Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

noch gewiß -- und wie sollte ich dabei schlechter werden? --
es hat noch immer keines Menschen Meinung, in keiner Sache,
unter keinen Umständen, Einfluß auf meine Gedanken, und
hat es bis jetzt niemand gehabt. Das kann ich mit der hei-
ligsten Untersuchung versichern! Damit müssen Sie zufrie-
den sein: und mich ewig lieben. Ich bin auch von Ihnen
so überzeugt, wie von mir selbst. Nur sehen möcht' ich Sie
wieder! Sie mich auch? ganz besonders gern? Sie sollten.
Könnt' ich Ihnen nur gegenwärtig werden, wie Sie mir!

Wissen Sie denn etwas von Bokelmann? Wissen Sie
denn, daß er viel von Ihnen weiß? Weisen Sie diese Fra-
gen ganz von sich ab, wenn ich Unrecht habe, ich nehme sie
denn auch zurück: sie gründen sich nur noch auf mein Über-
gewicht und meine Autorität, die ich sonst in solchen Stücken
über Sie hatte; und zum Theil -- doch das fällt mir jetzt
erst ein -- darauf, daß Sie ihn nicht zu mir schickten. Doch
dazu mögen Sie tausend Ursachen gehabt haben: und es ist
auch ohnehin so besser. Ich lernte ihn von ungefähr besser
kennen, und Sie waren der Vermittler. Auch glaub' ich steif
und fest, gewisse Menschen müssen sich kennen lernen; nicht
allein, wenn sie zusammen sind; sondern die Umstände müs-
sen
sie zusammen besorgen. Mein Aberglaube! Sie werden,
mit scharfem Geiste und geordneten Worten, genau zu be-
stimmen wissen, welch ein himmelweiter Unterschied zwischen
unsern Anlagen und unserer Ausbildung ist; ich weiß es, auch
ohne es sagen zu können, oder sagen zu mögen -- abfragen
könnt' ich mir's meisterhaft lassen --, und doch kann ich vor-
trefflich mit Bokelmann leben: er hat ein solch liebenswürdi-

noch gewiß — und wie ſollte ich dabei ſchlechter werden? —
es hat noch immer keines Menſchen Meinung, in keiner Sache,
unter keinen Umſtänden, Einfluß auf meine Gedanken, und
hat es bis jetzt niemand gehabt. Das kann ich mit der hei-
ligſten Unterſuchung verſichern! Damit müſſen Sie zufrie-
den ſein: und mich ewig lieben. Ich bin auch von Ihnen
ſo überzeugt, wie von mir ſelbſt. Nur ſehen möcht’ ich Sie
wieder! Sie mich auch? ganz beſonders gern? Sie ſollten.
Könnt’ ich Ihnen nur gegenwärtig werden, wie Sie mir!

Wiſſen Sie denn etwas von Bokelmann? Wiſſen Sie
denn, daß er viel von Ihnen weiß? Weiſen Sie dieſe Fra-
gen ganz von ſich ab, wenn ich Unrecht habe, ich nehme ſie
denn auch zurück: ſie gründen ſich nur noch auf mein Über-
gewicht und meine Autorität, die ich ſonſt in ſolchen Stücken
über Sie hatte; und zum Theil — doch das fällt mir jetzt
erſt ein — darauf, daß Sie ihn nicht zu mir ſchickten. Doch
dazu mögen Sie tauſend Urſachen gehabt haben: und es iſt
auch ohnehin ſo beſſer. Ich lernte ihn von ungefähr beſſer
kennen, und Sie waren der Vermittler. Auch glaub’ ich ſteif
und feſt, gewiſſe Menſchen müſſen ſich kennen lernen; nicht
allein, wenn ſie zuſammen ſind; ſondern die Umſtände müſ-
ſen
ſie zuſammen beſorgen. Mein Aberglaube! Sie werden,
mit ſcharfem Geiſte und geordneten Worten, genau zu be-
ſtimmen wiſſen, welch ein himmelweiter Unterſchied zwiſchen
unſern Anlagen und unſerer Ausbildung iſt; ich weiß es, auch
ohne es ſagen zu können, oder ſagen zu mögen — abfragen
könnt’ ich mir’s meiſterhaft laſſen —, und doch kann ich vor-
trefflich mit Bokelmann leben: er hat ein ſolch liebenswürdi-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0253" n="239"/>
noch gewiß &#x2014; und wie &#x017F;ollte ich <hi rendition="#g">da</hi>bei &#x017F;chlechter werden? &#x2014;<lb/>
es hat noch immer keines Men&#x017F;chen Meinung, in keiner Sache,<lb/>
unter keinen Um&#x017F;tänden, Einfluß auf meine Gedanken, und<lb/>
hat es bis jetzt niemand gehabt. Das kann ich mit der hei-<lb/>
lig&#x017F;ten Unter&#x017F;uchung ver&#x017F;ichern! Damit <hi rendition="#g">&#x017F;&#x017F;en</hi> Sie zufrie-<lb/>
den &#x017F;ein: und mich ewig lieben. Ich bin auch von Ihnen<lb/>
&#x017F;o überzeugt, wie von mir &#x017F;elb&#x017F;t. Nur &#x017F;ehen möcht&#x2019; ich Sie<lb/>
wieder! Sie mich auch? ganz be&#x017F;onders gern? Sie &#x017F;ollten.<lb/>
Könnt&#x2019; ich Ihnen nur gegenwärtig werden, wie Sie mir!</p><lb/>
          <p>Wi&#x017F;&#x017F;en Sie denn etwas von Bokelmann? Wi&#x017F;&#x017F;en Sie<lb/>
denn, daß er viel von Ihnen weiß? Wei&#x017F;en Sie die&#x017F;e Fra-<lb/>
gen ganz von &#x017F;ich ab, wenn ich Unrecht habe, ich nehme &#x017F;ie<lb/>
denn auch zurück: &#x017F;ie gründen &#x017F;ich nur noch auf mein Über-<lb/>
gewicht und meine Autorität, die ich &#x017F;on&#x017F;t in &#x017F;olchen Stücken<lb/>
über Sie hatte; und zum Theil &#x2014; doch das fällt mir jetzt<lb/>
er&#x017F;t ein &#x2014; darauf, daß Sie ihn nicht zu mir &#x017F;chickten. Doch<lb/>
dazu mögen Sie tau&#x017F;end Ur&#x017F;achen gehabt haben: und es i&#x017F;t<lb/>
auch ohnehin &#x017F;o be&#x017F;&#x017F;er. Ich lernte ihn von ungefähr be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
kennen, und Sie waren der Vermittler. Auch glaub&#x2019; ich &#x017F;teif<lb/>
und fe&#x017F;t, gewi&#x017F;&#x017F;e Men&#x017F;chen <hi rendition="#g">&#x017F;&#x017F;en</hi> &#x017F;ich kennen lernen; nicht<lb/>
allein, wenn &#x017F;ie zu&#x017F;ammen &#x017F;ind; &#x017F;ondern die Um&#x017F;tände <hi rendition="#g">&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en</hi> &#x017F;ie zu&#x017F;ammen be&#x017F;orgen. Mein Aberglaube! Sie werden,<lb/>
mit &#x017F;charfem Gei&#x017F;te und geordneten Worten, genau zu be-<lb/>
&#x017F;timmen wi&#x017F;&#x017F;en, welch ein himmelweiter Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen<lb/>
un&#x017F;ern Anlagen und un&#x017F;erer Ausbildung i&#x017F;t; ich weiß es, auch<lb/>
ohne es &#x017F;agen zu können, oder &#x017F;agen zu mögen &#x2014; abfragen<lb/>
könnt&#x2019; ich mir&#x2019;s mei&#x017F;terhaft la&#x017F;&#x017F;en &#x2014;, und doch kann ich vor-<lb/>
trefflich mit Bokelmann leben: er hat ein &#x017F;olch liebenswürdi-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0253] noch gewiß — und wie ſollte ich dabei ſchlechter werden? — es hat noch immer keines Menſchen Meinung, in keiner Sache, unter keinen Umſtänden, Einfluß auf meine Gedanken, und hat es bis jetzt niemand gehabt. Das kann ich mit der hei- ligſten Unterſuchung verſichern! Damit müſſen Sie zufrie- den ſein: und mich ewig lieben. Ich bin auch von Ihnen ſo überzeugt, wie von mir ſelbſt. Nur ſehen möcht’ ich Sie wieder! Sie mich auch? ganz beſonders gern? Sie ſollten. Könnt’ ich Ihnen nur gegenwärtig werden, wie Sie mir! Wiſſen Sie denn etwas von Bokelmann? Wiſſen Sie denn, daß er viel von Ihnen weiß? Weiſen Sie dieſe Fra- gen ganz von ſich ab, wenn ich Unrecht habe, ich nehme ſie denn auch zurück: ſie gründen ſich nur noch auf mein Über- gewicht und meine Autorität, die ich ſonſt in ſolchen Stücken über Sie hatte; und zum Theil — doch das fällt mir jetzt erſt ein — darauf, daß Sie ihn nicht zu mir ſchickten. Doch dazu mögen Sie tauſend Urſachen gehabt haben: und es iſt auch ohnehin ſo beſſer. Ich lernte ihn von ungefähr beſſer kennen, und Sie waren der Vermittler. Auch glaub’ ich ſteif und feſt, gewiſſe Menſchen müſſen ſich kennen lernen; nicht allein, wenn ſie zuſammen ſind; ſondern die Umſtände müſ- ſen ſie zuſammen beſorgen. Mein Aberglaube! Sie werden, mit ſcharfem Geiſte und geordneten Worten, genau zu be- ſtimmen wiſſen, welch ein himmelweiter Unterſchied zwiſchen unſern Anlagen und unſerer Ausbildung iſt; ich weiß es, auch ohne es ſagen zu können, oder ſagen zu mögen — abfragen könnt’ ich mir’s meiſterhaft laſſen —, und doch kann ich vor- trefflich mit Bokelmann leben: er hat ein ſolch liebenswürdi-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/253
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/253>, abgerufen am 25.11.2024.