es ist mir, als kennt' ich sie von Kindheit an. Wir haben auch manche Parthie mit einander verabredet. Die Veit läßt Ihnen sagen, wie so Sie sie mit Einmal außer Ihrem Karak- ter behandlen, und ihr auf einen Brief, wo welche von Schle- gel, Schleiermacher, eingeschlossen waren, nicht antworten. Sie will mir nicht glauben, und behauptet, Sie müßten ihn bekommen haben. Friedrich Schlegel ist schon in Jena, und Mad. Veit reist die andere Woche mit meiner Mutter nach Leipzig, von wo sie die Schlegels nach Jena holen, und wo sie den Winter mit ihrem jüngsten Sohn bleibt. -- "Die Nacht -- sie mußte sich erhellen." Ich bin noch mittenin. Auch sollen Sie von mir kein Wort hören; so elend geht es mir. Ich glaubte das Leben, den Schmerz zu kennen: aber diesen Sommer hab' ich ihn erst erfahren. Nun -- zweifl' ich auch nicht mehr, nun kann es immer ärger werden! Ich bin aber nicht so elend, wie sonst: ich habe mehr Muth; und sollte mir auch nur eine Hand zu retten übrig bleiben. Ich rette sie; und da mich diese Leiden, dieses Verlassensein nicht stupid gemacht hat, bloß zerrissen, ohne zu tödten -- nun! so ist man ja wohl gemacht um dies zu leiden, und so zu werden, wie ich werde. Von mir also nichts. Darum schrieb ich auch so lang nicht; hätt' ich auch noch immer nicht geschrieben -- von der Pachta in diesem Briefe auch nicht. Nächstens schick' ich Ihnen eine Kopie von einer Antwort, die sie mir diesen Frühling auf Ihren vorletzten Brief schickte, und worauf ich das Päckchen mit Ihren Gedichten zurück- gehalten habe! Glauben Sie! es war recht. Der Unver- stand war geschwollen bis zu einer Tollheit. Was macht meine
es iſt mir, als kennt’ ich ſie von Kindheit an. Wir haben auch manche Parthie mit einander verabredet. Die Veit läßt Ihnen ſagen, wie ſo Sie ſie mit Einmal außer Ihrem Karak- ter behandlen, und ihr auf einen Brief, wo welche von Schle- gel, Schleiermacher, eingeſchloſſen waren, nicht antworten. Sie will mir nicht glauben, und behauptet, Sie müßten ihn bekommen haben. Friedrich Schlegel iſt ſchon in Jena, und Mad. Veit reiſt die andere Woche mit meiner Mutter nach Leipzig, von wo ſie die Schlegels nach Jena holen, und wo ſie den Winter mit ihrem jüngſten Sohn bleibt. — „Die Nacht — ſie mußte ſich erhellen.“ Ich bin noch mittenin. Auch ſollen Sie von mir kein Wort hören; ſo elend geht es mir. Ich glaubte das Leben, den Schmerz zu kennen: aber dieſen Sommer hab’ ich ihn erſt erfahren. Nun — zweifl’ ich auch nicht mehr, nun kann es immer ärger werden! Ich bin aber nicht ſo elend, wie ſonſt: ich habe mehr Muth; und ſollte mir auch nur eine Hand zu retten übrig bleiben. Ich rette ſie; und da mich dieſe Leiden, dieſes Verlaſſenſein nicht ſtupid gemacht hat, bloß zerriſſen, ohne zu tödten — nun! ſo iſt man ja wohl gemacht um dies zu leiden, und ſo zu werden, wie ich werde. Von mir alſo nichts. Darum ſchrieb ich auch ſo lang nicht; hätt’ ich auch noch immer nicht geſchrieben — von der Pachta in dieſem Briefe auch nicht. Nächſtens ſchick’ ich Ihnen eine Kopie von einer Antwort, die ſie mir dieſen Frühling auf Ihren vorletzten Brief ſchickte, und worauf ich das Päckchen mit Ihren Gedichten zurück- gehalten habe! Glauben Sie! es war recht. Der Unver- ſtand war geſchwollen bis zu einer Tollheit. Was macht meine
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es iſt mir, als kennt’ ich ſie von Kindheit an. Wir haben
auch manche Parthie mit einander verabredet. Die Veit läßt
Ihnen ſagen, wie ſo Sie ſie mit Einmal außer Ihrem Karak-
ter behandlen, und ihr auf einen Brief, wo welche von Schle-
gel, Schleiermacher, eingeſchloſſen waren, nicht antworten.
Sie will mir nicht glauben, und behauptet, Sie müßten ihn
bekommen haben. Friedrich Schlegel iſt ſchon in Jena, und
Mad. Veit reiſt die andere Woche mit meiner Mutter nach
Leipzig, von wo ſie die Schlegels nach Jena holen, und wo
ſie den Winter mit ihrem jüngſten Sohn bleibt. — „Die
Nacht — ſie mußte ſich erhellen.“ Ich bin noch mittenin.
Auch ſollen Sie von mir kein Wort hören; ſo elend geht
es mir. Ich glaubte das Leben, den Schmerz zu kennen: aber
dieſen Sommer hab’ ich ihn erſt erfahren. Nun — zweifl’
ich auch nicht mehr, nun kann es immer ärger werden! Ich
bin aber nicht ſo elend, wie ſonſt: ich habe mehr Muth; und
ſollte mir auch nur eine Hand zu retten übrig bleiben.
Ich rette ſie; und da mich dieſe Leiden, dieſes Verlaſſenſein
nicht ſtupid gemacht hat, bloß zerriſſen, ohne zu tödten —
nun! ſo iſt man ja wohl gemacht um dies zu leiden, und ſo
zu werden, wie ich werde. Von mir alſo nichts. Darum
ſchrieb ich auch ſo lang nicht; hätt’ ich auch noch immer nicht
geſchrieben — von der Pachta in dieſem Briefe auch nicht.
Nächſtens ſchick’ ich Ihnen eine Kopie von einer Antwort,
die ſie mir dieſen Frühling auf Ihren vorletzten Brief ſchickte,
und worauf ich das Päckchen mit Ihren Gedichten zurück-
gehalten habe! Glauben Sie! es war recht. Der Unver-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/204>, abgerufen am 29.11.2024.
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