Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Persönliche fällt weg, wenn es ein Mädchen geschrieben hat,
wo man das, was einem nicht darin gefallen mag, auf die
leichteste und rechtmäßigste Art, als Ignoranz von ihrer Seite,
verwerfen kann. Was aber in der That nicht hübsch war,
ist, daß Sie mich deßhalb so lange auf einen Brief haben
warten lassen! Wie komm' ich dazu! Warum lassen Sie
mich warten, wenn Sie Lust haben meine Briefe zu zeigen,
und warum speisen Sie mich nun mit einem solchen ab?
denn auch daran, daß Sie den Tag so wenig Zeit haben, so
kurz und obenhin sein mußten, hat Ihr langes Warten Schuld;
hätten Sie mir den Tag schreiben zu müssen geglaubt? Ist
das mein Lohn! Sie! mit Gerechtigkeit und Empfindung.
Ach, ich sehe wohl, ich stehe zu hoch bei Ihnen; Sie verken-
nen mich. Ich bin eitel. Es ist bei Gott wahr, glauben
Sie mir, Und schreiben Sie mir genau, wenn auch nicht
ausführlich, was Sie Humboldten gezeigt haben; und was
Sie Exklamation nennen, Ich will es wissen, hören Sie!
Wie oft langweil' ich mich Ihnen zu Gefallen? Noch eins!
wenn er sich nicht gewundert hat, so hat er sich auch nur
vor Ihren Augen gefreut; denn, ist das Urtheil gut und
richtig, wie es neu und original gewiß ist, er hat nicht ge-
wußt, daß ein solches mein sein kann, und mußte sich ge-
wundert haben, Hat er denn über Woldemar eingestimmt?
So hat er ja der ganzen Welt Pulver vorgestreut, die es ver-
dient! Sie antworten mir über nichts, und so sehr gut
über das bischen, worüber Sie antworten; sehen Sie also,
was Sie für ein wenig Gerechtigkeit empfindender, wenig
wohlthuender Mensch sind! -- Eine eigene Art haben der

Perſönliche fällt weg, wenn es ein Mädchen geſchrieben hat,
wo man das, was einem nicht darin gefallen mag, auf die
leichteſte und rechtmäßigſte Art, als Ignoranz von ihrer Seite,
verwerfen kann. Was aber in der That nicht hübſch war,
iſt, daß Sie mich deßhalb ſo lange auf einen Brief haben
warten laſſen! Wie komm’ ich dazu! Warum laſſen Sie
mich warten, wenn Sie Luſt haben meine Briefe zu zeigen,
und warum ſpeiſen Sie mich nun mit einem ſolchen ab?
denn auch daran, daß Sie den Tag ſo wenig Zeit haben, ſo
kurz und obenhin ſein mußten, hat Ihr langes Warten Schuld;
hätten Sie mir den Tag ſchreiben zu müſſen geglaubt? Iſt
das mein Lohn! Sie! mit Gerechtigkeit und Empfindung.
Ach, ich ſehe wohl, ich ſtehe zu hoch bei Ihnen; Sie verken-
nen mich. Ich bin eitel. Es iſt bei Gott wahr, glauben
Sie mir, Und ſchreiben Sie mir genau, wenn auch nicht
ausführlich, was Sie Humboldten gezeigt haben; und was
Sie Exklamation nennen, Ich will es wiſſen, hören Sie!
Wie oft langweil’ ich mich Ihnen zu Gefallen? Noch eins!
wenn er ſich nicht gewundert hat, ſo hat er ſich auch nur
vor Ihren Augen gefreut; denn, iſt das Urtheil gut und
richtig, wie es neu und original gewiß iſt, er hat nicht ge-
wußt, daß ein ſolches mein ſein kann, und mußte ſich ge-
wundert haben, Hat er denn über Woldemar eingeſtimmt?
So hat er ja der ganzen Welt Pulver vorgeſtreut, die es ver-
dient! Sie antworten mir über nichts, und ſo ſehr gut
über das bischen, worüber Sie antworten; ſehen Sie alſo,
was Sie für ein wenig Gerechtigkeit empfindender, wenig
wohlthuender Menſch ſind! — Eine eigene Art haben der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0132" n="118"/>
Per&#x017F;önliche fällt weg, wenn es ein Mädchen ge&#x017F;chrieben hat,<lb/>
wo man das, was einem nicht darin gefallen mag, auf die<lb/>
leichte&#x017F;te und rechtmäßig&#x017F;te Art, als Ignoranz von ihrer Seite,<lb/>
verwerfen kann. Was aber in der That nicht hüb&#x017F;ch war,<lb/>
i&#x017F;t, daß Sie mich deßhalb &#x017F;o lange auf einen Brief haben<lb/>
warten la&#x017F;&#x017F;en! Wie komm&#x2019; ich dazu! Warum la&#x017F;&#x017F;en Sie<lb/>
mich warten, wenn Sie Lu&#x017F;t haben meine Briefe zu zeigen,<lb/>
und warum &#x017F;pei&#x017F;en Sie mich nun mit einem &#x017F;olchen ab?<lb/>
denn auch daran, daß Sie den Tag &#x017F;o wenig Zeit haben, &#x017F;o<lb/>
kurz und obenhin &#x017F;ein mußten, hat Ihr langes Warten Schuld;<lb/>
hätten Sie mir <hi rendition="#g">den</hi> Tag &#x017F;chreiben zu mü&#x017F;&#x017F;en geglaubt? I&#x017F;t<lb/>
das mein Lohn! Sie! mit Gerechtigkeit und Empfindung.<lb/>
Ach, ich &#x017F;ehe wohl, ich &#x017F;tehe zu hoch bei Ihnen; Sie verken-<lb/>
nen mich. Ich <hi rendition="#g">bin</hi> eitel. Es i&#x017F;t bei Gott wahr, glauben<lb/>
Sie mir, Und &#x017F;chreiben Sie mir genau, wenn auch nicht<lb/>
ausführlich, was Sie Humboldten gezeigt haben; und <hi rendition="#g">was</hi><lb/>
Sie Exklamation nennen, Ich will es wi&#x017F;&#x017F;en, hören Sie!<lb/>
Wie oft langweil&#x2019; ich mich Ihnen zu Gefallen? Noch eins!<lb/><hi rendition="#g">wenn</hi> er &#x017F;ich nicht gewundert hat, &#x017F;o hat er &#x017F;ich auch nur<lb/>
vor Ihren Augen gefreut; denn, i&#x017F;t das Urtheil gut und<lb/>
richtig, wie es neu und original gewiß i&#x017F;t, er hat nicht ge-<lb/>
wußt, daß ein &#x017F;olches mein &#x017F;ein kann, und <hi rendition="#g">mußte</hi> &#x017F;ich ge-<lb/>
wundert haben, Hat er denn über Woldemar einge&#x017F;timmt?<lb/>
So hat er ja der ganzen Welt Pulver vorge&#x017F;treut, die es ver-<lb/>
dient! Sie <hi rendition="#g">antworten</hi> mir über nichts, und &#x017F;o &#x017F;ehr gut<lb/>
über das bischen, worüber Sie antworten; &#x017F;ehen Sie al&#x017F;o,<lb/>
was Sie für ein wenig Gerechtigkeit empfindender, wenig<lb/>
wohlthuender Men&#x017F;ch &#x017F;ind! &#x2014; Eine eigene Art haben der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0132] Perſönliche fällt weg, wenn es ein Mädchen geſchrieben hat, wo man das, was einem nicht darin gefallen mag, auf die leichteſte und rechtmäßigſte Art, als Ignoranz von ihrer Seite, verwerfen kann. Was aber in der That nicht hübſch war, iſt, daß Sie mich deßhalb ſo lange auf einen Brief haben warten laſſen! Wie komm’ ich dazu! Warum laſſen Sie mich warten, wenn Sie Luſt haben meine Briefe zu zeigen, und warum ſpeiſen Sie mich nun mit einem ſolchen ab? denn auch daran, daß Sie den Tag ſo wenig Zeit haben, ſo kurz und obenhin ſein mußten, hat Ihr langes Warten Schuld; hätten Sie mir den Tag ſchreiben zu müſſen geglaubt? Iſt das mein Lohn! Sie! mit Gerechtigkeit und Empfindung. Ach, ich ſehe wohl, ich ſtehe zu hoch bei Ihnen; Sie verken- nen mich. Ich bin eitel. Es iſt bei Gott wahr, glauben Sie mir, Und ſchreiben Sie mir genau, wenn auch nicht ausführlich, was Sie Humboldten gezeigt haben; und was Sie Exklamation nennen, Ich will es wiſſen, hören Sie! Wie oft langweil’ ich mich Ihnen zu Gefallen? Noch eins! wenn er ſich nicht gewundert hat, ſo hat er ſich auch nur vor Ihren Augen gefreut; denn, iſt das Urtheil gut und richtig, wie es neu und original gewiß iſt, er hat nicht ge- wußt, daß ein ſolches mein ſein kann, und mußte ſich ge- wundert haben, Hat er denn über Woldemar eingeſtimmt? So hat er ja der ganzen Welt Pulver vorgeſtreut, die es ver- dient! Sie antworten mir über nichts, und ſo ſehr gut über das bischen, worüber Sie antworten; ſehen Sie alſo, was Sie für ein wenig Gerechtigkeit empfindender, wenig wohlthuender Menſch ſind! — Eine eigene Art haben der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/132
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/132>, abgerufen am 22.12.2024.