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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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mit der unerbittlichen Allgewalt des Unglücks abgetödtet ist:
daß ihr erster Schmerz sich auch von neuem nur dahin wandte
und gestaltete, den letzten Pulsschlag zu tödten. Aber welche
Angst, welche Sorge erwachte, und wüthete in ihr für das
Kind! Sie kann sich wenig mit Worten und mit der Schrift
äußern -- und jeder Schmerz kehrt in sie selbst zurück. Ich
sah es, und hätte vergehen mögen! Was auch hätte sie von
diesem feigen Manne nicht zu erwarten! seine Feigheit ist ja
so gediegen, daß sie Grausamkeit ist. Auf sein machtloses
Herz ist nicht zu rechnen; gebrauchen wir also seine Furcht
vor eclat; Cäcilie hat Briefe, die ihn vielleicht vor Gericht
zu nichts zwingen können, ihn aber in den Augen aller Recht-
lichen so darstellen, daß er davor zittert. Da ihn Gott so
schwach unter unsere Augen gebracht hat, so nutze man für
dies arme Kind, welches er Bastard in seinem Herzen nennt,
und welches aus dessen Blute ist, seine Schwäche! Sprechen
Sie, Gräfin, Worte des Ernstes zu ihm. Sie muß er hören,
schätzen und fürchten, Ihnen muß er sich gleich stellen! Sie
sind ihm an männlicher Kraft und Muth und Rechtschaffen-
heit überlegen. Er denkt, spricht und schreibt nicht besser und
richtiger als Sie. Bei weitem. Ihren Wandel kennt die
Welt, die, wie sie auch zusammengesetzt ist, nach zehn Jahren
immer die verflossenen richtig beurtheilt. Sie sind ihm an
Macht und Geburt in der Gesellschaft gleich; Sie sind schon
die einmalige Beschützerin, der wahre Ritter dieser beiden un-
glücklichen Femellen -- Weiber drückt mir noch nicht alles
aus! Sprechen Sie zu dem vergessenen Manne. Und da er
Cäcilien das Herz gebrochen und vernichtet hat; daß er sein

I. 23

mit der unerbittlichen Allgewalt des Unglücks abgetödtet iſt:
daß ihr erſter Schmerz ſich auch von neuem nur dahin wandte
und geſtaltete, den letzten Pulsſchlag zu tödten. Aber welche
Angſt, welche Sorge erwachte, und wüthete in ihr für das
Kind! Sie kann ſich wenig mit Worten und mit der Schrift
äußern — und jeder Schmerz kehrt in ſie ſelbſt zurück. Ich
ſah es, und hätte vergehen mögen! Was auch hätte ſie von
dieſem feigen Manne nicht zu erwarten! ſeine Feigheit iſt ja
ſo gediegen, daß ſie Grauſamkeit iſt. Auf ſein machtloſes
Herz iſt nicht zu rechnen; gebrauchen wir alſo ſeine Furcht
vor éclat; Cäcilie hat Briefe, die ihn vielleicht vor Gericht
zu nichts zwingen können, ihn aber in den Augen aller Recht-
lichen ſo darſtellen, daß er davor zittert. Da ihn Gott ſo
ſchwach unter unſere Augen gebracht hat, ſo nutze man für
dies arme Kind, welches er Baſtard in ſeinem Herzen nennt,
und welches aus deſſen Blute iſt, ſeine Schwäche! Sprechen
Sie, Gräfin, Worte des Ernſtes zu ihm. Sie muß er hören,
ſchätzen und fürchten, Ihnen muß er ſich gleich ſtellen! Sie
ſind ihm an männlicher Kraft und Muth und Rechtſchaffen-
heit überlegen. Er denkt, ſpricht und ſchreibt nicht beſſer und
richtiger als Sie. Bei weitem. Ihren Wandel kennt die
Welt, die, wie ſie auch zuſammengeſetzt iſt, nach zehn Jahren
immer die verfloſſenen richtig beurtheilt. Sie ſind ihm an
Macht und Geburt in der Geſellſchaft gleich; Sie ſind ſchon
die einmalige Beſchützerin, der wahre Ritter dieſer beiden un-
glücklichen Femellen — Weiber drückt mir noch nicht alles
aus! Sprechen Sie zu dem vergeſſenen Manne. Und da er
Cäcilien das Herz gebrochen und vernichtet hat; daß er ſein

I. 23
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[353/0367] mit der unerbittlichen Allgewalt des Unglücks abgetödtet iſt: daß ihr erſter Schmerz ſich auch von neuem nur dahin wandte und geſtaltete, den letzten Pulsſchlag zu tödten. Aber welche Angſt, welche Sorge erwachte, und wüthete in ihr für das Kind! Sie kann ſich wenig mit Worten und mit der Schrift äußern — und jeder Schmerz kehrt in ſie ſelbſt zurück. Ich ſah es, und hätte vergehen mögen! Was auch hätte ſie von dieſem feigen Manne nicht zu erwarten! ſeine Feigheit iſt ja ſo gediegen, daß ſie Grauſamkeit iſt. Auf ſein machtloſes Herz iſt nicht zu rechnen; gebrauchen wir alſo ſeine Furcht vor éclat; Cäcilie hat Briefe, die ihn vielleicht vor Gericht zu nichts zwingen können, ihn aber in den Augen aller Recht- lichen ſo darſtellen, daß er davor zittert. Da ihn Gott ſo ſchwach unter unſere Augen gebracht hat, ſo nutze man für dies arme Kind, welches er Baſtard in ſeinem Herzen nennt, und welches aus deſſen Blute iſt, ſeine Schwäche! Sprechen Sie, Gräfin, Worte des Ernſtes zu ihm. Sie muß er hören, ſchätzen und fürchten, Ihnen muß er ſich gleich ſtellen! Sie ſind ihm an männlicher Kraft und Muth und Rechtſchaffen- heit überlegen. Er denkt, ſpricht und ſchreibt nicht beſſer und richtiger als Sie. Bei weitem. Ihren Wandel kennt die Welt, die, wie ſie auch zuſammengeſetzt iſt, nach zehn Jahren immer die verfloſſenen richtig beurtheilt. Sie ſind ihm an Macht und Geburt in der Geſellſchaft gleich; Sie ſind ſchon die einmalige Beſchützerin, der wahre Ritter dieſer beiden un- glücklichen Femellen — Weiber drückt mir noch nicht alles aus! Sprechen Sie zu dem vergeſſenen Manne. Und da er Cäcilien das Herz gebrochen und vernichtet hat; daß er ſein I. 23

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/367>, abgerufen am 22.12.2024.