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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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trugen -- jede Mama hat solche -- oben am Halse durch
zwei Knopflöcher zu. Die Schärpen etwas breiter. Alles
was weiße Seide ist, muß sehr geblaut sein, sonst ist es gar
nicht frais; sowohl weißer Taffent zu Unter- und Oberklei-
der, als Taffent- und Atlasband. Es sieht auch gut zu Ro-
bengarnirung und Unterkleidern aus, der Musselin wird weiß
davon, und es ist frais. Nun weiß ich aber auch nichts
mehr! -- als dir Aufträge zu geben. (Theile alle Moden
Hans gleich mit.) Tausend, tausend Dank, daß du dir Sost-
manns Briefe aushändigen läßt; lies sie, siegle sie ein, mache
meine Aufschrift drauf, und gieb sie meiner Mutter. Du wirst
aus diesen Briefen sehen, daß ich in keinem Verhältniß mit
ihm war. Es ist mir bürgend für meine Bildung, daß ich
vor seinem Tode eben so als jetzt "Friede mit ihm!" dachte.
Er wollte mich sprechen, und machte dazu bei der Bernard
von weitem Manöver, eh er wegreiste; das konnte ich freilich
nicht: aber weil ich ihn krank und unruhig wußte, ließ ich
ihm die Hoffnung dazu nach seiner Reise nicht benehmen;
damit ihm das Bad anschlagen könne in völliger Ruhe. Das
sagt' ich der Bernard alles dazu. Versöhnter als im Leben
bin ich aber auch nicht; ein verwirrter harter Mann war
er; ob er's jetzt gleich nicht mehr ist. Eins begreife ich nicht,
wie man gegen Todte ungroßmüthig sein kann, wie die Alten
-- Barbaren --, die sie als Leichname herumschleppten u. dgl.
Der Tod ist uns Allen so gemein -- und ist eine solche harte
Pause! -- daß er uns mit Gewalt, die ganze Menschheit vor
die Augen rückt; und wie kann man dann noch, kleine Rache
oder irgend etwas Kleines wollen! (Auch diesen Artikel soll

trugen — jede Mama hat ſolche — oben am Halſe durch
zwei Knopflöcher zu. Die Schärpen etwas breiter. Alles
was weiße Seide iſt, muß ſehr geblaut ſein, ſonſt iſt es gar
nicht frais; ſowohl weißer Taffent zu Unter- und Oberklei-
der, als Taffent- und Atlasband. Es ſieht auch gut zu Ro-
bengarnirung und Unterkleidern aus, der Muſſelin wird weiß
davon, und es iſt frais. Nun weiß ich aber auch nichts
mehr! — als dir Aufträge zu geben. (Theile alle Moden
Hans gleich mit.) Tauſend, tauſend Dank, daß du dir Soſt-
manns Briefe aushändigen läßt; lies ſie, ſiegle ſie ein, mache
meine Aufſchrift drauf, und gieb ſie meiner Mutter. Du wirſt
aus dieſen Briefen ſehen, daß ich in keinem Verhältniß mit
ihm war. Es iſt mir bürgend für meine Bildung, daß ich
vor ſeinem Tode eben ſo als jetzt „Friede mit ihm!“ dachte.
Er wollte mich ſprechen, und machte dazu bei der Bernard
von weitem Manöver, eh er wegreiſte; das konnte ich freilich
nicht: aber weil ich ihn krank und unruhig wußte, ließ ich
ihm die Hoffnung dazu nach ſeiner Reiſe nicht benehmen;
damit ihm das Bad anſchlagen könne in völliger Ruhe. Das
ſagt’ ich der Bernard alles dazu. Verſöhnter als im Leben
bin ich aber auch nicht; ein verwirrter harter Mann war
er; ob er’s jetzt gleich nicht mehr iſt. Eins begreife ich nicht,
wie man gegen Todte ungroßmüthig ſein kann, wie die Alten
— Barbaren —, die ſie als Leichname herumſchleppten u. dgl.
Der Tod iſt uns Allen ſo gemein — und iſt eine ſolche harte
Pauſe! — daß er uns mit Gewalt, die ganze Menſchheit vor
die Augen rückt; und wie kann man dann noch, kleine Rache
oder irgend etwas Kleines wollen! (Auch dieſen Artikel ſoll

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[221/0235] trugen — jede Mama hat ſolche — oben am Halſe durch zwei Knopflöcher zu. Die Schärpen etwas breiter. Alles was weiße Seide iſt, muß ſehr geblaut ſein, ſonſt iſt es gar nicht frais; ſowohl weißer Taffent zu Unter- und Oberklei- der, als Taffent- und Atlasband. Es ſieht auch gut zu Ro- bengarnirung und Unterkleidern aus, der Muſſelin wird weiß davon, und es iſt frais. Nun weiß ich aber auch nichts mehr! — als dir Aufträge zu geben. (Theile alle Moden Hans gleich mit.) Tauſend, tauſend Dank, daß du dir Soſt- manns Briefe aushändigen läßt; lies ſie, ſiegle ſie ein, mache meine Aufſchrift drauf, und gieb ſie meiner Mutter. Du wirſt aus dieſen Briefen ſehen, daß ich in keinem Verhältniß mit ihm war. Es iſt mir bürgend für meine Bildung, daß ich vor ſeinem Tode eben ſo als jetzt „Friede mit ihm!“ dachte. Er wollte mich ſprechen, und machte dazu bei der Bernard von weitem Manöver, eh er wegreiſte; das konnte ich freilich nicht: aber weil ich ihn krank und unruhig wußte, ließ ich ihm die Hoffnung dazu nach ſeiner Reiſe nicht benehmen; damit ihm das Bad anſchlagen könne in völliger Ruhe. Das ſagt’ ich der Bernard alles dazu. Verſöhnter als im Leben bin ich aber auch nicht; ein verwirrter harter Mann war er; ob er’s jetzt gleich nicht mehr iſt. Eins begreife ich nicht, wie man gegen Todte ungroßmüthig ſein kann, wie die Alten — Barbaren —, die ſie als Leichname herumſchleppten u. dgl. Der Tod iſt uns Allen ſo gemein — und iſt eine ſolche harte Pauſe! — daß er uns mit Gewalt, die ganze Menſchheit vor die Augen rückt; und wie kann man dann noch, kleine Rache oder irgend etwas Kleines wollen! (Auch dieſen Artikel ſoll

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/235>, abgerufen am 26.11.2024.