Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Gedanken; wie bei Ihnen das Gegentheil auch nur durch
einen Gedanken, Auch wiederhole ich, was ich schon gesagt
habe: sogar gesund werden Personen, wie wir, nur wenn sie
den höchsten Ekel vor Kranksein fassen; wenn sie durchdrun-
gen davon sind, daß Gesundsein höchst liebenswürdig ist. Sie
können sich meinen Drang nicht denken: mit einem Trank
möchte ich Ihnen diese Überzeugung eingeben! Aber es ge-
lingt, ich bin sicher! Sein Sie nur recht kokett!

Montag, den 14. Bis hieher hatte ich schon gestern
Abend geschrieben; aber dann bekam ich, wie aus blauer Luft
plötzlich einen Fieberanfall: er dauerte bis 2 in der Nacht;
mit allem Zubehör, außer Kopfweh; ich erspare Ihnen die
Beschreibung! bitte Sie aber, heute nicht zu kommen, ich bin
ihn mir als den dritten Tag gewärtig, und diesmal außer-
ordentlich schreckhaft dabei: mit Lachen und Weinen. Mor-
gen ist's vorbei; und dann besuchen Sie mich: das geringste
Erblassen, jedes Zucken von Ihnen, würde mich unleidlich
machen. Gestalten hinderten und erschreckten mich gestern
bis zu Herzklopfen und Schweiß. Ich habe ein Bad genom-
men; fühle aber schon jetzt, daß ich's heute Abend noch habe.
Sehen Sie auch meine verschiedene Hände.

Ich habe Ihren Brief gelesen, und schicke meinen doch
ab! Eben schrieb ich Ihnen meine Gesundheit ab, als ich
Ihren erhielt. Fassen Sie sich: denken Sie nicht immer an
Tollheit; es kann eine Liebhaberei werden. Zerstreuung! Mir
wird der Kopf immer schwerer! Kommen Sie morgen! Ich
bin ja sanft, dünkt mich; sanfter kann ich auch nicht sein:
ich verstehe nur das zu sagen, was ich denke, anderes sehr

Gedanken; wie bei Ihnen das Gegentheil auch nur durch
einen Gedanken, Auch wiederhole ich, was ich ſchon geſagt
habe: ſogar geſund werden Perſonen, wie wir, nur wenn ſie
den höchſten Ekel vor Krankſein faſſen; wenn ſie durchdrun-
gen davon ſind, daß Geſundſein höchſt liebenswürdig iſt. Sie
können ſich meinen Drang nicht denken: mit einem Trank
möchte ich Ihnen dieſe Überzeugung eingeben! Aber es ge-
lingt, ich bin ſicher! Sein Sie nur recht kokett!

Montag, den 14. Bis hieher hatte ich ſchon geſtern
Abend geſchrieben; aber dann bekam ich, wie aus blauer Luft
plötzlich einen Fieberanfall: er dauerte bis 2 in der Nacht;
mit allem Zubehör, außer Kopfweh; ich erſpare Ihnen die
Beſchreibung! bitte Sie aber, heute nicht zu kommen, ich bin
ihn mir als den dritten Tag gewärtig, und diesmal außer-
ordentlich ſchreckhaft dabei: mit Lachen und Weinen. Mor-
gen iſt’s vorbei; und dann beſuchen Sie mich: das geringſte
Erblaſſen, jedes Zucken von Ihnen, würde mich unleidlich
machen. Geſtalten hinderten und erſchreckten mich geſtern
bis zu Herzklopfen und Schweiß. Ich habe ein Bad genom-
men; fühle aber ſchon jetzt, daß ich’s heute Abend noch habe.
Sehen Sie auch meine verſchiedene Hände.

Ich habe Ihren Brief geleſen, und ſchicke meinen doch
ab! Eben ſchrieb ich Ihnen meine Geſundheit ab, als ich
Ihren erhielt. Faſſen Sie ſich: denken Sie nicht immer an
Tollheit; es kann eine Liebhaberei werden. Zerſtreuung! Mir
wird der Kopf immer ſchwerer! Kommen Sie morgen! Ich
bin ja ſanft, dünkt mich; ſanfter kann ich auch nicht ſein:
ich verſtehe nur das zu ſagen, was ich denke, anderes ſehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0340" n="326"/>
Gedanken; wie bei Ihnen das Gegentheil auch nur durch<lb/>
einen Gedanken, Auch wiederhole ich, was ich &#x017F;chon ge&#x017F;agt<lb/>
habe: &#x017F;ogar ge&#x017F;und werden Per&#x017F;onen, wie wir, nur wenn &#x017F;ie<lb/>
den höch&#x017F;ten Ekel vor Krank&#x017F;ein fa&#x017F;&#x017F;en; wenn &#x017F;ie durchdrun-<lb/>
gen davon &#x017F;ind, daß Ge&#x017F;und&#x017F;ein höch&#x017F;t liebenswürdig i&#x017F;t. Sie<lb/>
können &#x017F;ich meinen Drang nicht denken: mit einem <hi rendition="#g">Trank</hi><lb/>
möchte ich Ihnen die&#x017F;e Überzeugung eingeben! Aber es ge-<lb/>
lingt, ich bin &#x017F;icher! Sein Sie nur recht kokett!</p><lb/>
          <p>Montag, den 14. Bis hieher hatte ich &#x017F;chon ge&#x017F;tern<lb/>
Abend ge&#x017F;chrieben; aber dann bekam ich, wie aus blauer Luft<lb/>
plötzlich einen Fieberanfall: er dauerte bis 2 in der Nacht;<lb/>
mit <hi rendition="#g">allem</hi> Zubehör, außer Kopfweh; ich er&#x017F;pare Ihnen die<lb/>
Be&#x017F;chreibung! bitte Sie aber, heute nicht zu kommen, ich bin<lb/>
ihn mir als den <hi rendition="#g">dritten</hi> Tag gewärtig, und diesmal außer-<lb/>
ordentlich &#x017F;chreckhaft dabei: mit Lachen und Weinen. Mor-<lb/>
gen i&#x017F;t&#x2019;s vorbei; und <hi rendition="#g">dann</hi> be&#x017F;uchen Sie mich: das gering&#x017F;te<lb/>
Erbla&#x017F;&#x017F;en, jedes Zucken von Ihnen, würde mich unleidlich<lb/>
machen. <hi rendition="#g">Ge&#x017F;talten</hi> hinderten und er&#x017F;chreckten mich ge&#x017F;tern<lb/>
bis zu Herzklopfen und Schweiß. Ich habe ein Bad genom-<lb/>
men; fühle aber &#x017F;chon jetzt, daß ich&#x2019;s heute Abend noch habe.<lb/>
Sehen Sie auch meine ver&#x017F;chiedene Hände.</p><lb/>
          <p>Ich habe Ihren Brief gele&#x017F;en, und &#x017F;chicke meinen doch<lb/>
ab! Eben &#x017F;chrieb ich Ihnen meine Ge&#x017F;undheit ab, als ich<lb/>
Ihren erhielt. Fa&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;ich: denken Sie nicht immer an<lb/>
Tollheit; es kann eine Liebhaberei werden. Zer&#x017F;treuung! Mir<lb/>
wird der Kopf immer &#x017F;chwerer! Kommen Sie morgen! Ich<lb/><hi rendition="#g">bin</hi> ja &#x017F;anft, dünkt mich; &#x017F;anfter kann ich auch nicht &#x017F;ein:<lb/>
ich ver&#x017F;tehe nur das zu &#x017F;agen, was ich denke, anderes &#x017F;ehr<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0340] Gedanken; wie bei Ihnen das Gegentheil auch nur durch einen Gedanken, Auch wiederhole ich, was ich ſchon geſagt habe: ſogar geſund werden Perſonen, wie wir, nur wenn ſie den höchſten Ekel vor Krankſein faſſen; wenn ſie durchdrun- gen davon ſind, daß Geſundſein höchſt liebenswürdig iſt. Sie können ſich meinen Drang nicht denken: mit einem Trank möchte ich Ihnen dieſe Überzeugung eingeben! Aber es ge- lingt, ich bin ſicher! Sein Sie nur recht kokett! Montag, den 14. Bis hieher hatte ich ſchon geſtern Abend geſchrieben; aber dann bekam ich, wie aus blauer Luft plötzlich einen Fieberanfall: er dauerte bis 2 in der Nacht; mit allem Zubehör, außer Kopfweh; ich erſpare Ihnen die Beſchreibung! bitte Sie aber, heute nicht zu kommen, ich bin ihn mir als den dritten Tag gewärtig, und diesmal außer- ordentlich ſchreckhaft dabei: mit Lachen und Weinen. Mor- gen iſt’s vorbei; und dann beſuchen Sie mich: das geringſte Erblaſſen, jedes Zucken von Ihnen, würde mich unleidlich machen. Geſtalten hinderten und erſchreckten mich geſtern bis zu Herzklopfen und Schweiß. Ich habe ein Bad genom- men; fühle aber ſchon jetzt, daß ich’s heute Abend noch habe. Sehen Sie auch meine verſchiedene Hände. Ich habe Ihren Brief geleſen, und ſchicke meinen doch ab! Eben ſchrieb ich Ihnen meine Geſundheit ab, als ich Ihren erhielt. Faſſen Sie ſich: denken Sie nicht immer an Tollheit; es kann eine Liebhaberei werden. Zerſtreuung! Mir wird der Kopf immer ſchwerer! Kommen Sie morgen! Ich bin ja ſanft, dünkt mich; ſanfter kann ich auch nicht ſein: ich verſtehe nur das zu ſagen, was ich denke, anderes ſehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/340
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/340>, abgerufen am 24.11.2024.