zusammengeängstet, in Verzweiflung gern seine Existenz gegeben hätte, um nicht schmerzfähig zu sein: wenn man al- les, die ganze Natur, für grausam gehalten hat. Nun hab' ich zwei Ansichten der Welt -- wehe! -- und die mir am natürlichsten ist, die natürliche, ist eine künstliche geworden! Wehe! wehe! O! verstehst du das?! Wie viel Frauen kön- nen wohl dadurch unglücklich werden? und die dummen Dir- nen sprechen alle. Dabei, steh' ich der Welt -- man sagt sonst umgekehrt, "die Welt mir" -- noch offen: die ganze Skala steht da; und läßt sich reiner angeben, vielfältiger, williger, als bei irgend einem Geschöpf, das ich kenne.
Grüße L.! sag' ihm, ich erbete auch Glück für ihn: er irre sich: beurtheilen könne er mich durch Studiren nicht. Ich könne noch glücklich sein.
Ich verliere diesen Winter an Berlin den schönsten Auf- enthalt in der mir bekannten Welt. Humboldts, Burgsdorf, du und noch ein Freund und Jean Paul Friedrich Richter kommen nach Berlin, um zu wohnen. Zeig Richtern, aber nur er wisse das, meinen vorigen und diesen Brief. Er hat gewünscht, Briefe von mir zu sehen. Zeig ihm auch lustige. Er soll mich mehr kennen, ich wünsche es, weil es mir wohl- thut und schmeichelt: und weil er mich kennen soll; so et- was ist ihm noch nicht vorgekommen; er mußt' es sich aus- denken. Ich zeig ihm das, wie ein Spektakel, wie die Mar- chetti. (Wenn er denkt, ich präparire und affektire, so irrt er plump.) Ich hätte es gern gleich gethan, aber es ist schwerer, als ein Komödienbillet nehmen; und auch jetzt sieht er nur eine Dekoration. Nichts von Lustspielen, Balleten, und den
zuſammengeängſtet, in Verzweiflung gern ſeine Exiſtenz gegeben hätte, um nicht ſchmerzfähig zu ſein: wenn man al- les, die ganze Natur, für grauſam gehalten hat. Nun hab’ ich zwei Anſichten der Welt — wehe! — und die mir am natürlichſten iſt, die natürliche, iſt eine künſtliche geworden! Wehe! wehe! O! verſtehſt du das?! Wie viel Frauen kön- nen wohl dadurch unglücklich werden? und die dummen Dir- nen ſprechen alle. Dabei, ſteh’ ich der Welt — man ſagt ſonſt umgekehrt, „die Welt mir“ — noch offen: die ganze Skala ſteht da; und läßt ſich reiner angeben, vielfältiger, williger, als bei irgend einem Geſchöpf, das ich kenne.
Grüße L.! ſag’ ihm, ich erbete auch Glück für ihn: er irre ſich: beurtheilen könne er mich durch Studiren nicht. Ich könne noch glücklich ſein.
Ich verliere dieſen Winter an Berlin den ſchönſten Auf- enthalt in der mir bekannten Welt. Humboldts, Burgsdorf, du und noch ein Freund und Jean Paul Friedrich Richter kommen nach Berlin, um zu wohnen. Zeig Richtern, aber nur er wiſſe das, meinen vorigen und dieſen Brief. Er hat gewünſcht, Briefe von mir zu ſehen. Zeig ihm auch luſtige. Er ſoll mich mehr kennen, ich wünſche es, weil es mir wohl- thut und ſchmeichelt: und weil er mich kennen ſoll; ſo et- was iſt ihm noch nicht vorgekommen; er mußt’ es ſich aus- denken. Ich zeig ihm das, wie ein Spektakel, wie die Mar- chetti. (Wenn er denkt, ich präparire und affektire, ſo irrt er plump.) Ich hätte es gern gleich gethan, aber es iſt ſchwerer, als ein Komödienbillet nehmen; und auch jetzt ſieht er nur eine Dekoration. Nichts von Luſtſpielen, Balleten, und den
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zuſammengeängſtet, in Verzweiflung gern ſeine Exiſtenz
gegeben hätte, um nicht ſchmerzfähig zu ſein: wenn man al-
les, die ganze Natur, für grauſam gehalten hat. Nun
hab’ ich zwei Anſichten der Welt — wehe! — und die mir
am natürlichſten iſt, die natürliche, iſt eine künſtliche geworden!
Wehe! wehe! O! verſtehſt du das?! Wie viel Frauen kön-
nen wohl dadurch unglücklich werden? und die dummen Dir-
nen ſprechen alle. Dabei, ſteh’ ich der Welt — man ſagt
ſonſt umgekehrt, „die Welt mir“ — noch offen: die ganze
Skala ſteht da; und läßt ſich reiner angeben, vielfältiger,
williger, als bei irgend einem Geſchöpf, das ich kenne.
Grüße L.! ſag’ ihm, ich erbete auch Glück für ihn: er irre
ſich: beurtheilen könne er mich durch Studiren nicht. Ich
könne noch glücklich ſein.
Ich verliere dieſen Winter an Berlin den ſchönſten Auf-
enthalt in der mir bekannten Welt. Humboldts, Burgsdorf,
du und noch ein Freund und Jean Paul Friedrich Richter
kommen nach Berlin, um zu wohnen. Zeig Richtern, aber
nur er wiſſe das, meinen vorigen und dieſen Brief. Er hat
gewünſcht, Briefe von mir zu ſehen. Zeig ihm auch luſtige.
Er ſoll mich mehr kennen, ich wünſche es, weil es mir wohl-
thut und ſchmeichelt: und weil er mich kennen ſoll; ſo et-
was iſt ihm noch nicht vorgekommen; er mußt’ es ſich aus-
denken. Ich zeig ihm das, wie ein Spektakel, wie die Mar-
chetti. (Wenn er denkt, ich präparire und affektire, ſo irrt er
plump.) Ich hätte es gern gleich gethan, aber es iſt ſchwerer,
als ein Komödienbillet nehmen; und auch jetzt ſieht er nur
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/224>, abgerufen am 27.11.2024.
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