mir sonst etwas begegnet. Die Gräfin Pachta ist nicht hier, sie besuchte mich aber in Karlsbad, und sprach viel von Ih- nen. Die Bernard aus Breslau ist aber hier, und mit der Liman bin ich hier; und dann ist Herr von Burgsdorf -- ich kann mein Freund sagen, und hoffen, daß ich es werth bin -- hier, ein Märker von Berlin. Das ist der helle Punkt in meiner hiesigen Existenz. Nicht grad der, den Schiller meint, aber der helle Punkt auf einem Gegenstand, der den andern Schatten und Lichtern ihre Richtung bedeutet. Haben Sie meinen Brief bekommen, den ich Ihnen vor meiner Ab- reise schrieb? Werden Sie mir schreiben? Wie ist Ihnen denn jetzt, was machen Sie denn diesen Sommer? Hören Sie nichts von Latrobe? Sie sollten doch. Ich wollt' Ihnen schon lange schreiben, aber ich war immer zu schwach, krank, und ange- griffen. Sein Sie also mit diesem Brief, wie er auch ist, zu- frieden. Denn Sie können es sein. Sie glauben mir doch noch? Entschuldigung soll dies nicht sein: denn Sie hätten mir wohl schreiben können, aber auch nicht Anklage. Viel- leicht liegt sogar zu Hause ein Brief von Ihnen. Adieu! Bis ich nicht sterbe, verändere ich mich doch nicht. Und doch bin ich sehr verändert. Meister muß ja nun bald kommen. Wie les' ich hier den Tasso! mit Burgsdorf; wie find' ich mich hier nach und nach, und Goethe. Adieu. Ich will doch meinen Namen schreiben; vielleicht erkennen Sie den Brief nicht. Es ist Spaß.
R. L.
(R. Robert ist meine Addresse.)
I. 11
mir ſonſt etwas begegnet. Die Gräfin Pachta iſt nicht hier, ſie beſuchte mich aber in Karlsbad, und ſprach viel von Ih- nen. Die Bernard aus Breslau iſt aber hier, und mit der Liman bin ich hier; und dann iſt Herr von Burgsdorf — ich kann mein Freund ſagen, und hoffen, daß ich es werth bin — hier, ein Märker von Berlin. Das iſt der helle Punkt in meiner hieſigen Exiſtenz. Nicht grad der, den Schiller meint, aber der helle Punkt auf einem Gegenſtand, der den andern Schatten und Lichtern ihre Richtung bedeutet. Haben Sie meinen Brief bekommen, den ich Ihnen vor meiner Ab- reiſe ſchrieb? Werden Sie mir ſchreiben? Wie iſt Ihnen denn jetzt, was machen Sie denn dieſen Sommer? Hören Sie nichts von Latrobe? Sie ſollten doch. Ich wollt’ Ihnen ſchon lange ſchreiben, aber ich war immer zu ſchwach, krank, und ange- griffen. Sein Sie alſo mit dieſem Brief, wie er auch iſt, zu- frieden. Denn Sie können es ſein. Sie glauben mir doch noch? Entſchuldigung ſoll dies nicht ſein: denn Sie hätten mir wohl ſchreiben können, aber auch nicht Anklage. Viel- leicht liegt ſogar zu Hauſe ein Brief von Ihnen. Adieu! Bis ich nicht ſterbe, verändere ich mich doch nicht. Und doch bin ich ſehr verändert. Meiſter muß ja nun bald kommen. Wie leſ’ ich hier den Taſſo! mit Burgsdorf; wie find’ ich mich hier nach und nach, und Goethe. Adieu. Ich will doch meinen Namen ſchreiben; vielleicht erkennen Sie den Brief nicht. Es iſt Spaß.
R. L.
(R. Robert iſt meine Addreſſe.)
I. 11
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0175"n="161"/>
mir ſonſt etwas begegnet. Die Gräfin Pachta iſt nicht hier,<lb/>ſie beſuchte mich aber in Karlsbad, und ſprach viel von Ih-<lb/>
nen. Die Bernard aus Breslau iſt aber hier, und mit der<lb/>
Liman <hirendition="#g">bin</hi> ich hier; und dann iſt Herr von Burgsdorf —<lb/>
ich kann mein Freund ſagen, und hoffen, daß ich es werth<lb/>
bin — hier, ein Märker von Berlin. Das iſt der helle Punkt<lb/>
in meiner hieſigen Exiſtenz. Nicht grad der, den Schiller<lb/>
meint, aber der helle Punkt auf einem <hirendition="#g">Gegenſtand</hi>, der den<lb/>
andern Schatten und Lichtern ihre Richtung bedeutet. Haben<lb/>
Sie meinen Brief bekommen, den ich Ihnen vor meiner Ab-<lb/>
reiſe ſchrieb? Werden Sie mir ſchreiben? Wie iſt Ihnen denn<lb/>
jetzt, was machen Sie denn dieſen Sommer? Hören Sie nichts<lb/>
von Latrobe? Sie ſollten doch. Ich wollt’ Ihnen ſchon lange<lb/>ſchreiben, aber ich war immer zu ſchwach, krank, und ange-<lb/>
griffen. Sein Sie alſo mit dieſem Brief, wie er auch iſt, zu-<lb/>
frieden. Denn Sie können es ſein. Sie glauben mir doch<lb/>
noch? Entſchuldigung ſoll dies nicht ſein: denn Sie hätten<lb/>
mir wohl ſchreiben können, aber auch nicht Anklage. Viel-<lb/>
leicht liegt ſogar zu Hauſe ein Brief von Ihnen. Adieu!<lb/>
Bis ich nicht ſterbe, verändere ich mich doch nicht. Und doch<lb/>
bin ich ſehr verändert. Meiſter muß ja nun bald kommen.<lb/>
Wie leſ’ ich hier den Taſſo! mit Burgsdorf; wie find’ ich<lb/>
mich hier nach und nach, und Goethe. Adieu. Ich will doch<lb/>
meinen Namen ſchreiben; vielleicht erkennen Sie den Brief<lb/>
nicht. Es iſt Spaß.</p><closer><salute><hirendition="#et">R. L.</hi></salute></closer><lb/><postscript><p>(R. Robert iſt meine Addreſſe.)</p></postscript></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">I.</hi> 11</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[161/0175]
mir ſonſt etwas begegnet. Die Gräfin Pachta iſt nicht hier,
ſie beſuchte mich aber in Karlsbad, und ſprach viel von Ih-
nen. Die Bernard aus Breslau iſt aber hier, und mit der
Liman bin ich hier; und dann iſt Herr von Burgsdorf —
ich kann mein Freund ſagen, und hoffen, daß ich es werth
bin — hier, ein Märker von Berlin. Das iſt der helle Punkt
in meiner hieſigen Exiſtenz. Nicht grad der, den Schiller
meint, aber der helle Punkt auf einem Gegenſtand, der den
andern Schatten und Lichtern ihre Richtung bedeutet. Haben
Sie meinen Brief bekommen, den ich Ihnen vor meiner Ab-
reiſe ſchrieb? Werden Sie mir ſchreiben? Wie iſt Ihnen denn
jetzt, was machen Sie denn dieſen Sommer? Hören Sie nichts
von Latrobe? Sie ſollten doch. Ich wollt’ Ihnen ſchon lange
ſchreiben, aber ich war immer zu ſchwach, krank, und ange-
griffen. Sein Sie alſo mit dieſem Brief, wie er auch iſt, zu-
frieden. Denn Sie können es ſein. Sie glauben mir doch
noch? Entſchuldigung ſoll dies nicht ſein: denn Sie hätten
mir wohl ſchreiben können, aber auch nicht Anklage. Viel-
leicht liegt ſogar zu Hauſe ein Brief von Ihnen. Adieu!
Bis ich nicht ſterbe, verändere ich mich doch nicht. Und doch
bin ich ſehr verändert. Meiſter muß ja nun bald kommen.
Wie leſ’ ich hier den Taſſo! mit Burgsdorf; wie find’ ich
mich hier nach und nach, und Goethe. Adieu. Ich will doch
meinen Namen ſchreiben; vielleicht erkennen Sie den Brief
nicht. Es iſt Spaß.
R. L.
(R. Robert iſt meine Addreſſe.)
I. 11
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/175>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.