nicht: nicht Schicksal, nicht Armuth, nicht so dergleichen. Aber! --
Wie ist dir? schreib' mir bald! du hast weinen müssen! Vielleicht hab' ich dir das Herz beschwert, aber ich kann nicht dafür. Bist du glücklich, so schadet's dir nicht, und bist du unglücklich, so hilfts. Stell dir vor! ich habe etwas enge Handschuh, die ich während dem Schreiben ausziehen mußte: nun habe ich bemerkt, daß meine Hände während dem so gelb geworden sind wie die Gelbsucht: so! affizir ich mich, -- ich ging auch hinaus, und brach mich etwas. Kennst du so et- was, außer mich? Sag einmal! wenn ich glücklich wäre? Wie ist dir? gefällt dir dein Haus, deine Zimmer, seine Lage, dein Tisch. Fühlst du dich verheirathet? Mama ist wohl ganz froh. Ich weiß gar nicht, wann ich komme; ich käme sehr ungern mit der Gräfin, und werde wohl müssen. Und wie ängstige ich mich vor Berlin. Da bin ich wieder einge- sperrt. Dabei freue ich mich auf Berlin; Hanne, die Zimmer -- und die fürchte ich auch, und wie -- und denn der Winter, alle Augenblicke der Winter! --
Grüße eine millionmal Mama! -- und sage ihr, ich gra- tulire ihr gewiß von Herzen! -- um so mehr, da ich ihr nie eine Freude machen konnte -- Gott wollte es nicht --, aber ich in ihrer Stelle würde großes Mitleid mit solchem Kinde haben. Doch soll sie nicht traurig über mich sein! ich erkenne alles was sie für mich thut, und danke ihr mit der größten Rührung: es ist um so mehr, da sie nicht so denkt, wie ich, und es doch thut. Sag' ihr nur, ich hätte das Schicksal der Nationen und der größten Männer vor Augen, die gehen
nicht: nicht Schickſal, nicht Armuth, nicht ſo dergleichen. Aber! —
Wie iſt dir? ſchreib’ mir bald! du haſt weinen müſſen! Vielleicht hab’ ich dir das Herz beſchwert, aber ich kann nicht dafür. Biſt du glücklich, ſo ſchadet’s dir nicht, und biſt du unglücklich, ſo hilfts. Stell dir vor! ich habe etwas enge Handſchuh, die ich während dem Schreiben ausziehen mußte: nun habe ich bemerkt, daß meine Hände während dem ſo gelb geworden ſind wie die Gelbſucht: ſo! affizir ich mich, — ich ging auch hinaus, und brach mich etwas. Kennſt du ſo et- was, außer mich? Sag einmal! wenn ich glücklich wäre? Wie iſt dir? gefällt dir dein Haus, deine Zimmer, ſeine Lage, dein Tiſch. Fühlſt du dich verheirathet? Mama iſt wohl ganz froh. Ich weiß gar nicht, wann ich komme; ich käme ſehr ungern mit der Gräfin, und werde wohl müſſen. Und wie ängſtige ich mich vor Berlin. Da bin ich wieder einge- ſperrt. Dabei freue ich mich auf Berlin; Hanne, die Zimmer — und die fürchte ich auch, und wie — und denn der Winter, alle Augenblicke der Winter! —
Grüße eine millionmal Mama! — und ſage ihr, ich gra- tulire ihr gewiß von Herzen! — um ſo mehr, da ich ihr nie eine Freude machen konnte — Gott wollte es nicht —, aber ich in ihrer Stelle würde großes Mitleid mit ſolchem Kinde haben. Doch ſoll ſie nicht traurig über mich ſein! ich erkenne alles was ſie für mich thut, und danke ihr mit der größten Rührung: es iſt um ſo mehr, da ſie nicht ſo denkt, wie ich, und es doch thut. Sag’ ihr nur, ich hätte das Schickſal der Nationen und der größten Männer vor Augen, die gehen
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nicht: nicht Schickſal, nicht Armuth, nicht ſo dergleichen.
Aber! —
Wie iſt dir? ſchreib’ mir bald! du haſt weinen müſſen!
Vielleicht hab’ ich dir das Herz beſchwert, aber ich kann nicht
dafür. Biſt du glücklich, ſo ſchadet’s dir nicht, und biſt du
unglücklich, ſo hilfts. Stell dir vor! ich habe etwas enge
Handſchuh, die ich während dem Schreiben ausziehen mußte:
nun habe ich bemerkt, daß meine Hände während dem ſo gelb
geworden ſind wie die Gelbſucht: ſo! affizir ich mich, — ich
ging auch hinaus, und brach mich etwas. Kennſt du ſo et-
was, außer mich? Sag einmal! wenn ich glücklich wäre?
Wie iſt dir? gefällt dir dein Haus, deine Zimmer, ſeine Lage,
dein Tiſch. Fühlſt du dich verheirathet? Mama iſt wohl
ganz froh. Ich weiß gar nicht, wann ich komme; ich käme
ſehr ungern mit der Gräfin, und werde wohl müſſen. Und
wie ängſtige ich mich vor Berlin. Da bin ich wieder einge-
ſperrt. Dabei freue ich mich auf Berlin; Hanne, die Zimmer
— und die fürchte ich auch, und wie — und denn der Winter,
alle Augenblicke der Winter! —
Grüße eine millionmal Mama! — und ſage ihr, ich gra-
tulire ihr gewiß von Herzen! — um ſo mehr, da ich ihr nie
eine Freude machen konnte — Gott wollte es nicht —, aber
ich in ihrer Stelle würde großes Mitleid mit ſolchem Kinde
haben. Doch ſoll ſie nicht traurig über mich ſein! ich erkenne
alles was ſie für mich thut, und danke ihr mit der größten
Rührung: es iſt um ſo mehr, da ſie nicht ſo denkt, wie ich,
und es doch thut. Sag’ ihr nur, ich hätte das Schickſal der
Nationen und der größten Männer vor Augen, die gehen
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/248>, abgerufen am 25.11.2024.
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