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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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wider und verdächtig; und was diesem Haß den rechten
Schwung giebt, und ihn, so unbedeutend ich bin, frisch erhält,
ist, daß sie mich keiner Grobheit zeihen, und mir keinen
schlechten Streich nacherzählen können, und doch sehen, daß
ich mir nichts aus ihnen mache. Das ärgert von einem jeden,
und das vergiebt man nicht. Sein Sie versichert, ich bin
kein närrischer Phantast, dem das schmeichelt; -- wenn ich's än-
dern könnte, thät' ich's: ich büße aber, und dabei ist denn
nichts zu thun, als zu büßen. Meine Buße besteht in Ennui;
daß man mir oft nicht traut in Ernst und Spaß; daß man
mich ins Gesicht und hinter meinem Rücken anklagt, ohne daß
ich mich vertheidigen kann, weil ich immer nichts zu verthei-
digen weiß; daß ich sehr oft in Verlegenheit komme, nicht
in Verlegenheit kommen zu können; daß ein jeder Narr
denkt, er erfüllt seine Pflichten -- wie sie ihre Seichtigkeit
nennen, gewöhnliche Dinge in hundert Abtheilungen zu thun,
was man mit Einmal konnte, und tausend ekelhafte, wässerige
Etcetera's; daß sie mich verschreien, und mir trauen, denn
sie machen mich zu ihrem Confident. Das muß ich ausstehn.
Weiter aber nichts. Keine Kränkung, keine Erniedrigung,
keinen vergeblichen Wunsch: aber stören thun sie mich auch;
denn, das ist wahr, sie erschweren mir oft die Schritte, die
ich mache, durch unzeitiges Lob, welches fast noch ärger ist,
als ihr plumper unsinniger Tadel, welche Epithete ihrem Lobe
noch weit mehr gehören. Und das ist der schlimmste Effekt
dieses Defekts meiner Renommee; denn nur eigentlich ein
kleines Pünktchen auf dieser wirft all den Schatten, der mich
so viele Konfusion erleben läßt. Und dieses Pünktchen, das

wider und verdächtig; und was dieſem Haß den rechten
Schwung giebt, und ihn, ſo unbedeutend ich bin, friſch erhält,
iſt, daß ſie mich keiner Grobheit zeihen, und mir keinen
ſchlechten Streich nacherzählen können, und doch ſehen, daß
ich mir nichts aus ihnen mache. Das ärgert von einem jeden,
und das vergiebt man nicht. Sein Sie verſichert, ich bin
kein närriſcher Phantaſt, dem das ſchmeichelt; — wenn ich’s än-
dern könnte, thät’ ich’s: ich büße aber, und dabei iſt denn
nichts zu thun, als zu büßen. Meine Buße beſteht in Ennui;
daß man mir oft nicht traut in Ernſt und Spaß; daß man
mich ins Geſicht und hinter meinem Rücken anklagt, ohne daß
ich mich vertheidigen kann, weil ich immer nichts zu verthei-
digen weiß; daß ich ſehr oft in Verlegenheit komme, nicht
in Verlegenheit kommen zu können; daß ein jeder Narr
denkt, er erfüllt ſeine Pflichten — wie ſie ihre Seichtigkeit
nennen, gewöhnliche Dinge in hundert Abtheilungen zu thun,
was man mit Einmal konnte, und tauſend ekelhafte, wäſſerige
Etcetera’s; daß ſie mich verſchreien, und mir trauen, denn
ſie machen mich zu ihrem Confident. Das muß ich ausſtehn.
Weiter aber nichts. Keine Kränkung, keine Erniedrigung,
keinen vergeblichen Wunſch: aber ſtören thun ſie mich auch;
denn, das iſt wahr, ſie erſchweren mir oft die Schritte, die
ich mache, durch unzeitiges Lob, welches faſt noch ärger iſt,
als ihr plumper unſinniger Tadel, welche Epithete ihrem Lobe
noch weit mehr gehören. Und das iſt der ſchlimmſte Effekt
dieſes Defekts meiner Renommee; denn nur eigentlich ein
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[122/0136] wider und verdächtig; und was dieſem Haß den rechten Schwung giebt, und ihn, ſo unbedeutend ich bin, friſch erhält, iſt, daß ſie mich keiner Grobheit zeihen, und mir keinen ſchlechten Streich nacherzählen können, und doch ſehen, daß ich mir nichts aus ihnen mache. Das ärgert von einem jeden, und das vergiebt man nicht. Sein Sie verſichert, ich bin kein närriſcher Phantaſt, dem das ſchmeichelt; — wenn ich’s än- dern könnte, thät’ ich’s: ich büße aber, und dabei iſt denn nichts zu thun, als zu büßen. Meine Buße beſteht in Ennui; daß man mir oft nicht traut in Ernſt und Spaß; daß man mich ins Geſicht und hinter meinem Rücken anklagt, ohne daß ich mich vertheidigen kann, weil ich immer nichts zu verthei- digen weiß; daß ich ſehr oft in Verlegenheit komme, nicht in Verlegenheit kommen zu können; daß ein jeder Narr denkt, er erfüllt ſeine Pflichten — wie ſie ihre Seichtigkeit nennen, gewöhnliche Dinge in hundert Abtheilungen zu thun, was man mit Einmal konnte, und tauſend ekelhafte, wäſſerige Etcetera’s; daß ſie mich verſchreien, und mir trauen, denn ſie machen mich zu ihrem Confident. Das muß ich ausſtehn. Weiter aber nichts. Keine Kränkung, keine Erniedrigung, keinen vergeblichen Wunſch: aber ſtören thun ſie mich auch; denn, das iſt wahr, ſie erſchweren mir oft die Schritte, die ich mache, durch unzeitiges Lob, welches faſt noch ärger iſt, als ihr plumper unſinniger Tadel, welche Epithete ihrem Lobe noch weit mehr gehören. Und das iſt der ſchlimmſte Effekt dieſes Defekts meiner Renommee; denn nur eigentlich ein kleines Pünktchen auf dieſer wirft all den Schatten, der mich ſo viele Konfuſion erleben läßt. Und dieſes Pünktchen, das

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/136>, abgerufen am 22.12.2024.