Sommerwetter -- er sei zu verdrießlich; ich war gestern, weil die Stadt wegschwimmen wollte, und ich zu thun hatte, gar nicht dort; flugs, zog ich mich an, und watete hin. Robert aber fuhr nicht; Chamisso und Hitzig kamen bald: mit denen redete er auch nicht; Hitzig sprach mit mir; der protegirt mich sehr. Dann suchte mich Humboldt dort auf, mit seinem zwölf- jährigen Sohne, den er nur Sonntags aus einer Pestalozzi- schen Lehranstalt nimmt; mit denen ging ich weg, und bei der Guten heran. Nun bin ich hier und soll mich sammlen, soll zusammen scharren, was schon in meinem Kopf viel besser zu- sammen stand. Habe Einsicht darüber, dann wirst du Nach- sicht haben. -- Nun von uns, Lieber! Deine äußere Lage, und wie die das innere Sein bedingt, habe ich wohl nicht vergessen; und sogar erwähnt. Sagte ich nicht, wenn wir nur Geld hätten, es wäre alles anders: und wissen wir nicht ohne alle Erwähnung, daß Stand ein Stück Geld, oder die Bahn dazu ist? -- -- Ich irrte mich. Weder du noch ich, werden sich ändern: ich handelte in meinem alten Irrwahn; wieder meinend, Festes könne Festes um sich her bilden; und der Evidenz der Einsicht müsse jeder Sinn weichen: und es ist grade nur die Natur des meinigen. Die Einsicht wird dir; und das Gemüth läuft einen andern Gang, wie ein Fluß; Gott weiß von welcher Erdkrümmung, von welchem Planeten getrieben! -- Ich irrte mich wieder; ich wollte wieder etwas machen. Das kann ich durchaus nicht: vielleicht Andere auch nicht. Und es ist dumm, sich zu fürchten; ist jetzt nicht auch Zukunft? diese will man immer so schön, so sicher haben. Liebt' ich dich doch schon schwankend; warum will ich's für
Sommerwetter — er ſei zu verdrießlich; ich war geſtern, weil die Stadt wegſchwimmen wollte, und ich zu thun hatte, gar nicht dort; flugs, zog ich mich an, und watete hin. Robert aber fuhr nicht; Chamiſſo und Hitzig kamen bald: mit denen redete er auch nicht; Hitzig ſprach mit mir; der protegirt mich ſehr. Dann ſuchte mich Humboldt dort auf, mit ſeinem zwölf- jährigen Sohne, den er nur Sonntags aus einer Peſtalozzi- ſchen Lehranſtalt nimmt; mit denen ging ich weg, und bei der Guten heran. Nun bin ich hier und ſoll mich ſammlen, ſoll zuſammen ſcharren, was ſchon in meinem Kopf viel beſſer zu- ſammen ſtand. Habe Einſicht darüber, dann wirſt du Nach- ſicht haben. — Nun von uns, Lieber! Deine äußere Lage, und wie die das innere Sein bedingt, habe ich wohl nicht vergeſſen; und ſogar erwähnt. Sagte ich nicht, wenn wir nur Geld hätten, es wäre alles anders: und wiſſen wir nicht ohne alle Erwähnung, daß Stand ein Stück Geld, oder die Bahn dazu iſt? — — Ich irrte mich. Weder du noch ich, werden ſich ändern: ich handelte in meinem alten Irrwahn; wieder meinend, Feſtes könne Feſtes um ſich her bilden; und der Evidenz der Einſicht müſſe jeder Sinn weichen: und es iſt grade nur die Natur des meinigen. Die Einſicht wird dir; und das Gemüth läuft einen andern Gang, wie ein Fluß; Gott weiß von welcher Erdkrümmung, von welchem Planeten getrieben! — Ich irrte mich wieder; ich wollte wieder etwas machen. Das kann ich durchaus nicht: vielleicht Andere auch nicht. Und es iſt dumm, ſich zu fürchten; iſt jetzt nicht auch Zukunft? dieſe will man immer ſo ſchön, ſo ſicher haben. Liebt’ ich dich doch ſchon ſchwankend; warum will ich’s für
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Sommerwetter — er ſei zu verdrießlich; ich war geſtern, weil
die Stadt wegſchwimmen wollte, und ich zu thun hatte, gar
nicht dort; flugs, zog ich mich an, und watete hin. Robert
aber fuhr nicht; Chamiſſo und Hitzig kamen bald: mit denen
redete er auch nicht; Hitzig ſprach mit mir; der protegirt mich
ſehr. Dann ſuchte mich Humboldt dort auf, mit ſeinem zwölf-
jährigen Sohne, den er nur Sonntags aus einer Peſtalozzi-
ſchen Lehranſtalt nimmt; mit denen ging ich weg, und bei der
Guten heran. Nun bin ich hier und ſoll mich ſammlen, ſoll
zuſammen ſcharren, was ſchon in meinem Kopf viel beſſer zu-
ſammen ſtand. Habe Einſicht darüber, dann wirſt du Nach-
ſicht haben. — Nun von uns, Lieber! Deine äußere Lage,
und wie die das innere Sein bedingt, habe ich wohl nicht
vergeſſen; und ſogar erwähnt. Sagte ich nicht, wenn wir
nur Geld hätten, es wäre alles anders: und wiſſen wir nicht
ohne alle Erwähnung, daß Stand ein Stück Geld, oder die
Bahn dazu iſt? — — Ich irrte mich. Weder du noch ich,
werden ſich ändern: ich handelte in meinem alten Irrwahn;
wieder meinend, Feſtes könne Feſtes um ſich her bilden; und
der Evidenz der Einſicht müſſe jeder Sinn weichen: und es
iſt grade nur die Natur des meinigen. Die Einſicht wird
dir; und das Gemüth läuft einen andern Gang, wie ein Fluß;
Gott weiß von welcher Erdkrümmung, von welchem Planeten
getrieben! — Ich irrte mich wieder; ich wollte wieder etwas
machen. Das kann ich durchaus nicht: vielleicht Andere auch
nicht. Und es iſt dumm, ſich zu fürchten; iſt jetzt nicht auch
Zukunft? dieſe will man immer ſo ſchön, ſo ſicher haben.
Liebt’ ich dich doch ſchon ſchwankend; warum will ich’s für
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/409>, abgerufen am 28.11.2024.
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