in der wirblend-wankenden Welt machen. Künftig erfährst du Genaueres. Falsche Freundschaften aber, will ich von nun an wieder falsch behandlen! -- -- Nun aber seh' ich ein; ich kann nichts ändern. Und will mir das Härteste grade heraus sagen! Wie zögerte ich über meine Umgebung; und nun scheide ich doch! Tragisch bleibt's; fortdauernd seine innerste Natur hart behandlen zu müssen; und mit Umwegen nur ihr gewähren zu können. Dabei kann man nur lustig, wohlge- muth, oft ruhig, aber nicht glücklich sein; a la bonne heure! Meine Geschichte fängt früher an, als mit meinem Leben: und so geht's jedem, der's versteht. Nun sind wir bis an's Leben gekommen! von da geht's nach dem Existiren: das ist komisch und tragisch: nun sind wir an der Kunst; die muß man verstehen; machen, und zusehen; und das wollen wir: warum? weil's nicht anders geht; und, nun? möchte ich für mein Leben gern eine lustige Ecossaise auf dem Papier hier spielen, die ich im Kopfe habe, um zu zeigen es geht von vorne an. Adieu! -- Neumann gewöhnt sich sehr zu mir, er kömmt meist alle zwei Abende, oder auch manchmal hinterein- ander: die Zeit beugt ihn: ich kann ihn etwas erheitern: ich bedaure immer Leute, die keine andere Ressource als mich ha- ben. Er ist ganz naiv mit mir: er will mich über alles aus- fragen, weil er sieht, daß ich so aufrichtig bin: dann muß ich ihn ordentlich auslachen: dann lacht er mit. Gestern bei Tische ließ ich sie recht viel lachen, Alle: und applaudirte mich selbst nicht wenig. -- Dein Landschäftchen erinnert einen ordentlich an Land! --
in der wirblend-wankenden Welt machen. Künftig erfährſt du Genaueres. Falſche Freundſchaften aber, will ich von nun an wieder falſch behandlen! — — Nun aber ſeh’ ich ein; ich kann nichts ändern. Und will mir das Härteſte grade heraus ſagen! Wie zögerte ich über meine Umgebung; und nun ſcheide ich doch! Tragiſch bleibt’s; fortdauernd ſeine innerſte Natur hart behandlen zu müſſen; und mit Umwegen nur ihr gewähren zu können. Dabei kann man nur luſtig, wohlge- muth, oft ruhig, aber nicht glücklich ſein; à la bonne heure! Meine Geſchichte fängt früher an, als mit meinem Leben: und ſo geht’s jedem, der’s verſteht. Nun ſind wir bis an’s Leben gekommen! von da geht’s nach dem Exiſtiren: das iſt komiſch und tragiſch: nun ſind wir an der Kunſt; die muß man verſtehen; machen, und zuſehen; und das wollen wir: warum? weil’s nicht anders geht; und, nun? möchte ich für mein Leben gern eine luſtige Ecoſſaiſe auf dem Papier hier ſpielen, die ich im Kopfe habe, um zu zeigen es geht von vorne an. Adieu! — Neumann gewöhnt ſich ſehr zu mir, er kömmt meiſt alle zwei Abende, oder auch manchmal hinterein- ander: die Zeit beugt ihn: ich kann ihn etwas erheitern: ich bedaure immer Leute, die keine andere Reſſource als mich ha- ben. Er iſt ganz naiv mit mir: er will mich über alles aus- fragen, weil er ſieht, daß ich ſo aufrichtig bin: dann muß ich ihn ordentlich auslachen: dann lacht er mit. Geſtern bei Tiſche ließ ich ſie recht viel lachen, Alle: und applaudirte mich ſelbſt nicht wenig. — Dein Landſchäftchen erinnert einen ordentlich an Land! —
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in der wirblend-wankenden Welt machen. Künftig erfährſt
du Genaueres. Falſche Freundſchaften aber, will ich von nun
an wieder falſch behandlen! — — Nun aber ſeh’ ich ein; ich
kann nichts ändern. Und will mir das Härteſte grade heraus
ſagen! Wie zögerte ich über meine Umgebung; und nun
ſcheide ich doch! Tragiſch bleibt’s; fortdauernd ſeine innerſte
Natur hart behandlen zu müſſen; und mit Umwegen nur ihr
gewähren zu können. Dabei kann man nur luſtig, wohlge-
muth, oft ruhig, aber nicht glücklich ſein; à la bonne heure!
Meine Geſchichte fängt früher an, als mit meinem Leben:
und ſo geht’s jedem, der’s verſteht. Nun ſind wir bis an’s
Leben gekommen! von da geht’s nach dem Exiſtiren: das iſt
komiſch und tragiſch: nun ſind wir an der Kunſt; die muß
man verſtehen; machen, und zuſehen; und das wollen wir:
warum? weil’s nicht anders geht; und, nun? möchte ich für
mein Leben gern eine luſtige Ecoſſaiſe auf dem Papier hier
ſpielen, die ich im Kopfe habe, um zu zeigen es geht von
vorne an. Adieu! — Neumann gewöhnt ſich ſehr zu mir, er
kömmt meiſt alle zwei Abende, oder auch manchmal hinterein-
ander: die Zeit beugt ihn: ich kann ihn etwas erheitern: ich
bedaure immer Leute, die keine andere Reſſource als mich ha-
ben. Er iſt ganz naiv mit mir: er will mich über alles aus-
fragen, weil er ſieht, daß ich ſo aufrichtig bin: dann muß ich
ihn ordentlich auslachen: dann lacht er mit. Geſtern bei
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/420>, abgerufen am 27.11.2024.
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