Ich schreibe so garstig. Das hält mich auch zu schreiben ab, wenn es mir darauf ankömmt, das zu sagen, was ich will.
Bald bin ich hier allein, ohne Bekannte. Mariane ist weg, die Fließ geht in vierzehn Tagen. Die Unzelmann ist auf einige Monat nach Wien. Jettchen geht auch in vierzehn Tagen dahin. Gualtieri kommt nicht mehr -- ein Mißver- ständniß mit meinem Bruder --. Genelli seh' ich sehr wenig. Die Grotthuß verreist. Was ich thu', weiß ich nicht; entweder ich geh nach Prag, wenn die Pachta will, woran ich zweifle -- dies mündlich, im Winter in Paris --, oder ich geh' nach Pyrmont, oder mit Schlegels, die nach vierzehn Tagen hierher kommen auf einen Monat, nach Jena. Alles ist unbestimmt bei mir, und ich will sehr diesmal auf die innre Stimme lau- schen. Kommen Humboldts wieder nach Paris, so komm' ich zum Winter hin, wenn ich bei ihr wohnen kann. Freuen Sie sich also. Das ist alles, was ich von Plänen im Leibe führe; das sind meine Lebenspläne. Das gefällt mir schon! und was ich habe, wirklich besitze, macht mich freudetrunken. Meine Freiheit ist im Grunde groß. Nichts setzt ihr eine Gränze, als mein Vermögen, und wer fände die nicht endlich. Wissen Sie, wie viel Geld ich mir jetzt wünsche, außer "das viele"? So viel, ein Findelhaus zu errichten. Dann nähm' ich mir Kinder heraus, die mir wohlgefielen, zum Erziehen; und das wären meine. Adieu mon ami! Sein Sie nicht zu dankbar, lieber Brinckmann, und leben Sie wohl! Jetzt geht der Frühling an. Die Sonne scheint recht, Adieu! Es grüßt alles was lebt, -- Schlegel, den Schlechten, kann ich nicht zum Schreiben bekommen. Dieser Brief ist den 9. und
Ich ſchreibe ſo garſtig. Das hält mich auch zu ſchreiben ab, wenn es mir darauf ankömmt, das zu ſagen, was ich will.
Bald bin ich hier allein, ohne Bekannte. Mariane iſt weg, die Fließ geht in vierzehn Tagen. Die Unzelmann iſt auf einige Monat nach Wien. Jettchen geht auch in vierzehn Tagen dahin. Gualtieri kommt nicht mehr — ein Mißver- ſtändniß mit meinem Bruder —. Genelli ſeh’ ich ſehr wenig. Die Grotthuß verreiſt. Was ich thu’, weiß ich nicht; entweder ich geh nach Prag, wenn die Pachta will, woran ich zweifle — dies mündlich, im Winter in Paris —, oder ich geh’ nach Pyrmont, oder mit Schlegels, die nach vierzehn Tagen hierher kommen auf einen Monat, nach Jena. Alles iſt unbeſtimmt bei mir, und ich will ſehr diesmal auf die innre Stimme lau- ſchen. Kommen Humboldts wieder nach Paris, ſo komm’ ich zum Winter hin, wenn ich bei ihr wohnen kann. Freuen Sie ſich alſo. Das iſt alles, was ich von Plänen im Leibe führe; das ſind meine Lebenspläne. Das gefällt mir ſchon! und was ich habe, wirklich beſitze, macht mich freudetrunken. Meine Freiheit iſt im Grunde groß. Nichts ſetzt ihr eine Gränze, als mein Vermögen, und wer fände die nicht endlich. Wiſſen Sie, wie viel Geld ich mir jetzt wünſche, außer „das viele“? So viel, ein Findelhaus zu errichten. Dann nähm’ ich mir Kinder heraus, die mir wohlgefielen, zum Erziehen; und das wären meine. Adieu mon ami! Sein Sie nicht zu dankbar, lieber Brinckmann, und leben Sie wohl! Jetzt geht der Frühling an. Die Sonne ſcheint recht, Adieu! Es grüßt alles was lebt, — Schlegel, den Schlechten, kann ich nicht zum Schreiben bekommen. Dieſer Brief iſt den 9. und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0200"n="186"/>
Ich ſchreibe ſo garſtig. Das hält mich auch zu ſchreiben ab,<lb/>
wenn es mir darauf ankömmt, das zu ſagen, was ich will.</p><lb/><p>Bald bin ich hier allein, ohne <hirendition="#g">Bekannte</hi>. Mariane iſt<lb/>
weg, die Fließ geht in vierzehn Tagen. Die Unzelmann iſt<lb/>
auf einige Monat nach Wien. Jettchen geht auch in vierzehn<lb/>
Tagen dahin. Gualtieri kommt nicht mehr — ein Mißver-<lb/>ſtändniß mit meinem Bruder —. Genelli ſeh’ ich <hirendition="#g">ſehr</hi> wenig.<lb/>
Die Grotthuß verreiſt. Was ich thu’, weiß ich nicht; entweder<lb/>
ich geh nach Prag, wenn die Pachta will, woran ich zweifle<lb/>— dies mündlich, im Winter in Paris —, oder ich geh’ nach<lb/>
Pyrmont, oder mit Schlegels, die nach vierzehn Tagen hierher<lb/>
kommen auf einen Monat, nach Jena. Alles iſt unbeſtimmt<lb/>
bei mir, und ich will ſehr diesmal auf die innre Stimme lau-<lb/>ſchen. Kommen Humboldts wieder nach Paris, ſo komm’ ich<lb/>
zum Winter hin, wenn ich bei ihr wohnen kann. Freuen<lb/>
Sie ſich alſo. Das iſt alles, was ich von Plänen im Leibe<lb/>
führe; <hirendition="#g">das</hi>ſind meine Lebenspläne. Das gefällt mir ſchon!<lb/>
und was ich habe, wirklich beſitze, macht mich freude<hirendition="#g">trunken</hi>.<lb/>
Meine Freiheit iſt im Grunde groß. Nichts ſetzt ihr eine<lb/>
Gränze, als mein Vermögen, und wer fände die nicht endlich.<lb/>
Wiſſen Sie, wie viel Geld ich mir jetzt wünſche, außer „das<lb/>
viele“? So viel, ein Findelhaus zu errichten. Dann nähm’<lb/>
ich mir Kinder heraus, die mir wohlgefielen, zum Erziehen;<lb/>
und das wären <hirendition="#g">meine</hi>. <hirendition="#aq">Adieu mon ami!</hi> Sein Sie nicht<lb/>
zu dankbar, lieber Brinckmann, und leben Sie wohl! Jetzt<lb/>
geht der Frühling an. Die Sonne ſcheint recht, Adieu! Es<lb/>
grüßt alles was lebt, — Schlegel, den Schlechten, kann ich<lb/>
nicht zum Schreiben bekommen. Dieſer Brief iſt den 9. und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[186/0200]
Ich ſchreibe ſo garſtig. Das hält mich auch zu ſchreiben ab,
wenn es mir darauf ankömmt, das zu ſagen, was ich will.
Bald bin ich hier allein, ohne Bekannte. Mariane iſt
weg, die Fließ geht in vierzehn Tagen. Die Unzelmann iſt
auf einige Monat nach Wien. Jettchen geht auch in vierzehn
Tagen dahin. Gualtieri kommt nicht mehr — ein Mißver-
ſtändniß mit meinem Bruder —. Genelli ſeh’ ich ſehr wenig.
Die Grotthuß verreiſt. Was ich thu’, weiß ich nicht; entweder
ich geh nach Prag, wenn die Pachta will, woran ich zweifle
— dies mündlich, im Winter in Paris —, oder ich geh’ nach
Pyrmont, oder mit Schlegels, die nach vierzehn Tagen hierher
kommen auf einen Monat, nach Jena. Alles iſt unbeſtimmt
bei mir, und ich will ſehr diesmal auf die innre Stimme lau-
ſchen. Kommen Humboldts wieder nach Paris, ſo komm’ ich
zum Winter hin, wenn ich bei ihr wohnen kann. Freuen
Sie ſich alſo. Das iſt alles, was ich von Plänen im Leibe
führe; das ſind meine Lebenspläne. Das gefällt mir ſchon!
und was ich habe, wirklich beſitze, macht mich freudetrunken.
Meine Freiheit iſt im Grunde groß. Nichts ſetzt ihr eine
Gränze, als mein Vermögen, und wer fände die nicht endlich.
Wiſſen Sie, wie viel Geld ich mir jetzt wünſche, außer „das
viele“? So viel, ein Findelhaus zu errichten. Dann nähm’
ich mir Kinder heraus, die mir wohlgefielen, zum Erziehen;
und das wären meine. Adieu mon ami! Sein Sie nicht
zu dankbar, lieber Brinckmann, und leben Sie wohl! Jetzt
geht der Frühling an. Die Sonne ſcheint recht, Adieu! Es
grüßt alles was lebt, — Schlegel, den Schlechten, kann ich
nicht zum Schreiben bekommen. Dieſer Brief iſt den 9. und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/200>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.