gelegt, und auch nicht Einmal ſich die Mühe genommen zu denken! — erklären wollte. Ich ſtieß gleich aus, mich wundere dieſer Schritt nicht: denn er, B., hätte es nicht ertragen können, ohne Namen umher zu gehen, und habe etwas, es ſei was es wolle, unternehmen müſſen, um ſich, ſei’s um den Preiß ſeines Blutes, eine äußere Exiſtenz zu verſchaffen. Ich ſähe das ein, und fände, er habe Recht. Nun wurden ſie weiſe, und meinten, ich ſei eitel. Wir kamen vom Grund ab, weil hoch oben ſie ſchon Unrecht hatten! Die Frau ſagte: „Ich trage eine Welt in mir.“ O! Großer Gott! was meint ſie wohl damit?! hätte ſie doch dieſe Phraſe nie gehört! Das ſtupide Prahlen, was nicht mal Verſtand genug gehabt hatte, etwas zu erfinden, oder nur im Arſenal der Gebrauchsreden zweckmäßig zu wählen, empörte — indignirte — mich ſo, daß ich ſie nur anſah, etwas ſchwieg, und dann etwas Dummes ſagte; anſtatt ihr zu erwiedern: je vielfältiger dieſe innere Welt ſei, je mehr nehme ſie die äußere in Anſpruch, und jedes

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/422>, abgerufen am 27.11.2024.